Region: Germany

Einkommensteuer - Erhöhung des Steuerfreibetrags für Personen mit erhöhten Regelbedarf (Mehrbedarf)

Petitioner not public
Petition is directed to
Petitionsausschuss des Deutschen Bundestags
6 supporters 6 in Germany

The petition is denied.

6 supporters 6 in Germany

The petition is denied.

  1. Launched 2016
  2. Collection finished
  3. Submitted
  4. Dialogue
  5. Finished

Dies ist eine Online-Petition des Deutschen Bundestags.

08/14/2018, 04:26

Pet 2-18-08-6101-037158 Steuerpolitik

Der Deutsche Bundestag hat die Petition am 05.07.2018 abschließend beraten und
beschlossen:

Das Petitionsverfahren abzuschließen, weil dem Anliegen nicht entsprochen werden
konnte.

Begründung

Der Petent möchte erreichen, dass ein den Sozialhilfesatz erhöhender Mehrbedarf
auch zu einer Erhöhung des Steuerfreibetrages bei der Einkommensteuer führt.

Die Petition wurde auf der Internetseite des Deutschen Bundetages veröffentlicht, es
gab 56 Diskussionsbeiträge und 42 Mitzeichnungen.

Der Petitionsausschuss hat der Bundesregierung Gelegenheit gegeben, zu der
Eingabe Stellung zu nehmen. Das Ergebnis der parlamentarischen Prüfung lässt sich
unter Einbeziehung der seitens der Bundesregierung angeführten Aspekte wie folgt
zusammenfassen:

Entsprechend den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zum
Einkommensteuerrecht erfolgt eine steuerliche Freistellung des sächlichen
Existenzminimums von Erwachsenen und Kindern durch die Gewährung von
Grundfreibetrag und Kinderfreibetrag. Maßgröße für das steuerliche Existenzminimum
ist dabei der im Sozialhilferecht anerkannte Mindestbedarf, der sich aus den
Komponenten Regelbedarf und Wohnkosten zusammensetzt. Sozialrechtliche
Sonder- und Mehrbedarfe für bestimmte Personengruppen werden dabei nicht
berücksichtigt. Bei Kindern kommen einige der Bildungs- und Teilhabeleistungen
hinzu, soweit es sich dabei um typische Grundbedarfe (z. B. Schulbedarf) und nicht
um individuelle Sonder- oder Mehrbedarfe (z. B. gesondert zu beantragende
Leistungen für Nachhilfeunterricht und Klassenfahrt) handelt. Im Gegensatz zum
Sozialrecht, das nach dem Individualprinzip ausgerichtet ist und somit am Einzelfall
orientierte Leistungen für Anspruchsberechtigte gewährt, erfordert das Steuerrecht ein
gewisses Maß an Generalisierung und Typisierung. Die von der Bundesregierung im
Existenzminimumbericht zugrunde gelegte Berechnungsmethode basiert daher auf
statistischen Daten sowie auf - für die steuerlichen Zwecke aufgrund der
Massenverfahren - erforderliche und verfassungsrechtlich zulässige Typisierungen.
Für jeden Einkommensteuerpflichtigen gilt in Deutschland ein Grundfreibetrag von
derzeit 9.000 Euro pro Jahr, der nicht besteuert wird. Für jedes zu berücksichtigende
Kind kommt ein Kinderfreibetrag (einschließlich des Freibetrages für den Betreuungs-
und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarfs) von derzeit 7.428 Euro hinzu. Diese
Freibeträge erhöhen sich für das Veranlagungsjahr 2019 auf 9.168 Euro für
Erwachsene bzw. 7.620 Euro für Kinder.

Für eine über die steuerliche Freistellung des Existenzminimums hinausgehende
Entlastung von Steuerpflichtigen steht dem Gesetzgeber ein Gestaltungsspielraum zu.
Der Staat ist grundsätzlich nicht verfassungsrechtlich gehalten, jegliche finanzielle
Belastung auszugleichen oder jeden Unterhaltspflichtigen zu entlasten. Sämtliche
finanziellen Leistungen stehen unter dem Vorbehalt des Möglichen im Sinne dessen,
was der Einzelne vernünftigerweise von der Gesellschaft beanspruchen kann. Darüber
hinaus hat der Gesetzgeber im Interesse des Gemeinwohls alle
Gemeinschaftsbelange bei seiner Haushaltswirtschaft zu berücksichtigen und dabei
vor allem auf die Funktionsfähigkeit und das Gleichgewicht des Ganzen zu achten.

Hinsichtlich der begehrten steuerrechtlichen Berücksichtigung von Diätaufwendungen
wird ergänzend angemerkt, dass das Einkommensteuerrecht bei der Berücksichtigung
von Aufwendungen zwischen dem Bereich der Einkunftserzielung und dem der
privaten Einkommensverwendung unterscheidet. Aufwendungen, die die private
Lebensführung betreffen, sind grundsätzlich steuerlich nicht abziehbar (§ 12
Einkommensteuergesetz - EStG). Sie können nur in einigen vom Gesetzgeber genau
bezeichneten Fällen steuermindernd berücksichtigt werden, z. B. als
außergewöhnliche Belastungen (§§ 33 bis 33b EStG). Erwachsen einem
Steuerpflichtigen zwangsläufig bestimmte größere Aufwendungen als der
überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse,
gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands (außergewöhnliche
Belastungen), können diese grundsätzlich nach § 33 EStG vom Gesamtbetrag der
Einkünfte abgezogen werden, soweit sie die zumutbare Belastung übersteigen.

§ 33 EStG dient - im Wesentlichen in Ergänzung zu §§ 10, 32a Abs. 1 EStG - dazu,
sicherzustellen, dass die Besteuerung erst jenseits des Existenzminimums einsetzt.
Die Vorschrift will Fällen Rechnung tragen, in denen das Existenzminimum höher als
im Normalfall liegt und dient damit dem Gebot der Besteuerung nach der subjektiven
Leistungsfähigkeit. Die üblichen Aufwendungen der Lebensführung, die nicht nur einer
Minderheit entstehen, werden daher von § 33 EStG nicht erfasst. Außerdem fallen nur
solche Aufwendungen unter § 33 EStG, die existenziell erforderlich sind und weder
vom Grundfreibetrag noch durch den Sonderausgabenabzug oder andere
Abzugsbeträge erfasst werden. Dies können grundsätzlich nur solche Aufwendungen
sein, die bereits ihrer Art und dem Grunde nach außerhalb des Üblichen liegen und
insofern nur einer Minderheit entstehen. Der Bundesfinanzhof (BFH) geht in ständiger
Rechtsprechung davon aus, dass krankheitsbedingte Maßnahmen und die dadurch
veranlassten Aufwendungen stets aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig
erwachsen, soweit sie entweder der Heilung dienen oder den Zweck verfolgen, die
Krankheit erträglich zu machen. Aufwendungen, die durch eine Diätverpflegung
entstehen, können nach der gesetzlichen Regelung des § 33 Abs. 2 Satz 3 EStG nicht
als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden. Nach der Rechtsprechung
des BFH ist unter Diät die auf die Bedürfnisse des Patienten und die Therapie der
Erkrankung abgestimmte Ernährung zu verstehen; sie kann in der Einschränkung der
gesamten Ernährung, in der Vermeidung bestimmter Anteile oder in der Vermehrung
aller oder bestimmter Nahrungsanteile bestehen. Zu den Diätformen gehören nicht nur
kurzzeitig angewendete Einformdiäten sowie langzeitig angewandte Grunddiäten
(z. B. bei Gicht und Zuckerkrankheit) sondern auch langzeitige Sonderdiäten mit
Anpassung an ständige Leiden, z. B. Zöliakie.

Der BFH hat mit Urteil vom 21. Juni 2007 klargestellt, dass es von Verfassungs wegen
nicht geboten sei, krankheitsbedingte Mehraufwendungen für die Diät bei der
Ermittlung des Existenzminimums zusätzlich zu berücksichtigen. Individueller
Sonderbedarf sei grundsätzlich nicht bei der Ermittlung des von der Steuer
freizustellenden Existenzminimums zu berücksichtigen, da bei allen Steuerpflichtigen
gleichermaßen die existenznotwendigen Mindestaufwendungen typisierend
anzusetzen seien. Zwar werde im Rahmen der Sozialhilfe krankheits- oder
behinderungsbedingter Aufwand für eine kostenaufwendige Ernährung in
angemessener Höhe berücksichtigt. Dies bedeutete aber nicht, dass bei der Ermittlung
des steuerrechtlichen Existenzminimums jede sozialrechtliche Zusatzleistung
mitberücksichtigt werden muss und umgekehrt. Im Übrigen sei das, was der
Gesetzgeber dem Bedürftigen zur Befriedigung seines existenznotwendigen Bedarfs
an öffentlichen Mitteln zur Verfügung stellt, auch dem Einkommensbezieher von
dessen Erwerbsbezügen zu belassen. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen den
Ausschlusstatbestand von - Diätmehraufwendungen in § 33 Abs. 2 Satz 3 EStG
ergeben sich auch nicht mit Rücksicht auf das dem Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz zu
entnehmende Gebot der Steuergerechtigkeit, wonach die Besteuerung grundsätzlich
an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit auszurichten. Eine Verfassungsbeschwerde
gegen das eben genannte Urteil des BFH hat das Bundesverfassungsgericht nicht zur
Entscheidung angenommen.

Der BFH hat sich zuletzt in seiner Entscheidung vom 14. April 2015 mit der Frage einer
steuermindernden Berücksichtigung von Aufwendungen bei Diätverpflegung befasst.
Er hat die bisherige Rechtsprechung insofern bestätigt, als vom Abzugsverbot nach
§ 33 Abs. 2 Satz 3 EStG Kosten einer besonderen Verpflegung und damit (auch)
Aufwendungen für Diätlebensmittel erfasst werden, auch wenn Ihnen "quasi
Medikamentenfunktion" zukommt oder sie zur Unterstützung einer Heilbehandlung
konsumiert werden. Denn insoweit sei der Steuerpflichtige nicht außergewöhnlich
belastet, da unterschiedliche Lebenshaltungskosten unbeachtlich seien.
Aufwendungen für Arzneimittel im Sinne des § 2 des Arzneimittelgesetzes (AMG)
unterfielen dem Abzugsverbot für Diätverpflegung nach § 33 Abs. 2 Satz 3 EStG
jedoch nicht. Arzneimittel im Sinne des § 2 AMG seien keine Lebensmittel und zählten
nicht zur Diätverpflegung im Sinne des § 33 Abs. 2 Satz 3 EStG, auch wenn sie
während einer Diät eingenommen werden. Aufwendungen dafür seien vielmehr als
Krankheitskosten nach § 33 Abs. 2 Satz 3 EStG zur berücksichtigen, wenn ihre
Einnahme einer Krankheit geschuldet und die Zwangsläufigkeit (medizinische
Indikation) der Medikation durch eine ärztliche Verordnung nachgewiesen sei.

Die Entscheidung des Gesetzgebers, Aufwendungen für Diätverpflegung im Sinne des
§ 33 Abs. 2 Satz 3 EStG vom Abzug auszuschließen, mag zwar für manche
Steuerpflichtige eine gewisse Härte bedeuten. Die gesetzgeberische Entscheidung ist
aber vor dem Hintergrund zu sehen, dass aus den abziehbaren außergewöhnlichen
Belastungen von vornherein Kosten auszuschließen sind, die typischerweise die
Lebensführung mit sich bringt oder die im Hinblick auf die allgemeine Lebensführung
nicht ungewöhnlich sind. Zu diesen üblichen Aufwendungen rechnen nach der
höchstrichterlichen Rechtsprechung auch die Kosten für die Verpflegung, gleichgültig,
in welcher Höhe sie tatsächlich anfallen. Das gilt beispielsweise auch für Mehrkosten
für Kleidung wegen Übergröße und unterschiedlich hohe Wohnungsmieten.

Vor dem Hintergrund des Dargelegten kann der Petitionsausschuss ein weiteres
Tätigwerden nicht in Aussicht stellen. Er empfiehlt daher, das Petitionsverfahren
abzuschließen, weil dem Anliegen nicht entsprochen werden konnte.
Der abweichende Antrag der Fraktion DIE LINKE., die Petition der Bundesregierung -
dem Bundesministerium der Finanzen - als Material zu überweisen, sie den Fraktionen
des Deutschen Bundestages zur Kenntnis zu geben, wurde mehrheitlich abgelehnt.

Begründung (PDF)


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