Arbeitslosengeld II - Beweislast bei Bedürftigkeit von Menschen in Not

Petent/in nicht öffentlich
Petition richtet sich an
Petitionsausschuss des Deutschen Bundestags
57 Unterstützende 57 in Deutschland

Der Petition wurde nicht entsprochen

57 Unterstützende 57 in Deutschland

Der Petition wurde nicht entsprochen

  1. Gestartet 2016
  2. Sammlung beendet
  3. Eingereicht
  4. Dialog
  5. Beendet

Dies ist eine Online-Petition des Deutschen Bundestags.

11.09.2017, 13:03

Pet 4-18-11-81503-033988

Arbeitslosengeld II


Der Deutsche Bundestag hat die Petition am 01.06.2017 abschließend beraten und
beschlossen:

Das Petitionsverfahren abzuschließen, weil dem Anliegen nicht entsprochen werden
konnte.

Begründung

Mit der Petition wird unter anderem gefordert, die Beweislast, dass keine Bedürftigkeit
vorliegt, im Zweifel dem Staat aufzuerlegen. (ID 66595)
Zur Begründung wird im Wesentlichen vorgetragen, die Existenz des Einzelnen müsse
zu jeder Zeit und ohne besondere Forderung und Bedingungen sichergestellt werden.
Die staatlichen Leistungen dürften nur dann versagt werden, wenn der Staat
nachweise, dass keine Bedürftigkeit vorliege.
Man könne nicht von jemanden erwarten, der nichts mehr habe, dass dieser u. a. viele
Papiere und Nachweise einreiche. Der Staat verfüge über die Mittel, gegebenenfalls
zu viel gezahlte Leistungen zurückzufordern und könne so einen eventuellen Schaden
wieder reparieren. Dem Antragsteller sei dies aber nicht möglich, wenn sein Antrag zu
Unrecht abgelehnt worden sei. Das Existenzrecht dürfe zu keiner Zeit verletzt werden.
Auch dürfe keine zeitliche Verschleppung durch Behörden erfolgen. Daher sollten die
Gerichte an allen Tagen zu jeder Zeit besetzt sein, um ständig erreichbar zu sein und
den Rechtsschutz zu gewährleisten.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten zu dem Vorbringen wird auf die Petition
verwiesen.
Die Eingabe wurde als öffentliche Petition auf der Internetseite des Deutschen
Bundestages eingestellt und dort diskutiert. Sie wurde von 57 Mitzeichnern unterstützt,
und es gingen 25 Diskussionsbeiträge ein.
Der Petitionsausschuss hat der Bundesregierung Gelegenheit gegeben, ihre Haltung
zu der Eingabe darzulegen. Das Ergebnis der parlamentarischen Prüfung lässt sich

unter anderem unter Einbeziehung der seitens der Bundesregierung angeführten
Aspekte wie folgt zusammenfassen:
Grundsätzlich hat jeder Bürger eigenverantwortlich und aktiv für seinen
Lebensunterhalt zu sorgen.
Die Grundsicherung für Arbeitsuchende ist ein staatliches Fürsorgesystem, das vom
Nachranggrundsatz geprägt ist. Das bedeutet, dass erwerbsfähige
Leistungsberechtigte Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nur erhalten,
wenn sie hilfebedürftig sind. Hilfebedürftig im Sinne der Grundsicherung für
Arbeitsuchende ist nur derjenige, der seinen und den Lebensunterhalt der mit ihm in
Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen
Kräften und Mitteln sichern kann und die erforderliche Hilfe auch nicht von anderen,
insbesondere nicht von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen,
erhält (§ 9 Abs. 1 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II)).
Es entspricht hingegen nicht den Prinzipien des Sozialstaates, dass von vornherein
die Bedürftigkeit eines jeden Bürgers unterstellt und Leistungen ohne besondere
Forderungen gewährt werden. Die staatlichen Leistungen können nicht aus einem
Automatismus heraus und ohne voranschreitende Anspruchsprüfung geleistet
werden; davon ausgehend, dass die Mehrheit der Bundesbürger nicht auf Leistungen
der Grundsicherung angewiesen ist, würde dies im Übrigen in keinem Verhältnis
stehen.
Für die Gewährung von Sozialleistungen ist daher das Erfordernis der Antragstellung
als Voraussetzung für das Entstehen eines Anspruchs von erheblicher Bedeutung.
Auch steht der Antrag am Beginn des Verfahrens. Für die Leistungsträger ist es
wichtig, von der Bedürftigkeit des Bürgers überhaupt erst Kenntnis zu erlangen; sie
sind grundsätzlich an die Bekundung der Hilfebedürftigkeit und den Antrag des
Leistungsberechtigten gebunden. Das Antragserfordernis ist verfassungsgemäß und
sachgerecht.
Mit der Petition wird die Umkehr der Beweislast für die Bedürftigkeit des Antragstellers
gefordert. Nachträglich den Beweis der mangelnden Bedürftigkeit zu führen, wäre für
die Leistungsträger jedoch allein schon aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht
ohne weiteres möglich. Der Sozialleistungsträger hat keinen bedingungslosen Zugriff
auf jegliche persönlichen Daten der Berechtigten bzw. die Informationen über deren
finanzielle Situation, die für die eindeutige Feststellung der mangelnden Bedürftigkeit

erforderlich wären. Den Beweis der mangelnden Bedürftigkeit den Leistungsträgern
aufzuerlegen, kann folglich nicht entsprochen werden.
Ebenso kann die Forderung nach der Einrichtung der ständigen Erreichbarkeit der
Sozialgerichte nicht unterstützt werden.
Sozialgerichte wahren im Rahmen der ihnen verfassungsrechtlich zugewiesenen
Aufgaben nach Maßgabe des Einzelfalles und unter Berücksichtigung aller hierfür
erforderlichen Umstände die Rechte des Einzelnen. Sie gewähren allerdings keinen
sofortigen Rechtsschutz in dem Sinne, dass sie bestimmte Sozialleistungen selbst
unmittelbar gewähren oder gar eigenständig auszahlen.
Antragsteller haben nach Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht gegen diesen
Rechtsmittel einzulegen. An erster Stelle steht hier die Möglichkeit des Widerspruchs
gegen den erteilten Verwaltungsakt nach § 84 Sozialgerichtsgesetz (SGG), der
unmittelbar bei der ihn erlassenden Verwaltungsbehörde zu erheben ist. Wird der
Widerspruch vom Sozialleistungsträger zurückgewiesen, steht dem Antragsteller der
Rechtsweg bei den Sozialgerichten in drei Instanzen offen. Sowohl Widerspruch als
auch Klage haben in diesen Fällen nach § 86a SGG aufschiebende Wirkung. Darüber
hinaus kann das Gericht nach § 86a SGG auf Antrag eine einstwillige Anordnung in
der Sache treffen.
Daneben bestehen umfangreiche Aufklärungs-, Beratungs- und Auskunftspflichten der
Sozialleistungsträger, die im Ersten Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) verankert sind.
Der Ausschuss hält die geltende Rechtslage für sachgerecht und vermag sich nicht für
die mit der Petition erhobenen Forderungen auszusprechen.
Der Petitionsausschuss empfiehlt daher, das Petitionsverfahren abzuschließen, weil
dem Anliegen nicht entsprochen werden konnte.

Begründung (PDF)


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