Änderung der Landesverfassung im Hinblick auf den Gottesbezug; Änderung der Präambel des Grundgesetzes

Requerente não público
A petição é dirigida a
Petitionsausschuss des Rheinland-Pfälzischen Landtages
212 Apoiador 212 em Renânia-Palatinado

A petição foi terminada.

212 Apoiador 212 em Renânia-Palatinado

A petição foi terminada.

  1. Iniciado 2014
  2. Colecta finalizada
  3. Submetido
  4. Diálogo
  5. Acabado

Esta é uma petição online des Rheinland-Pfälzischen Landtages.

A reencaminhar

12/11/2018 11:11

-1-

Änderung der Präambel des Grundgesetzes

Der Petent begehrte mit seiner Eingabe, dass sich das Land Rheinland-Pfalz im Bundesrat
für eine Änderung der Präambel des Grundgesetzes im Hinblick auf die Streichung der Wor-
te „im Bewusstsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen“ einsetzt und dafür,
dass diese durch eine „neutrale Formel“ wie zum Beispiel „im Bewusstsein seiner Verantwor-
tung vor der Natur und den Menschen“ ersetzt werden.

Die Staatskanzlei Rheinland-Pfalz hatte zu dem Anliegen des Petenten mitgeteilt, dass die An-
gelegenheit überprüft und das Ministerium der Justiz und für Verbraucherschutz um eine Ein-
schätzung aus verfassungsrechtlicher Sicht gebeten wurde. Das Ministerium der Justiz und für
Verbraucherschutz habe zu dem Anliegen wie folgt Stellung genommen:

„Die Nennung Gottes in der Präambel des Grundgesetzes ist eine nominatio dei, keine invocatio
dei. Die Wendung „Im Bewusstsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen“ ist also
weder eine Anrufung noch ein Bekenntnis und schon gar nicht eine Legitimation aus höherem
Recht. Bei dem Gottesbezug der Präambel handelt es sich um eine Art von Demutsformel, bei
der es nicht um eine legitimierende überpositive Verankerung geht, sondern um die Betonung
der Weltlichkeit und damit vor allem der Endlichkeit und Fehlbarkeit auch einer demokratischen
Verfassungsordnung. Die Verfassungsgeber sahen in der historischen Situation im Jahr 1949 -
ebenso wie diejenigen des Jahres 1990 - Anlass zu betonen, dass es sich beim Staat um eine
diesseitige, niemals perfekte Ordnung handelt, die keinen absoluten Wahrheitsgehalt für sich
beanspruchen kann, sondern dass der Staat ‚Menschenwerk“ und als solcher fehleranfällig ist.

Der Parlamentarische Rat wollte mit der Formulierung „Verantwortung vor Gott und den Men-
schen“, die auf den späteren ersten Bundespräsidenten Theodor Heuß zurückgeht, weder eine
religiöse oder weltanschauliche Bevormundung oder eine Verletzung des Prinzips der Trennung
von Staat und Kirche noch eine Beeinträchtigung der Freiheitsgarantie für Nichtgläubige oder
einen Gegensatz zu der in Artikel 4 GG gewährleisteten Glaubens-, Gewissens- und Bekenntnis-
freiheit festlegen. In der angesprochenen Verantwortung vor Gott lag vielmehr eine bewusste
Entgegensetzung zur vorangegangenen nationalsozialistischen “Staats- und Gesellschaftsord-
nung ohne Ehrfurcht vor Gott“, wie es in einer Entwurfsfassung der Präambel hieß. Den Verfas-
sungsgebern ging es also um eine Absage an jede Form totalitärer Staatsideologie und die in
solchen Systemen nicht notwendig, aber oft praktizierte Religionsverfolgung. Die Präambel
drückt insofern aus, dass Atheismus als Staatsreligion unter dem Grundgesetz nicht vorgegeben
oder staatlicherseits propagiert werden dürfte und bekräftigt insofern Art. 4 Abs. 1 und auch Art.
140 GG.

Bei der nach der Wiedervereinigung erforderlichen Revision des Grundgesetzes fanden Bestre-
bungen, den Gottesbezug in der Präambel zu streichen, im Rahmen der staatskirchenrechtli-
chen Debatte der Gemeinsamen Verfassungskommission 1991 keine parlamentarische Mehr-
heit. Die wenigen Befürworter dieses Antrags begründeten dies u. a. damit, eine solche “unspezi-
fische Rede von Gott“ habe in einem staatlichen Verfassungstext nichts zu suchen. Bei allem
Respekt vor den Verfassungsgebern von 1949 und deren Absichten, sich mit solchen Formulie-
rungen von dem Nationalsozialismus abzugrenzen, müsse man sehen, dass diese Abgrenzung
unvollständig sei und es gerade in der nationalsozialistischen Zeit zahlreiche missbräuchliche
Berufungen auf Gott gegeben habe.
Die zahlreichen Gegner des Streichungsantrages der Bezugnahme auf Gott verwiesen darauf,
der Gottesbezug halte zunächst die Erinnerung daran fest, dass die Mütter und Väter des
Grundgesetzes unter dem Eindruck der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft und ihrer
Verbrechen sich von dieser Diktatur mit ihrer menschenverachtenden Ideologie distanzieren und
damit deutlich machen wollten, der Mensch sei nicht allmächtig und nicht die letzte Instanz; es
handele sich um eine Selbsterinnerung an die Grenzen menschlichen Tuns. Die „Verantwortung
vor Gott“ sei zugleich eine Absage an einen relativistischen Gesetzespositivismus, der alles -
unabhängig vom materiellen Gerechtigkeitsgehalt der Norm - als Recht und damit auch als
rechtmäßig ansehe, was als Gesetz beschlossen sei. Damit sollte das Grundverständnis der
-2-

Mitglieder des Parlamentarischen Rates dokumentiert werden, dass es überstaatliche Normen
und Werte gebe, über die auch der Verfassungsgeber nicht verfügen könne. Die vom Petenten
vorgeschlagene Formulierung würde dies nicht zum Ausdruck bringen, abgesehen davon, dass
sie einen künstlichen Gegensatz zwischen Natur und Mensch erzeugt.

Die Verantwortungsformel hält also nicht nur die damalige Grundstimmung und Motivlage des
Verfassungsgebers fest. Die Präambel legt in der Verantwortungsformel die geistigen Grundla-
gen der Verfassungsgebung offen und rechtfertigt das Bemühen, diese Bewusstseinslage wach-
zuhalten. Das Bundesverfassungsgericht hat im „Kruzifix-Urteil“ ausgeführt, dass auch ein Staat,
der die Glaubensfreiheit umfassend gewährleistet und sich damit selber zu religiös- weltanschau-
licher Neutralität verpflichtet, die kulturell vermittelten und historisch verwurzelten Wertüberzeu-
gungen nicht abstreifen kann, auf denen der gesellschaftliche Zusammenhalt beruht und von
denen auch die Erfüllung seiner eigenen Aufgaben abhängt. Noch eindeutiger heißt es im ab-
weichenden Votum der Richter Seidl, Söllner und Haas hierzu: „Unter der Geltung des Grundge-
setzes darf das Gebot der weltanschaulich-religiösen Neutralität nicht als eine Verpflichtung des
Staates zur Indifferenz oder zum Laizismus verstanden werden“.

Dazu, inwieweit die im Kruzifix-Urteil zugrunde gelegten Wertüberzeugungen heute noch in der
Bevölkerung Rückhalt finden, liegen hier keine Untersuchungen oder Erkenntnisse vor. Eine
möglicherweise fortschreitende Kirchenferne in der Bevölkerung allein dürfte keine Rückschlüsse
zulassen. Die bewusste Verankerung der Menschen im christlichen Glauben dürfte zwar in
Deutschland abnehmen. Andererseits bleibt aber unsere gesamte Kultur in weiten Teilen (ein-
schließlich der Erziehung) zumeist unbewusst weiterhin von dem aus dem christlichen Glauben
herrührenden Wertesystem geprägt. Es darf zudem nicht übersehen werden, dass viele Men-
schen, die gar keinen Bezug zum christlichen Glauben mehr haben, trotzdem an eine göttliche
Existenz glauben.

In der politischen Bewertung wird zu berücksichtigen sein, dass ein großer Teil der Zuwanderer,
insbesondere aus muslimischen Staaten, die heute bereits eine große Bevölkerungsgruppe dar-
stellen, eine starke religiöse Bindung haben. Auch wenn die Mitglieder des Parlamentarischen
Rates überwiegend von dem christlichen Gott ausgegangen sind, die Präambel die Beziehung
zu Gott in Form einer Freiheit vermittelnden Verantwortungsrelation erfasst und sich damit einer
spezifisch „westlichen“ Denkfigur bedient, besteht kein Anlass, Gott in einem denkbar engen
Verständnis als christlichen Gott zu interpretieren. Die drei großen monotheistischen Weitreligio-
nen lassen sich unschwer dem Gottesbegriff der Präambel zuordnen.“

Nach Auffassung der Staatskanzlei ist der Stellungnahme des Ministeriums der Justiz und für
Verbraucherschutz nichts hinzuzufügen. Aus diesem Grund werde Rheinland-Pfalz keine Initiati-
ve mit dem von dem Petenten angestrebten Ziel ergreifen.

Der Petitionsausschuss des Landtags Rheinland-Pfalz hat in seiner nicht-öffentlichen

Sitzung am 17.06.2014 festgestellt, dass dem in der Eingabe vorgebrachten Anliegen nicht
abgeholfen werden kann.

Änderung der Landesverfassung im Hinblick auf den Gottesbezug

…Sie übersandten eine Legislativeingabe, mit der Sie eine Änderung der Landesverfassung
im Hinblick auf den Gottesbezug begehren. Im Einzelnen wünschen Sie eine neutrale Formel
im Vorspruch der Verfassung für Rheinland-Pfalz sowie die Streichung des Erziehungsziels
11 „Gottesfurcht“ aus Artikel 33 der Landesverfassung.

Bei Ihrer Legislativeingabe handelt es sich um eine öffentliche Petition. Die Mitzeichnungsfrist,
in der 212 weitere Personen mitzeichneten, endete am 31. März 2014.
-3-

Der Petitionsausschuss hat in seiner 27. Sitzung am 22. Juli 2014 über die Legislativeingabe
beraten und den Beschluss gefasst, dem Anliegen nicht abzuhelfen.

Damit der Petitionsausschuss alle Gründe, die für oder gegen eine Änderung der bestehenden
Gesetzeslage sprechen, berücksichtigen kann, wurde das fachlich zuständige Ministerium der
Justiz und für Verbraucherschutz im Vorfeld zunächst um eine Stellungnahme zu Ihrem Anlie-
gen gebeten.

Das Ministerium hat mit Schreiben vom 28. April 2014 folgende Stellungnahme abgegeben:

„Zu der Eingabe, den Gottesbezug im Vorspruch der Verfassung für Rheinland-Pfalz (Lan-
desverfassung - LV - durch eine neutrale Formulierung zu ersetzen (I.) sowie das Erzie-
hungsziel „Gottesfurcht“ in Art. 33 LV zu streichen und die übrigen Erziehungsziele auf ihre
Zweckdienlichkeit hin zu überprüfen (II.), nehme ich wie folgt Stellung:

I. Vorauszuschicken ist, dass die Nennung Gottes im Vorspruch der Landesverfassung eine
nominatio dei ist, keine invocatio dei. Die Wendung „Im Bewusstsein der Verantwortung vor
Gott, dem Urgrund des Rechts und Schöpfer aller menschlichen Gemeinschaft, ..“ ist also
weder eine Anrufung noch ein Bekenntnis und schon gar nicht eine Legitimation aus höherem
Recht (vgl. zur Präambel des Grundgesetzes Dreier, in: Dreier, Grundgesetz, Kommentar, 3.
Aufl. 2013, Präambel Rn. 32 f.; Hopfauf, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, Grundgesetz,
Kommentar, 12. Aufl. 2011, Präambel Rn. 18; Mahrenholz, JöR N.F. 57 -2009-, S. 61, 64).

Der Vorspruch ist Teil der Landesverfassung und teilt damit auch deren Rechtsqualität (Süster-
henn/Schäfer, Verfassung für Rheinland-Pfalz, Kommentar, 1950, Vorspruch Anm. 2 d;
Grimm/Caesar, in: Grimm/Caesar, Verfassung für Rheinland-Pfalz, Kommentar, 1. Aufl. 2001,
Vorspruch Rn. 2). Besonders deutlich wird dies durch Art. 129 Abs. 2 LV, der unmittelbar auf den
Vorspruch Bezug nimmt, indem er die im Vorspruch „niedergelegten Grundsätze“ zum Kreis der
änderungsfesten Schutzgüter der Verfassung zählt (Frey, in: Grimm/Caesar, a.a.O., Art. 129 Rn.
30 f.) und damit an der Ewigkeitsgarantie teilhaben lässt. Art. 129 Abs. 2 LV untersagt nicht jede
Änderung der geschützten Grundsätze, sondern verbietet nur die prinzipielle Preisgabe der die
Identität der Verfassung bestimmenden Grundsätze (Frey, a.a.O., Art. 129 Rn. 34).

Der Vorspruch enthält - auch unter Berücksichtigung von Art. 129 Abs. 2 LV - im Wesentli-
chen verfassungspolitische Grundsätze. Er hat daneben jedoch auch rechtliche Bedeutung
(vgl. BVerfGE 5, 85, 127 f.; 36, 1, 17 f.; 77, 137, 149; Dreier, a.a.O., Präambel Rn. 23 ff.).
Allerdings ist das rechtliche Gewicht der einzelnen Elemente des Vorspruchs sehr verschie-
den. Teils handelt es sich um historische Hinweise ohne rechtlichen Gehalt, teils um Motive,
denen ein begrenzter rechtlicher Gehalt zukommen kann, nicht aber zwingend muss, und
teils um Verfassungsgrundsätze und Staatszielbestimmungen, die rechtliche Verbindlichkeit
für die Staatsorgane im Rahmen ihrer Kompetenz entfalten (vgl. Starck, in: von Man-
goldt/Klein/Starck, Grundgesetz, Kommentar, 6. Aufl. 2010, Präambel Rn. 31 u. 35; P.M.
Huber, in: Sachs, Grundgesetz, Kommentar, 6. Aufl. 2011, Präambel Rn. 11).

Auch wenn der Verfassungsgeber durchaus im Sinn hatte, mit der Gottesnennung einen Ein-
fluss der christlichen Religion auf das Volk und staatliches Handeln nicht lediglich als Faktizi-
tät zu beschreiben, sondern zu implementieren (Mahrenholz, JöR N.F. 57 -2009-, S. 61, 62;
Süsterhenn/Schäfer, a.a.O., Vorspruch Anm. 2 a), so hat dies in der Verfassung keinen Nie-
derschlag gefunden. Der Entstehungsgeschichte und vor allem den Meinungen einzelner an
der Gesetzgebung beteiligter Personen kommt in der Regel eine nur untergeordnete Bedeu-
tung zu. Es kommt vielmehr maßgeblich auf den objektivierten Willen des Verfassungsge-
bers an (vgl. BVerfGE 1, 299, 312; 6, 55, 75; 54, 277, 298; 110, 226, 248; Hopfauf, a.a.O.,
Einl. Rn. 95 und 97 mwN.; anders: Hillgruber mit stärkerer Gewichtung der historischen
lnterpretationsmethode, in: Epping/Hillgruber, Grundgesetz, Kommentar/Beck‘scher Online-
kommentar, 2. Aufl. 2013, Präambel Rn. 8; Hillgruber, JZ 2011, 861ff.).

Der Vorspruch ist jedoch der einer säkularen Verfassung (Mahrenholz, JöR N.F. 57 - 2009-,
S. 61, 66). Die Gottesnennung im Vorspruch kann nicht den verfassten Staat entsäkularisie-
-4-

ren Das Prinzip der Säkularität des Staates ist derart fundamental, dass das Motiv keine
ausschlaggebende Bedeutung für die Auslegung der Verfassung entfalten kann (Dreier,
a.a.O., Präambel Rn. 34 und 39). Die Gottesnennung leitet demnach weder eine christliche
Orientierung der Verfassung ein, noch ist sie eine verfassungskräftige Erkenntnis, dass es
Gott gibt (Mahrenholz, JöR N.F. 57 -2009-, S. 61, 63; Hopfauf, a.a.O., Präambel Rn. 19; Ja-
rass, in: Jarass/Pieroth, Grundgesetz, Kommentar, 12. Aufl., 2012, Präambel Rn. 3).

Aus der Gottesnennung ist somit weder eine religiöse oder weltanschauliche Bevormundung
oder eine Verletzung des Prinzips der Trennung von Staat und Kirche noch eine Beeinträch-
tigung der Freiheitsgarantie für Nichtgläubige oder ein Gegensatz zu der in Artikel 4 GG ge-
währleisteten Glaubens-, Gewissens- und Bekenntnisfreiheit abzulesen. Der erste Teil des
Vorspruchs lässt sich vor allem als Demutsformel (vgl. Dreier, a.a.O., Präambel Rn. 35 f.;
Hopfauf, a.a.O., Präambel Rn. 20; Kunig, in: von Münch/Kunig, Grundgesetz, Kommentar, 6.
Aufl. 2012, Präambel Rn. 18; Starck, a.a.O., Präambel Rn. 36), in bewusster Abkehr gegen-
über dem totalitären nationalsozialistischen Staat (Jutzi, in: Ley/Jutzi, Staats- und Verwal-
tungsrecht für Rheinland-Pfalz, 4. Aufl., 2005, B. Rn. 153 m.w.N.), aber auch als Absage an
eine gottgleiche Selbstüberhöhung des Menschen begreifen (Hillgruber, in: Epping/Hill-
gruber, a.a.Q., Präambel Rn. 9 m.w.N.). Sie macht deutlich, dass die nur an die jedem ge-
schriebenen Recht vorausliegenden überpositiven Rechtsgrundsätze gebundene (vgl.
BVerfGE 1, 14, 61) verfassungsgebende Gewalt (pouvoir constituant) sich selbst beschränkt
und insbesondere sich nicht von der Vergangenheit abgekoppelt hat, sondern ihre politischen
Entscheidungen nach moralischen, religiösen, philosophischen und staatstheoretischen Prä-
missen getroffen hat. Mit der Nennung Gottes als „Urgrund des Rechts und Schöpfer aller
menschlichen Gemeinschaft“ wird diese Aussage verstärkt. Darin wird zum Ausdruck ge-
bracht, dass die Staatsgewalt vom Volk lediglich getragen wird, nicht aber auch von ihm her-
rühre (Jutzi, a.a.O., B. Rn. 40 m.w.N.). Auch insoweit bleibt die Gottesnennung aber eine
„Chiffre für eine transzendente Entität“ (Dreier, a.a.O., Präambel Rn. 40; Starck, a.a.O.,
Präambel Rn. 37). Sie ist (lediglich) eine Reverenz an die christlich-abendländische Tradition
Deutschlands (P.M. Huber, a.a.O., Präambel Rn. 38). Denn auch ein Staat, der die Glaubens-
freiheit umfassend gewährleistet und sich damit selber zu religiös-weltanschaulicher Neutralität
verpflichtet, kann die kulturell vermittelten und historisch verwurzelten Wertüberzeugungen
nicht abstreifen, auf denen der gesellschaftliche Zusammenhalt beruht und von denen auch
die Erfüllung seiner eigenen Aufgaben abhängt (BVerfGE 93, 1, 22). Als „vorrechtliche Ver-
fassungsvoraussetzung“ bleibt die Gottesnennung jedoch auch insoweit für Verfassungsaus-
legung und -anwendung ohne Konsequenz (Jutzi, a.a.O., 8. Rn. 40 m.w.N.).

Dies würde auch für die vom Petenten vorgeschlagene Formulierung gelten. Die vorgeschla-
gene Formulierung schüfe zudem einen künstlichen Gegensatz zwischen Natur und Mensch.

Eine andere Frage ist, inwieweit der Gottesbezug in einer pluralistischen, von Wertewandel
gezeichneten Gesellschaft noch breiten Rückhalt findet.

Die letzte größere Diskussion zum Gottesbezug in Verfassungspräambeln wurde 1994 in
Niedersachsen geführt. Am 19. Mai 1994 beschloss der Niedersächsische Landtag, der erst
1992 ohne Vorspruch verabschiedeten neuen Landesverfassung eine Präambel mit Gottesbe-
zug voranzustellen, die insoweit der des Grundgesetzes entspricht. Diese Verfassungsände-
rung war das Ergebnis einer von breiter Unterstützung getragenen Volksinitiative, die das ge-
rade eben erst durch die neue Verfassung geschaffene Instrument der direkten Demokratie
benutzte. Verschiedene christliche Gruppen und die Jüdische Gemeinde in Niedersachsen
waren die Initiatoren.

Aktuelle Untersuchungen oder Erkenntnisse in Bezug auf die Haltung der Bevölkerung zur
Gottesnennung im Vorspruch der Landesverfassung liegen dem Ministerium der Justiz und
für Verbraucherschutz nicht vor. Eine möglicherweise fortschreitende Kirchenferne allein
dürfte keine Rückschlüsse zulassen. Die bewusste Verankerung der Menschen im christli-
chen Glauben dürfte zwar in Deutschland abnehmen. Andererseits bleibt aber unsere ge-
samte Kultur in weiten Teilen (einschließlich der Erziehung) zumeist unbewusst weiterhin
-5-

von dem aus dem christlichen Glauben herrührenden Wertesystem geprägt. Es darf zudem
nicht übersehen werden, dass viele Menschen, die gar keinen Bezug zum christlichen Glau-
ben mehr haben, trotzdem an eine göttliche Entität glauben.

In die politische Bewertung wird zudem einzubeziehen sein, dass ein großer Teil der Zuwan-
derer, insbesondere aus muslimischen Staaten, die heute bereits eine große Bevölkerungs-
gruppe darstellen, eine starke religiöse Bindung haben. Auch wenn die Mitglieder der Bera-
tenden Landesversammlung überwiegend von dem christlichen Gott ausgegangen sind, der
Vorspruch wie die Präambel des Grundgesetzes die Beziehung zu Gott in Form einer Frei-
heit vermittelnden Verantwortungsrelation erfasst und sich damit einer spezifisch „westli-
chen“ Denkfigur bedient, besteht, wie oben dargestellt, kein Anlass, Gott in einem denkbar
engen Verständnis als christlichen Gott zu interpretieren. Die drei großen monotheistischen
Weltreligionen lassen sich unschwer dem Gottesbegriff des Vorspruchs zuordnen (Dreier,
a.a.O., Rn. 40 m.w.N.). Anders ausgerichtete, etwa polytheistische Religionen werden von
der Gottesnennung ebenfalls nicht ausgeschlossen (Kunig, a.a.O., Präambel Rn. 16).

II. Zu dem zweiten Petitum, in Art. 33 LV das Erziehungsziel „Gottesfurcht“ zu streichen und
die übrigen Erziehungsziele auf ihre Zweckdienlichkeit zu überprüfen, ist zunächst darauf
hinzuweisen, dass sich Art. 33 LV auf die Benennung der Grundsätze der staatlichen Schul-
erziehung beschränkt und die nähere Ausgestaltung einfachrechtlichen Regelungen über-
lässt.

Art. 33 LV will den gesellschaftlichen und politischen Ursachen des Totalitarismus und des
Zweiten Weltkriegs mit einem Erziehungsprogramm entgegentreten, das gesellschaftliche
Werthaltungen erzeugen und lebendig halten soll, die die Voraussetzungen für den Aufbau
und das Leben eines demokratischen Staates in einem friedlichen Europa bilden (Hennecke,
in: Grimm/Caesar, a.a.O., Art. 33 Rn. 4). Über die Vorschrift wurde in der Beratenden Lan-
desversammlung ausgiebig diskutiert. Die demokratische Landesverfassung sollte auch das
öffentliche Schulwesen auf demokratische Werte verpflichten und zu einem Ort machen, in
dem sich diejenigen demokratischen Voraussetzungen bilden können, von denen der frei-
heitlich-demokratische Staat lebt. Die meisten Landesverfassungen der alten Bundesländer
enthalten Parallelvorschriften.

Seit ihrem Inkrafttreten ist die Vorschrift nur einmal geändert worden. Im Zuge der Einfüh-
rung der Staatsaufgabe „Umweltschutz“ in die Landesverfassung (Art. 69) wurde das „Ver-
antwortungsbewusstsein für Natur und Umwelt“ zu den Erziehungszielen hinzugefügt (Ver-
fassungsänderung v. 19.11.1985, GVBI. 5. 260).

Eine Kommission zur Bereinigung der Verfassung für Rheinland-Pfalz, die vom früheren Mi-
nister der Justiz, Peter Caesar, zur Prüfung einberufen worden war, welche Vorschriften 40
Jahre nach Verabschiedung der Landesverfassung nicht mehr zeitgemäß sind, kam zum
Ergebnis, Art. 33 LV müsse nicht zwingend geändert werden, weil diese Verfassungsbe-
stimmung bezogen auf das Erziehungsziel „Gottesfurcht“ verfassungskonform dergestalt
reduziert werden könne, dass sie konfessionsfreie Schulen nicht erfasse und keine zwangs-
weise Vermittlung eines religiösen Bekenntnisses fordere (vgl. Schlussbericht vom
26.06.1988).

In einer freiheitlichen, den Staat zu religiös-weltanschaulicher Neutralität verpflichtenden Ver-
fassungsordnung sowie in einer pluralistischen, von Wertewandel gezeichneten Gesellschaft
ist es naturgemäß umstritten, welche Berechtigung und Tragweite durch die Verfassung vor-
gegebene wertgebundene Erziehungsziele in dem Spannungsverhältnis zwischen dem staatli-
chen Bildungsauftrag, der weltanschaulichen Neutralität des Staates und dem durch Art. 27
Abs. 1 LV geschützten Erziehungsrecht der Eltern (Stettner, in: Nawiasky/Leusser/Schwei-
ger/Zacher, Die Verfassung des Freistaates Bayern, Kommentar, Stand Juli 2008, Art. 131 Rn.
13 f.) für sich in Anspruch nehmen können.
-6-

Trotz der religiös-weltanschaulichen Neutralität des Staates sowie einer immer pluralistischer
werdenden Gesellschaft muss der Staat als Schulträger, der als solcher mit der Erziehung
der Schüler beauftragt ist, Erziehungsziele festlegen. Denn Erziehung ist notwendig wertbe-
zogen (Möstl, in: Lindner/Möstl/Wolff, Verfassung des Freistaates Bayern, Kommentar, 2009,
Art. 131 Rn. 5). Sie erschöpft sich nicht in reiner Wissensvermittlung, sondern ist darüber
hinaus darauf gerichtet, eine eigenverantwortliche Persönlichkeit in den jungen Menschen zu
bilden und hat den Menschen als Ganzes im Blick. Sie kann dann aber nicht wertfrei sein,
sondern muss inhaltlichen Leitlinien folgen, durch die junge Menschen an die Werteordnung
herangeführt werden können, der sich die Erziehenden verpflichtet fühlen. Selbst die reine,
technische Wissensvermittlung ist durch die Auswahl und die Darstellung des zu vermitteln-
den Wissens nicht wertfrei. Da Erziehung somit notwendig wertbezogen ist, darf der Staat
Grundwerte vorgeben. Allerdings sind der Festlegung und Umsetzung von Erziehungszielen
zahlreiche Grenzen gesetzt.

Die Grenze der weltanschaulichen Neutralität des Staates wäre bei einigen der in Art. 33 LV
aufgeführten Erziehungsziele sicherlich überschritten, nähme man sie wörtlich und machte
man sie im konkreten Schulunterricht zum Erziehungsprogramm. Mit Ausnahme der „Gottes-
furcht“ sind die Tatbestände aber so weit auslegbar, dass sich ein weltanschaulicher Gehalt
weithin ausdünnt und nur allgemeine Tugenden, wenn nicht gar Leerformeln übrig bleiben
(Hennecke, a.a.O., Art. 33 Rn. 6).

Neben der Pflicht des Staates zu religiös-weltanschaulicher Neutralität ergeben sich Grenzen
aus dem Erziehungsrecht der Eltern. Grundsätzlich ist die Setzung von Erziehungszielen auch
im Verhältnis zum elterlichen Erziehungsrecht (vgl. Art. 27 Abs. 1 LV) legitim. Auch wenn die-
ses die Grundlage für die Gestaltung des Schulwesens bildet, lässt die Entscheidung der Ver-
fassung für einen eigenständigen Erziehungsauftrag der Schule es zu, dass der Staat nicht nur
selbst Erziehungsziele aufstellt, sondern auch, dass Erziehung in Schule und Elternhaus nach
unterschiedlichen Wertvorstellungen durchgeführt wird (Stettner, a. a. 0., Art. 131 Rn. 19).
Gleiches gilt auch mit Blick auf die Grundrechte von Schülern und Lehrern. Bei der Aus-
übung des Erziehungsauftrags hat der Staat jedoch die durch das Grundgesetz, insbesonde-
re durch Art. 4 Abs. 1 und 2 GG abgesteckten Grenzen zu beachten (BVerfGE 108, 282,
301). Den Grundrechten der Schülerinnen und Schüler und auch dem Elternrecht wird der
Staat daher nur gerecht, wenn er bei der Umsetzung der Erziehungsziele Toleranz wahrt und
keine gezielte Beeinflussung in eine bestimmte politische, ideologische oder weltanschauli-
che Richtung betreibt. Er darf zwar Werte vertreten, diese aber nicht verabsolutierend dar-
stellen und die Schülerinnen und Schüler nicht einer Situation aussetzen, in der sie sich ei-
ner bestimmten Anschauung nicht mehr entziehen können.

Darüber hinaus legt die Entscheidung der Landesverfassung für einen freiheitlichen und plu-
ralistischen Verfassungsstaat aber einen weiteren Normgehalt der Erziehungsziele nahe: Die
öffentliche Schule muss die Bedingungen dafür schaffen und garantieren, dass individuelle
Werthaltungen autonom entstehen und sich entfalten. Sie muss Freiräume gewähren, in de-
nen die einzelnen Grundrechtsträger in der Schule, also Schüler, Eltern und Lehrer, nach
Maßgabe der Verfassungstatbestände ein eigenständiges Leben führen können. Nicht das
öffentliche Lehramt der Schule erzieht zu einer „Gesinnung“ oder „sittlichen Haltung“, son-
dern der tatsächliche Freiraum in der Schule, in dem etwa eine „sittliche Haltung“ autonom
entsteht. Der Normgehalt der in Art. 33 LV aufgeführten Tatbestände besteht dann darin,
dass die öffentliche Schule Bedingungen der Möglichkeit zu gewähren und zu garantieren
hat, um individuelle Werthaltungen autonom entstehen und sich frei entfalten zu lassen. Art.
33 LV dient daher eher zum Bewertungsmaßstab für pädagogische Inhalte, die verfassungs-
rechtlich unzulässig sind (Hennecke, a.a.O., Art. 33 Rn. 8 ff.). Dieses Verständnis der Erzie-
hungsziele des Art. 33 LV wird der Pflicht des Staates zu religiös-weltanschaulicher Neutrali-
tät gerecht und beachtet das Grundrecht der Schülerinnen und Schüler aus Art. 4 Abs. 1 und
2 GG, der die negative wie die positive Äußerungsform der Religionsfreiheit gleichermaßen
schützt. Zugleich respektiert es auch das Erziehungsrecht der Eltern nach Art. 27 LV.
-7-

Sowohl in ihrer (negativen) Funktion als Kontrolle zur Bewertung schulischer Handlungen,
die den Erziehungszielen zuwiderlaufen, als auch in ihrer (positiven) Funktion im Sinne einer
Anleitung zur Schaffung von Gesetzen, zur Konkretisierung von Lehrplänen und als Anlei-
tung im Unterricht sind die Erziehungsziele des Art. 33 LV nie in einer Weise verbindlich,
dass ein Ziel mit einem bestimmten Mitte! zu erreichen wäre. Das Ziel muss lediglich über-
haupt respektiert und beachtet, d.h. nicht als solches in Zweifel gezogen, in seiner Bedeu-
tung verkannt oder mit offensichtlich ungeeigneten Mitteln verfolgt werden.

Die „Gottesfurcht“ ist, auch wenn es an die Spitze der Erziehungsziele der Landesverfassung
gestellt ist, das umstrittenste Erziehungsziel. Dass es in einem Spannungsverhältnis zur reli-
giös-weltanschaulichen Neutralität des Staates steht, ist offenkundig. Eine Auslegung des
Erziehungsziels dergestalt, dass es Auftrag der Schule ist, Ehrfurcht vor einem bestimmten
Gott zu wecken, und „Gottesfurcht“ in diesem Sinne für alle verbindlich gemacht wird, dürfte
nicht verfassungsgemäß sein. Kein Schüler darf an einer öffentlichen Schule explizit religiös
erzogen werden (Hennecke, a.a.O., Art. 33 Rn. 22). Die Schule darf weder missionarisch
wirken noch für ein bestimmtes Bekenntnis werben. Als Auftrag an den Staat als Schulträger,
die Schüler zu Respekt und Achtung vor der religiösen Überzeugung anderer zu erziehen
sowie auf Toleranz unter den Schülern hinzuwirken, ist die Vorschrift aber verfassungsge-
mäß (Hennecke, a.a.O., Art. 33 Rn. 22; Möstl, a.a.O., Art. 131 Rn. 11) und hat insoweit auch
einen eigenen Raum neben den Erziehungszielen „Nächstenliebe, Achtung und Duldsam-
keit“. Achtung vor der religiösen Überzeugung anderer in diesem Sinne bedeutet zunächst,
dass auch demjenigen, der nicht an Gott glaubt, ein Mindestgehalt an Respekt und Achtung
gegenüber dem Glauben abzuverlangen ist Die Schüler sollen darüber hinaus zur Toleranz
gegenüber Andersgläubigen erzogen werden.“

Der Petitionsausschuss hat sich diesen Gründen angeschlossen und derzeit keine Möglichkeit
gesehen, Ihr Anliegen und die damit verbundene Änderung der Gesetzeslage zu unterstützen.
Ihre Legislativeingabe wurde deshalb nicht einvernehmlich abgeschlossen.

Dieser Bescheid wird gemäß Nummer 12 der Verfahrensgrundsätze für die Behandlung von
öffentlichen Petitionen im Internet veröffentlicht.

Begründung (PDF)


Ajude a fortalecer a participação cívica. Queremos que as suas preocupações sejam ouvidas, permanecendo independentes.

Apoiar agora