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Betreuungsrecht - Gesetzliche Regelungen und existenzsichernde Maßnahmen für Menschen mit psychischen Störungen

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Petitionsausschuss des Deutschen Bundestags
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02.11.2019 03:24

Petitionsausschuss

Pet 4-19-07-4034-000486
06766 Bitterfeld-Wolfen
Betreuungsrecht

Der Deutsche Bundestag hat die Petition am 17.10.2019 abschließend beraten und
beschlossen:

Das Petitionsverfahren abzuschließen, weil dem Anliegen nicht entsprochen werden
konnte.

Begründung

Mit der Petition werden verfassungskonforme Regelungen für die Behandlung von
psychisch kranken Menschen gefordert.
Zur Begründung wird im Wesentlichen vorgetragen, es sei notwendig, die
Voraussetzun-gen für die Unterbringung und medikamentöse Akutbehandlung psychisch
kranker Menschen auch gegen ihren krankheitsbedingt verstellten Willen lebenstauglich
differenziert zu beschreiben. Auch sei es notwendig, existenzsichernde Maßnahmen
zwingend vorzuschreiben, wenn psychisch kranke Menschen erkennbar die eigenen
Lebensgrundlagen gefährden bzw. zerstören, jegliche medizinische Hilfe aber ablehnen.
Seit dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 20. Februar 2013 (BvR 228/12)
sei es fachärztlichen Einrichtungen der Psychiatrie nicht mehr möglich, psychisch
kranken Menschen die dringend erforderliche medikamentöse Akutbehandlung
angedeihen zu lassen, sofern die Patienten wegen fehlender Krankheitseinsicht dies
ablehnten, bei Unterlassung der Behandlung eine erkennbare „Selbstgefährdung oder die
Gefährdung Dritter bzw. der öffentlichen Ordnung“ aber nicht absehbar sei. Diese
Menschen seien rechtlich gesunden Bürgern gleichgestellt, obwohl sie den Schutz
Behinderter zu beanspruchen hätten. Dies sei eine eklatante Benachteiligung. Tatsächlich
sollte eine zwangsweise Unterbringung und medikamentöse Behandlung immer als das
letzte aller möglichen Mittel in Betracht kommen und strengen gesetzlichen Regeln
unterworfen sein. Die derzeitige Rechtslage aber schließe diese letzte Möglichkeit nahezu
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völlig aus, weil eben diese Regeln nicht hinreichend differenziert vorlägen. Alternative
Maßnahmen zum Schutz Betroffener seien aber nicht gesetzlich vorgeschrieben. Damit
seien psychisch Kranke mit krankheitsbedingt fehlender Einsicht in ihr Krank-Sein von
jeglicher Hilfe ausgeschlossen.
Weder Eltern noch Institutionen könnten in diesen Fällen existenzsichernde Schritte
unternehmen. Kein Gericht leite mehr auf Antrag naher Angehöriger oder Institutionen
ein Verfahren zur Begutachtung ein mit dem Ziel, zumindest durch eine richterlich
angeordnete und von Betroffenen zu erduldende Betreuung sichtlich gefährdeter kranker
Menschen präventiv das absehbare Eintreten solcher nicht näher definierter
„Selbstgefährdung oder der Gefährdung Dritter bzw. der öffentlichen Ordnung“
erschweren zu wollen. Vielmehr werde das Eintreten dieses Falles billigend in Kauf
genommen.
Die Eingabe wurde als öffentliche Petition auf der Internetseite des Deutschen
Bundestages eingestellt und dort diskutiert. Sie wurde von 39 Mitzeichnern online
unterstützt, und es gingen 22 Diskussionsbeiträge ein.
Dem Petitionsausschuss liegen zu diesem Thema mehrere Eingaben mit verwandter
Zielsetzung vor, die wegen des Sachzusammenhangs einer gemeinsamen
parlamenta-rischen Prüfung unterzogen werden. Es wird um Verständnis gebeten, dass
nicht auf alle der vorgetragenen Aspekte im Einzelnen eingegangen werden kann.
Der Petitionsausschuss hat der Bundesregierung Gelegenheit gegeben, ihre Haltung zu der
Eingabe darzulegen. Als Ergebnis der parlamentarischen Prüfung wird unter
Einbeziehung der seitens der Bundesregierung angeführten Aspekte zur Problematik der
Betreuerbestellung festgestellt, dass, wenn ein Volljähriger aufgrund einer psychischen
Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung seine
Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht besorgen kann, das Betreuungsgericht auf
seinen Antrag oder von Amts wegen – z. B. aufgrund einer Anregung durch Angehörige
des Betroffenen - für ihn einen Betreuer bestellt, § 1896 Absatz 1 Satz 1 Bürgerliches
Gesetzbuch (BGB). Unter dem Begriff der „psychischen Krankheiten“ hat der Gesetzgeber
in der Gesetzesbegründung zu § 1896 BGB
 körperlich nicht begründbare (endogene) Psychosen,
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 seelische Störungen als Folge von Krankheiten oder Verletzungen des Gehirns, von
Anfallsleiden oder von anderen Krankheiten oder körperlichen Beeinträchtigungen
(körperlich begründbare – exogene – Psychosen),
 Abhängigkeitserkrankungen (Alkohol- und Drogenabhängigkeiten) und
 Neurosen und Persönlichkeitsstörungen (Psychopathien)
angeführt (BT-Drucks. 11/4528, 116).
Zu der Krankheit oder Behinderung muss ein Fürsorgebedürfnis hinzutreten, das die
Notwendigkeit der Besorgung von Angelegenheiten des Betroffenen umfasst, die zum
Zweck der Erhaltung des eigenen menschenwürdigen Lebens in der menschlichen
Gesellschaft und auch zur Erfüllung rechtlicher Verpflichtungen gegenüber dem
Gemeinwesen und Privatpersonen notwendig sind.
Schließlich darf ein Betreuer nur bestellt werden, wenn und soweit die Betreuung
erforderlich ist, § 1896 Absatz 2 Satz 1 BGB.
Gegen den freien Willen des Betroffenen darf ein Betreuer nicht bestellt werden (§ 1896
Absatz 1a BGB). Eine freie Willensbildung ist nur dann ausgeschlossen, wenn der
Betroffene die für und gegen eine Betreuung sprechenden Gesichtspunkte
krankheitsbedingt nicht erkennen und gegeneinander abwägen oder nicht nach dieser
Einsicht handeln kann. Leidet der Betroffene an einer psychischen Erkrankung, in deren
Folge er seine Steuerungsfähigkeit in einzelnen Lebensbereichen verloren hat, ist er auch
bei erhaltener intellektueller Einsichtsfähigkeit in die Funktion einer Betreuung insoweit
zu einer freien Willensbildung nicht mehr in der Lage (OLG Hamm, FamRZ 2009, 1436).
Da eine gegen den Willen des Betroffenen angeordnete Betreuung einen
schwerwiegenden Eingriff in die Handlungsfreiheit des Betroffenen darstellt, ist sie nur
unter strikter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zulässig.
An der Erforderlichkeit einer Betreuung kann es im Einzelfall fehlen, wenn der Betroffene
jeden Kontakt mit seinem Betreuer verweigert und der Betreuer dadurch
handlungsunfähig ist, also eine „Unbetreubarkeit“ vorliegt. Bei der Annahme einer
solchen Unbetreubarkeit ist aber Zurückhaltung geboten, weil die Ablehnung
krankheitsbedingt sein kann. Zu prüfen ist in dem Fall, ob der Betreuer ggf. auch ohne
dessen Mitwirkung die Situation des Betreuten verbessern kann oder ob ein
Betreuerwechsel zielführend sein könnte (BGH NZFam 24/2017, 1166).
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Dabei können Angehörige am Betreuungsverfahren im Interesse des Betroffenen von Amts
wegen oder auf Antrag beteiligt werden. Dem Gericht bekannte Angehörige sind über ihr
Antragsrecht zu belehren. Ist eine Beteiligung am Betreuungsverfahren erfolgt, hört das
Gericht die Beteiligten vor der Bestellung eines Betreuers an. Unabhängig von der
Beteiligtenstellung können nahestehende Personen angehört werden, wenn der Betreute
dies wünscht und dies ohne erhebliche Verfahrensverzögerung möglich ist.
Wird eine Betreuung angeordnet, so kann im Rahmen eines entsprechend festgelegten
Aufgabenkreises ein Betreuer auch Wohnungs- und Mietangelegenheiten zum Schutz des
räumlichen Lebensmittelpunktes des Betreuten regeln und ggf.
Räumungsschutz-maßnahmen ergreifen. Aufgrund des besonderen – auch
verfassungsrechtlich durch Artikel 13 des Grundgesetzes gesicherten – Schutzes der
Wohnung hat der Gesetzgeber zudem mit § 1907 BGB ein Genehmigungs- wie auch
Mitteilungserfordernis gegenüber dem Betreuungsgericht vorgesehen, wenn der Betreuer
Wohnraum kündigen will oder anderweitig Umstände eintreten, die zu einer Beendigung
des Mietverhältnisses führen. Derartige andere Umstände sind auch Räumungsverlangen
und Räumungsverfahren und entsprechende Vollstreckungsmaßnahmen. So ist
sichergestellt, dass das Betreuungsgericht evtl. erforderliche Aufsichts- und
Schutzmaßnahmen rechtzeitig wahrnehmen kann.
Hinsichtlich der Freiheitsentziehenden Unterbringung ist auszuführen, dass in den engen
Voraussetzungen von § 1906 Absatz 1 BGB der Betroffene freiheitsentziehend
untergebracht werden kann, wenn ein Betreuer mit einem entsprechenden Aufgabenkreis
bestellt ist. Daneben dient die nach landesrechtlichen Regelungen mögliche öffentlich
rechtliche Unterbringung der Abwehr von Gefahren vom Betroffenen und von Dritten;
diese tritt jedoch hinter der zivilrechtlichen Unterbringung als milderem Mittel zurück
(BayObLG FamRZ 2001, 657). Eine Unterbringung des Betreuten durch den Betreuer, die
mit Freiheitsentziehung verbunden ist, ist nur zulässig, solange sie zum Wohl des
Betreuten erforderlich ist, weil
1. auf Grund einer psychischen Krankheit oder geistigen oder seelischen Behinderung des
Betreuten die Gefahr besteht, dass er sich selbst tötet oder erheblichen gesundheitlichen
Schaden zufügt, oder
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2. zur Abwendung eines drohenden erheblichen gesundheitlichen Schadens eine
Untersuchung des Gesundheitszustands, eine Heilbehandlung oder ein ärztlicher Eingriff
notwendig ist, die Maßnahme ohne die Unterbringung des Betreuten nicht durchgeführt
werden kann und der Betreute auf Grund einer psychischen Krankheit oder geistigen oder
seelischen Behinderung die Notwendigkeit der Unterbringung nicht erkennen oder nicht
nach dieser Einsicht handeln kann.
Ist der Betreute mit der Unterbringung einverstanden, liegt keine Freiheitsentziehung vor.
Die in § 1906 Absatz 1 Nummer 1 BGB als Voraussetzung für eine zwangsweise
Unterbringung vorliegende „Gefahr“ ist dann verwirklicht, wenn mit dem Eintritt einer
Selbstschädigung ernstlich zu rechnen ist und diese nicht durch andere Mittel als die
Unterbringung abgewendet werden kann. Die Gefahr setzt kein zielgerichtetes Verhalten
des Betreuten voraus, so dass auch eine völlige Verwahrlosung ausreichen kann, wenn
damit eine Gesundheitsgefahr durch körperliche Verelendung und Unterversorgung
verbunden ist (BGH FamRZ 2010, 365). Ursache für die Selbstgefährdung muss in jedem
Fall die psychische Erkrankung sein; ist diese nicht ursächlich, scheidet eine
Unterbringung aus.
Die nach § 1906 Absatz 1 Nummer 2 BGB mögliche Unterbringung insbesondere auch
von psychisch Kranken zur Durchführung von ärztlichen Maßnahmen ist unter
Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit nur zulässig, wenn sich diese als
unumgänglich erweist, eine drohende erhebliche gesundheitliche Schädigung
abzuwenden; bei weniger gewichtigen Fällen muss auch dem psychisch Kranken die
„Freiheit zur Krankheit“ belassen bleiben (BVerfG NJW 1998, 1774). Die Unterbringung
ist nur zulässig, wenn die beabsichtigte Behandlungsmaßnahme geeignet ist, den
gewünschten Behandlungserfolg herbeizuführen, und die Nachteile, die ohne die
Unterbringung und Behandlung entstehen würden, die Schwere der Freiheitsentziehung
überwiegen (BT-Drucks. 11/4528, 147).
Sowohl eine Unterbringung nach den Voraussetzungen von Nummer 1 wie auch von
Nummer 2 setzt voraus, dass die Unterbringung erforderlich ist. Stehen weniger
einschneidende Maßnahmen, wie z. B. Aufnahme in eine betreute Wohneinrichtung, zur
Verfügung, ist eine Unterbringung unverhältnismäßig und damit unzulässig.
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Die Unterbringung ist nur mit Genehmigung des Betreuungsgerichts zulässig (§ 1906
Absatz 2 BGB).
Zu der Thematik der Ärztlichen Zwangsmaßnahmen wird festgestellt, dass es
grundsätzlich gilt, dass die Entscheidung eines Betroffenen mit freiem Willen gegen eine
ärztliche Behandlung oder eine andere ärztliche Maßnahme als Ausdruck seiner
Selbstbestimmung zu akzeptieren ist.
Kann jemand krankheitsbedingt aber keinen freien Willen bilden, ist der Staat auf Grund
seiner aus Artikel 2 Absatz 2 Satz 1 GG folgenden Schutzpflicht aufgerufen und
berechtigt, die Möglichkeit einer ärztlichen Maßnahme zum Schutz des Betroffenen unter
bestimmten Voraussetzungen auch ohne dessen Einwilligung vorzusehen. Im Rahmen
des Betreuungsrechts bedeutet das, dass der Betreuer mit entsprechendem Aufgabenkreis
für den Betroffenen in eine erforderliche medizinische Behandlung einwilligen kann,
wenn der Betreute zum Zeitpunkt der Erklärung einwilligungsunfähig ist.
Das am 22. Juli 2017 in Kraft getretene Gesetz zur Änderung der materiellen
Zulässigkeitsvoraussetzungen von ärztlichen Zwangsmaßnahmen und zur Stärkung des
Selbstbestimmungsrechts von Betreuten (BGBl. I, S. 2426 ff.) sieht vor, dass die
Einwilligung in eine ärztliche Zwangsmaßnahme von der freiheitsentziehenden
Unterbringung entkoppelt wird.
Nach bisheriger Rechtslage konnte ein Betreuer gemäß § 1906 Absatz 3 Satz 1 Nummer 3
BGB nur im Rahmen einer freiheitsentziehenden Unterbringung nach § 1906 Absatz 1
BGB in eine ärztliche Zwangsmaßnahme einwilligen. In den Fällen, in denen sich der
Betreute der Behandlung nicht entziehen will oder dazu körperlich nicht in der Lage ist,
durfte eine freiheitsentziehende Unterbringung nach § 1906 Absatz 1 BGB - mangels
Erforderlichkeit - betreuungsgerichtlich nicht genehmigt werden. Als Folge der strikten
gesetzlichen Verknüpfung der ärztlichen Zwangsmaßnahme mit der
freiheitsentziehenden Unterbringung durften einwilligungsunfähige Betreute, die
stationär in einer nicht geschlossenen Einrichtung behandelt werden können und sich
nicht entfernen wollen oder faktisch dazu nicht in der Lage sind, nicht gegen ihren
natürlichen Willen behandelt werden. Das Bundesverfassungsgericht hat mit seinem
Beschluss vom 26. Juli 2016 (1 BvL 8/15) entschieden, dass diese Schutzlücke mit der
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Schutzpflicht des Staates aus Artikel 2 Absatz 2 Satz 1 des Grundgesetzes nicht vereinbar
ist, und dem Gesetzgeber aufgetragen, unverzüglich diese Regelungslücke zu schließen.
Die Zulässigkeit ärztlicher Zwangsmaßnahmen wird nun statt an die freiheitsentziehende
Unterbringung an einen stationären Aufenthalt in einem Krankenhaus geknüpft, in dem
die gebotene medizinische Versorgung des Betroffenen einschließlich der erforderlichen
Nachbehandlung sichergestellt ist. Damit lassen sich ärztliche Zwangsmaßnahmen auch
auf offenen Stationen durchführen, sind aber auch weiterhin auf geschlossenen Stationen
eines Krankenhauses möglich, wenn tatsächlich die freiheitsentziehende Unterbringung
gemäß § 1906 Absatz 1 Nummer 2 BGB erforderlich ist und gemäß § 1906 Absatz 2 BGB
betreuungsgerichtlich genehmigt wurde.
Als weitere Voraussetzung für die Zulässigkeit der Einwilligung des Betreuers in eine
ärztliche Zwangsmaßnahme wurde - zur Stärkung des Selbstbestimmungsrechtes des
Betroffenen und zur Klarstellung - bestimmt, dass die ärztliche Zwangsmaßnahme dem
nach § 1901a zu beachtenden Willen des Betreuten entsprechen muss. Hat ein
einwilligungsfähiger Volljähriger für den Fall seiner Einwilligungsunfähigkeit schriftlich
festgelegt, ob er in bestimmte, zum Zeitpunkt der Festlegung noch nicht unmittelbar
bevorstehende Untersuchungen seines Gesundheitszustands, Heilbehandlungen oder
ärztliche Eingriffe einwilligt oder sie untersagt (Patientenverfügung), prüft der Betreuer,
ob diese Festlegungen auf die aktuelle Lebens- und Behandlungssituation zutreffen. Ist
dies der Fall, hat der Betreuer dem Willen des Betreuten Ausdruck und Geltung zu
verschaffen. Liegt keine Patientenverfügung vor oder treffen die Festlegungen einer
Patientenverfügung nicht auf die aktuelle Lebens- und Behandlungssituation zu, hat der
Betreuer die Behandlungswünsche oder den mutmaßlichen Willen des Betreuten
festzustellen und auf dieser Grundlage zu entscheiden, ob er in eine ärztliche Maßnahme
einwilligt oder sie untersagt. Der mutmaßliche Wille ist aufgrund konkreter
Anhaltspunkte zu ermitteln. Zu berücksichtigen sind insbesondere frühere mündliche
oder schriftliche Äußerungen, ethische oder religiöse Überzeugungen und sonstige
persönliche Wertvorstellungen des Betreuten.
Zum Themenkomplex des Mietrechts wird festgestellt, dass das geltende Mietrecht in
verschiedenen Konstellationen die Berücksichtigung der besonderen Situation psychisch
kranker Personen erlaubt.
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So setzt eine vermieterseitige außerordentliche fristlose Kündigung des Mietverhältnisses
aus wichtigem Grund nach § 543 Absatz 1 Satz 1 BGB grundsätzlich eine
Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls voraus, insbesondere eines
Verschuldens der Vertragsparteien. Die Fortsetzung des Mietverhältnisses darf unter
Abwägung der beiderseitigen Interessen nicht zumutbar sein. Dies erlaubt die
Berücksichtigung der besonderen Situation psychisch kranker Personen, wenn
beispielsweise Störungen des Hausfriedens auf die psychische Erkrankung zurückgehen.
Trotz der erkrankungsbedingten Pflichtverletzungen des Mieters kann eine Kündigung
des Vermieters jedoch zulässig sein, wenn die Interessen des Vermieters überwiegen,
beispielsweise bei hartnäckigen und nachhaltigen Störungen des Hausfriedens. In
anderen Fällen, wie ausbleibenden Mietzahlungen, können psychosoziale Hilfen wie eine
amtliche Übernahme der Mietkosten eingreifen und ggf. auch dazu führen, dass eine
bereits ausgesprochene Kündigung unwirksam wird (§ 569 Absatz 3 Nummer 2 BGB).
Auch bei einer ordentlichen Kündigung des Vermieters kann die besondere Situation
eines psychisch kranken Mieters berücksichtigt werden. Ist der Vermieter berechtigt, das
Mietverhältnis aufgrund schuldhafter nicht unerheblicher Pflichtverletzungen des
Mieters ordentlich zu kündigen (§ 573 Absatz 1, Absatz 2 Nummer 1 BGB), wozu auch
ausbleibende Zahlungen oder Störungen des Hausfriedens zählen, kann der Mieter bzw.
sein Betreuer der Kündigung nach § 574 Absatz 1 Satz 1 BGB widersprechen und vom
Vermieter die Fortsetzung des Mietverhältnisses verlangen, wenn die Beendigung des
Mietverhältnisses für den Mieter eine Härte bedeuten würde, die auch unter Würdigung
der berechtigten Interessen des Vermieters nicht zu rechtfertigen ist. Krankheit, und
damit auch eine psychische Erkrankung, kann einen solchen Härtegrund darstellen, wenn
der Mieter aufgrund seines körperlichen oder geistigen Zustands nicht in der Lage ist,
eine Ersatzwohnung zu finden und dorthin umzuziehen oder wenn der
Gesundheitszustand oder die allgemeine Lebenssituation des Mieters durch den Umzug
erheblich verschlechtert würden (BVerfG, Beschluss vom 12. Februar 1993 - 2 BvR
2077/92 für körperliche Gesundheitsschäden sowie LG Berlin, Urteil vom 7. Juli 1994, 67
S 136/93 für Verschlechterungen einer vorliegenden psychischen Erkrankung durch
Räumung oder Umzug). Der Mieter (bzw. sein Betreuer für ihn) kann in diesem Fall
verlangen, dass das Mietverhältnis so lange fortgesetzt wird, wie dies unter
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Berücksichtigung aller Umstände angemessen ist, § 574a Absatz 1 Satz 1 BGB. Hierbei ist
sowohl eine Fortsetzung auf bestimmte als auch auf unbestimmte Zeit möglich,
beispielsweise wenn das Ende der Beeinträchtigung noch nicht abgeschätzt werden kann,
§ 574a Absatz 2 Satz 2 BGB. In diesem Fall obliegt es dem Mieter allerdings, an der
Beseitigung des Räumungshindernisses mitzuwirken (BVerfG, Beschluss vom 12. Februar
1993 - 2 BvR 2077/92), wie z. B. ärztliche Hilfe in Anspruch zu nehmen.
Beim Thema Vollstreckungsschutz ist darauf hinzuweisen, dass in § 721 der
Zivilprozessordnung (ZPO) die dem Vollstreckungsrecht zuzurechnende Frist für die
Räumung von Wohnraum geregelt ist, die die im materiellen Recht bestehenden
Schutzvorschriften des auf Räumung in Anspruch genommenen Beklagten erweitert. Die
Räumungsfrist des § 721 ZPO gewährt dem Schuldner Schutz, der zur Räumung von
Wohnraum verurteilt wird. Der Schuldner erhält dadurch die Möglichkeit, sich eine
Ersatzwohnung zu beschaffen. Die Vorschrift erlaubt es dem Gericht, eine angemessene
Räumungsfrist zu gewähren; diese darf allerdings insgesamt nicht mehr als ein Jahr
betragen, § 721 Absatz 5 Satz 1 ZPO. Die Bewilligung einer Räumungsfrist bewirkt eine
besondere Vollstreckungsvoraussetzung im Sinne des § 751 Absatz 1 ZPO, die zeitweise
die Räumungsvollstreckung hindert.
Die Bewilligung einer Räumungsfrist und die Bestimmung ihrer Dauer stehen im
Ermessen des Gerichts; es hat dabei die Interessen der beiden Parteien gegeneinander
abzuwägen.
Der Schutz des Schuldners vor Räumung wird durch die Vorschrift des § 765a ZPO
vervollständigt. Nach Ablauf der Höchstdauer der Räumungsfrist können in besonders
gelagerten Einzelfällen nachträglich eingetretene oder wegen besonderer Verhältnisse
sich verstärkt auswirkende fortdauernde Umstände eine sofortige Vollstreckung zu einer
sittenwidrigen Härte machen, sodass ein zeitlich begrenzter weiterer Aufschub auch über
die Höchstdauer der Räumungsfrist hinaus auf Grund des § 765a ZPO gerechtfertigt sein
kann. Über einen Antrag nach § 765a ZPO entscheidet das Vollstreckungsgericht.
Zusätzlich benachrichtigt der Gerichtsvollzieher die für die Unterbringung von
Obdachlosen zuständige Verwaltungsbehörde, wenn zu erwarten ist, dass der
Räumungsschuldner durch Vollstreckung des Räumungstitels obdachlos werden wird, §
130 der Geschäftsanweisung für Gerichtsvollzieher (GVGA).
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Sofern das Polizei- und Ordnungsrecht angesprochen ist, ist darauf hinzuweisen, dass die
Ausgestaltung der Regelungen zur Gefahrenabwehr grundsätzlich im Kompetenzbereich
der Länder liegt. Daher ist es dem Bundesgesetzgeber nicht möglich, Regelungen zu
schaffen, die Maßnahmen durch Polizei- und Ordnungsbehörden für psychisch kranke
Menschen zur Abwehr von Gefahren für sich selbst oder für Dritte vorsehen.
In allen Ländern wurden Gesetze geschaffen, die die Unterstützung von psychisch
kranken Menschen und ihre Unterbringung in einem Krankenhaus regeln; in Sachsen
– wie bereits oben ausgeführt – das Sächsische Gesetz über die Hilfen und die
Unterbringung bei psychischen Krankheiten (SächsPsychKG). Auf Grundlage dieser, im
Wesentlichen ähnlichen, Regelungen ist es grundsätzlich möglich, psychisch kranke
Personen gegen oder ohne ihren Willen in einem Krankenhaus oder einer anderen
geeigneten Einrichtung unterzubringen, soweit durch ihr krankheitsbedingtes Verhalten
eine gegenwärtige und erhebliche Gefahr für ihr Leben oder ihre Gesundheit oder für
besonders bedeutende Rechtsgüter Dritter besteht und diese Gefahr nicht anders
abgewendet werden kann. Für diese zwangsweise Unterbringung ist grundsätzlich eine
gerichtliche Entscheidung notwendig.
Eine Obdachlosigkeit selbst stellt aber zunächst keine erhebliche Gefahr für den
Betroffenen dar. Erst weitere Umstände, wie z. B. die krankheitsbedingt fehlende
Fähigkeit für sich selbst zu sorgen, können eine erhebliche Gefahr für die Gesundheit des
Betroffenen begründen. Eine Unterbringung ist zudem nur dann zulässig, wenn die
gegenwärtige Gefahr nicht auf andere Weise, zum Beispiel durch ambulante
psychiatrische Behandlung oder durch familiäre oder externe Hilfen, einschließlich einer
freiwilligen stationären Behandlung, beseitigt werden kann. In jedem Fall muss bei der
zwangsweisen Unterbringung zwischen der Schwere und Intensität der Gefährdung
einerseits und der durch die Unterbringung bewirkten Freiheitsentziehung andererseits
abgewogen werden.
Darüber hinaus kommen bei Obdachlosigkeit ggf. auch Maßnahmen auf Grundlage der
allgemeinen Polizei- und Ordnungsgesetze der Länder in Betracht, wobei derartige
Maßnahmen regelmäßig auf die polizeiliche Generalklausel gestützt werden. Eine
freiwillige Obdachlosigkeit stellt indes grundsätzlich keine Gefahr für die öffentliche
Sicherheit dar. Eine drohende unfreiwillige Obdachlosigkeit hingegen ist als Gefahr für
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die öffentliche Sicherheit anerkannt, sodass hier polizeirechtliche Maßnahmen denkbar
sind z. B. in Form einer vorübergehenden Einweisung des Betroffenen in eine
Notunterkunft, wenn der Betroffene nicht in der Lage ist, sich aus eigenen Kräften eine
Unterkunft zu beschaffen (vgl. Oberverwaltungsgericht der Freien Hansestadt Bremen,
Beschluss vom 7. Februar 2013 – 1 B 1/13, Rn. 16; OVG Lüneburg, Beschluss vom 14.
Dezember 2009 – 11 ME 316/09, Rn. 5). Im Fall eines Verlustes der bisherigen Wohnung
des Betroffenen ist es in Ausnahmefällen auch möglich, eine Wiedereinweisung des
Betroffenen in die bisherige Wohnung vorzunehmen.
Eine Verpflichtung des Betroffenen, die Unterkunft auch tatsächlich zu beziehen, wird
durch eine Einweisung auf Grundlage der polizeilichen Generalklausel allerdings
grundsätzlich nicht begründet.
Der Ausschuss hält die Rechtslage vor dem dargestellten Hintergrund für sachgerecht und
vermag die Eingabe daher nicht zu unterstützen. Demzufolge empfiehlt der Ausschuss,
das Petitionsverfahren abzuschließen, weil dem Anliegen der Petition nicht entsprochen
werden konnte.

Begründung (PDF)


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