Aufenthaltsrecht - Schutz und Hilfe für ezidische und christliche Flüchtlinge aus dem Irak

Petent/in nicht öffentlich
Petition richtet sich an
Deutschen Bundestag
170 Unterstützende 170 in Deutschland

Der Petition wurde nicht entsprochen

170 Unterstützende 170 in Deutschland

Der Petition wurde nicht entsprochen

  1. Gestartet 2015
  2. Sammlung beendet
  3. Eingereicht
  4. Dialog
  5. Beendet

Dies ist eine Online-Petition des Deutschen Bundestags.

06.12.2016, 03:22

Pet 1-18-06-26-024813



Aufenthaltsrecht



Der Deutsche Bundestag hat die Petition am 24.11.2016 abschließend beraten und

beschlossen:



Das Petitionsverfahren abzuschließen, weil dem Anliegen nicht entsprochen werden

konnte.

Begründung



Die Petentin fordert angesichts der sich dramatisch verschlechternden Sicherheitslage

im Irak die Aussetzung des Dublin-Verfahrens zum Schutz der Yeziden und Christen

und die Schaffung eines Aufnahmekontingents für diese sowie eine vereinfachte

Familienzusammenführung.

Zur Begründung der Eingabe führt die Petentin aus, dass die Zahl der asylbedürftigen

Yeziden und Christen im Irak aufgrund der eskalierenden Sicherheitslage ansteige.

Misshandlungen, Polizeigewalt, rassistische Übergriffe und Obdachlosigkeit seien für

diese Gruppen zunehmend traurige Realität.

Die Petentin verlangt daher, dass auch betroffene Iraker vom Dublin-Regime

ausgenommen werden müssten, wie dies bei syrischen Asylsuchenden Praxis sei (vgl.

Praxis im September 2015, die heute nicht mehr aktuell ist).

Die Petentin untermauert ihre Forderung weiterhin, dass die kurdische

Regionalregierung die genannten Minderheiten im Stich lasse. Aufgrund der

unmenschlichen Lebensbedingungen und der fehlenden Sicherheit, Bildung für Kinder

und medizinischen Grundversorgung in nordirakischen Zeltlagern sowie um-sich-

greifender Perspektivlosigkeit sei ferner ein humanitäres Aufnahmeprogramm für

yezidische und christliche Flüchtlinge notwendig.

Ferner fordert die Petentin eine vereinfachte Familienzusammenführung.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten zu dem Vorbringen wird auf die von der Petentin

eingereichten Unterlagen verwiesen.



Die Eingabe wurde auf der Internetseite des Deutschen Bundestages eingestellt. Die

Petition wurde von 170 Mitzeichnern online unterstützt. Außerdem gingen hierzu

18 Diskussionsbeiträge ein.

Der Petitionsausschuss hat der Bundesregierung Gelegenheit gegeben, ihre Ansicht

zu der Eingabe darzulegen. Das Ergebnis der parlamentarischen Prüfung lässt sich

unter Einbeziehung der seitens der Bundesregierung angeführten Aspekte wie folgt

zusammenfassen:

Der Ausschuss weist vorab daraufhin, dass zwischen den Gebieten, die regulär unter

der Kontrolle der Kurdischen Regionalregierung (KRG) stehen und den Gebieten, die

von der Terrororganisation IS kontrolliert werden, zu unterscheiden ist. In letzteren

sind Angehörige von religiös-ethnischen Minderheiten verfolgt und in Todesgefahr

oder bereits vertrieben. Seit August 2014 leben keine Angehörigen der genannten

Minderheiten mehr freiwillig in diesen Gebieten. In den KRG-kontrollierten Gebieten ist

zwischen Binnenvertriebenen (IDPs) und ursprünglich hier ansässigen Bewohnern der

genannten Minderheiten zu differenzieren. Viele Angehörige christlicher Gemeinden

aus dem Süd- und Zentralirak haben in den letzten Jahren aufgrund anhaltender

Gewalt in ihren Heimatregionen in der Region Kurdistan-Irak (RKI) Zuflucht gefunden.

Hinzugekommen sind die seit August 2014 vom IS vertriebenen yezidischen und

christlichen IDPs, die zum Teil in Flüchtlingslagern leben. In der RKI sind keine

Verfolgungen aufgrund religiöser oder ethnischer Gründe bekannt. Die aktuelle

finanzielle und wirtschaftliche Situation hat in der RKI, wie auch von der Petentin

vorgetragen, negative Auswirkungen für die Lebensbedingungen der genannten

Minderheiten und ist zusammen mit der teilweise fehlenden Rückkehrperspektive die

primäre Ursache für Migrationsbewegungen aus der Region Kurdistan-Irak hinaus.

Hierbei wird die Zuwanderung nach Deutschland durch das Aufenthaltsgesetz geregelt

und gesteuert. Dabei legt § 1 Absatz 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) fest, an welchen

Maßstäben die Zuwanderung zu messen ist: Entscheidend sind die Aufnahme- und

Integrationsfähigkeit sowie die wirtschaftlichen und arbeitsmarktpolitischen Interessen

der Bundesrepublik sowie die Erfüllung humanitärer Verpflichtungen.

Der Gestaltungsspielraum des Staates ist in den Bereichen, in denen die betroffenen

Personen keinen Anspruch haben, nach Deutschland einzuwandern – auch im Bereich

humanitärer Aufnahmen – sehr weitgehend. Entscheidend ist hier, in welchem

Ausmaß und aufgrund welcher Kriterien schutzbedürftigen Personen eine erleichterte

Zuwanderung ermöglicht werden soll, etwa im Rahmen der Erfüllung humanitärer



Verpflichtungen. Der Gesetzgeber hat sich dazu entschlossen, die Konfession der

Zuwandernden nicht zu einem abstrakten Zuzugskriterium zu erheben.

Die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Konfession kann aber in der Tat im Rahmen

der Wahrnehmung humanitärer Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland eine

Rolle spielen, wenn die Betroffenen aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit verfolgt

sind. Ein wesentlicher Pfeiler der Wahrnehmung dieser Aufgaben ist die

Schutzgewährung im Rahmen eines Asylverfahrens, daneben aber auch durch

humanitäre Aufnahmen, bei denen besonders schutzbedürftige Personen aus dem

Ausland aufgenommen werden.

Als Beispiel dafür lässt sich die Aufnahme von insgesamt 2.501 irakischen Flüchtlingen

aus Syrien und Jordanien in den Jahren 2009 und 2010 auf der Grundlage des § 23

Absatz 4 AufenthG anführen. Diese Aufnahme bezog sich schwerpunktmäßig auf eine

Aufnahme von besonders schutzbedürftigen Christen und Mandäern (etwa 1.700 der

aufgenommenen Personen wurden aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einer der beiden

vorgenannten Religionsgemeinschaften in Syrien oder Jordanien verfolgt). Auch im

Rahmen der Aufnahme von 20.000 syrischen Flüchtlingen in den Jahren 2013 bis

2015 wurde – als eines von mehreren Kriterien – auch eine etwaige spezifisch

religionsbezogene Verfolgungssituation von Angehörigen religiöser Minderheiten

berücksichtigt. In diesem Zusammenhang wurden über 20 Prozent Flüchtlinge

aufgenommen, die der christlichen oder yezidischen Minderheit in Syrien angehören.

Aktuell und kontinuierlich nimmt Deutschland im Rahmen von verstetigten

Kontingentaufnahmen im Resettlement-Verfahren (§ 23 Absatz 4 AufenthG)

besonders schutzbedürftige Flüchtlinge in Kooperation mit dem Flüchtlingshilfswerk

der Vereinten Nationen (UNHCR) auf. UNHCR, welches zwar auch im Nordirak Hilfe

für die Binnenvertriebenen leistet, hat jedoch kein Mandat für die Vermittlung von

Aufnahmevorschlägen für Binnenvertriebene, sondern schlägt für das Resettlement

ausschließlich Personen vor, die aus ihrem Heimatland in einen anderen Staat

– zumeist in der Region – geflohen sind. Der Bund berücksichtigt aber im Rahmen

seiner Kontingentaufnahmen im Resettlement-Verfahren – auch um sicherzustellen,

dass die Auswahl die Schutzbedürftigsten trifft – ausschließlich über UNHCR

ausgewählte Flüchtlinge. UNHCR ist langjährig bewährter und kompetenter Partner

bei der Durchführung von humanitären Aufnahmeverfahren.

Der Bund hat ferner seine Zustimmung zum baden-württembergischen humanitären

Aufnahmeverfahren für insbesondere yezidische irakische Frauen, die Opfer sexueller

Gewalt im Rahmen der kriegerischen Auseinandersetzungen im Irak geworden sind,



und sich im Nordirak aufhalten, und deren Kinder erteilt. Über dieses Programm sind

bereits mehr als 1.000 Menschen nach Deutschland gekommen.

Familiäres Zusammenleben ist ein Menschenrecht. Daher gestattet auch das deutsche

Aufenthaltsrecht den Nachzug der Kernfamilie – also von Ehegatten und

minderjährigen ledigen Kindern. Bei Vorliegen einer „außergewöhnlichen Härte“, die

durch die Trennung der Familie verursacht ist, können auch weitere Angehörige im

Einzelfall ausnahmsweise ein Nachzugsrecht erhalten. Aufgrund des grund- und

menschen-rechtlichen Schutzes von Ehe und Familie ist es geboten, den Mitgliedern

der Kernfamilie einen Aufenthalt in Deutschland zu gestatten.

Allerdings dient der Familiennachzug dazu, das Recht auf familiäres Zusammenleben

zu verwirklichen. Es handelt sich gerade nicht um ein Instrument des sogenannten

humanitären Aufenthaltsrechts. Entscheidend für einen Familiennachzug muss daher

stets die Eigenschaft als Mitglied der Kernfamilie oder die Erfüllung besonderer

Ausnahmetatbestände sein. Die prekäre Lebenssituation in Krisen- und

Kriegsgebieten dagegen spielt für die Frage, ob ein Recht auf Familiennachzug

besteht, keine Rolle.

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hat mit dem vorübergehend sehr

weitgehend ausgeübten Selbsteintrittsrecht bei syrischen Asylsuchenden einer

humanitären Ausnahmesituation Rechnung getragen. Deutschland wendet das

Dublin-Verfahren aktuell für alle Herkunftsländer und alle Mitgliedstaaten außer

Griechenland an. Dies gilt auch für syrische Staatsangehörige, für die das Bundesamt

für Migration und Flüchtlinge seit dem 21. Oktober 2015 nicht mehr grundsätzlich von

dem Selbsteintrittsrecht Gebrauch macht. In begründeten Einzelfällen ist dies aber

weiterhin möglich. Allerdings sind die systemischen Mängel des Asyl- und

Aufnahmesystems, aufgrund derer bislang keine Dublin-Überstellungen nach

Griechenland erfolgen, nur dort festgestellt worden. Eine Überstellung in andere

Mitgliedstaaten im Rahmen eines Dublin-Verfahrens ist von daher grundsätzlich

möglich.

Der Ausschuss begrüßt ausdrücklich das gemeinnützige Engagement der Petentin bei

der Unterstützung der yezidischen und christlichen Bevölkerungsgruppen im Irak, im

Ergebnis seiner Prüfung vermag er das Anliegen der Petentin angesichts der

dargestellten Sach- und Rechtslage jedoch nicht zu unterstützen.

Der Petitionsausschuss empfiehlt daher, das Petitionsverfahren abzuschließen, da

dem Anliegen der Petentin nicht entsprochen werden konnte.



Der von der Fraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gestellte Antrag, die Petition der

Bundesregierung – dem Bundesministerium des Innern – zur Erwägung zu

überweisen, soweit es um die Forderungen eines humanitären Aufnahmeprogramms

und von vereinfachter, unbürokratischer Familienzusammenführung geht, ist

mehrheitlich abgelehnt worden.

Begründung (PDF)


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