Region: Germany

Geldstrafe - Abschaffung des § 43 Strafgesetzbuch (Ersatzfreiheitsstrafe anstelle uneinbringlicher Geldstrafe)

Petitioner not public
Petition is directed to
Petitionsausschuss des Deutschen Bundestags
157 supporters 157 in Germany

The petition is denied.

157 supporters 157 in Germany

The petition is denied.

  1. Launched 2016
  2. Collection finished
  3. Submitted
  4. Dialogue
  5. Finished

Dies ist eine Online-Petition des Deutschen Bundestags.

09/11/2017, 12:58

Pet 4-18-07-45001-029155

Geldstrafe


Der Deutsche Bundestag hat die Petition am 22.06.2017 abschließend beraten und
beschlossen:

Das Petitionsverfahren abzuschließen, weil dem Anliegen nicht entsprochen werden
konnte.

Begründung

Mit der Petition wird gefordert, § 43 Strafgesetzbuch (Ersatzfreiheitsstrafe anstelle
uneinbringlicher Geldstrafe) abzuschaffen.
Zur Begründung der Petition wird insbesondere ausgeführt, die Ersatzfreiheitsstrafe
sei illegitim, da sie im Vergleich zur Geldstrafe eine deutlich schärfere Sanktion dar-
stelle. Als Freiheitsentzug dürfte sie zudem nicht ohne richterliche Anordnung durch
die Strafvollstreckungsbehörde angeordnet werden.
Die Eingabe wurde als öffentliche Petition auf der Internetseite des
Petitionsausschusses eingestellt. Sie wurde von 157 Mitzeichnern unterstützt.
Außerdem gingen 23 Diskussionsbeiträge ein.
Dem Petitionsausschuss liegen zu diesem Thema mehrere Eingaben mit verwandter
Zielsetzung vor, die wegen des Sachzusammenhangs einer gemeinsamen
parlamentarischen Prüfung unterzogen werden. Es wird um Verständnis gebeten,
dass nicht auf alle der vorgetragenen Aspekte im Einzelnen eingegangen werden
kann.
Der Petitionsausschuss hat der Bundesregierung Gelegenheit gegeben, ihre Haltung
zu der Thematik darzulegen. Das Ergebnis der parlamentarischen Prüfung lässt sich
unter anderem unter Einbeziehung der seitens der Bundesregierung angeführten
Aspekte wie folgt zusammenfassen:
Gemäß § 43 Strafgesetzbuch (StGB) tritt Freiheitsstrafe an die Stelle einer
uneinbringlichen Geldstrafe zu dem Zweck, deren Wirksamkeit zu sichern. Dabei
entspricht ein Tag Freiheitsstrafe einem Tagessatz; sie muss nicht im Urteil
gesondert ausgesprochen werden, zumal der Umrechnungsmaßstab vom

Gesetzgeber klar vorgegeben ist. Die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe ohne
gesonderte Anordnung durch einen Richter stellt keine Verletzung von Art. 104
Abs. 2 S. 1 GG dar. Dem Richtervorbehalt ist aufgrund der zugrundeliegenden
Verurteilung zu einer Geldstrafe in Kombination mit der gesetzlichen Festlegung der
Voraussetzungen und des Umfangs von Ersatzfreiheitsstrafe genügt (Radtke in
Münchener Kommentar zum StGB, 2. Auflage 2012, § 43 Rn. 10). Das
Bundesverfassungsgericht hat die Ersatzfreiheitsstrafe dementsprechend nicht
beanstandet (vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 24. August 2006 –
2 BvR 1552/06).
Die Ersatzfreiheitsstrafe ist nach Auffassung des Petitionsausschusses als Mittel zur
Sicherung der Geldstrafe unverzichtbar, andernfalls liefe diese bei
zahlungsunwilligen Verurteilten ins Leere; an diesem für die Einführung der
Ersatzfreiheitsstrafe maßgeblichen Umstand (vgl. Tröndle, „Die Geldstrafe im neuen
Strafensystem“ MDR 1972, 466) hat sich bis heute nichts geändert. Die bloße
Möglichkeit des Einsatzes zivilrechtlicher Instrumentarien reicht zur Beitreibung einer
Geldstrafe nicht aus, da auch hier die naheliegende Gefahr besteht, dass Verurteilte
sich durch ihre Lebensführung oder auf andere Weise der Beitreibungsmaßnahme
entziehen. Die Ersatzfreiheitsstrafe gewährleistet, dass die Geldstrafe hinreichend
ernst genommen wird und dass die Geldstrafe die ihr von der Strafrechtsreform der
70er Jahre zugedachte Funktion erfüllen kann, als wirksame staatliche Strafsanktion
auch im Bereich der mittleren Kriminalität eingesetzt zu werden (vgl. Leipziger
Kommentar Häger, StGB, 12. Auflage 2007, § 43 Rn. 1; Tröndle, Geldstrafe in der
Praxis und Probleme ihrer Durchsetzung ZStW 86, 571). Empirische Befunde zur
Vollstreckung und Beitreibung von Geldstrafen bestätigen, dass die Androhung der
Ersatzfreiheitsstrafe und die Anordnung ihrer Vollstreckung den Beitreibungsprozess
zu effektivieren vermögen. Nach neueren Veröffentlichungen bezahlen zwei von drei
Geldstrafenschuldnern, denen die Androhung bzw. Anordnung der Vollstreckung der
Ersatzfreiheitsstrafe eröffnet worden ist, danach die Geldstrafe bzw. den
ausstehenden Restbetrag (Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, Strafgesetzbuch, StGB
§ 43 Rn. 1).
Die Ersatzfreiheitsstrafe verstößt nicht gegen das mit Verfassungsrang ausgestattete
Schuldprinzip. Denn ihre Vollstreckung kommt erst dann zum Zuge, wenn sich die
ursprünglich verhängte Geldstrafe wegen Uneinbringlichkeit nicht realisieren lässt,
der Verurteilte aber gleichwohl in der Konsequenz nicht straffrei ausgehen darf.
Diese Rechtsfolge ist daher nicht zu beanstanden.

Auch ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt, denn von der
Uneinbringlichkeit der Geldstrafe ist erst dann auszugehen, wenn der ernsthafte und
unter Umständen wiederholte Vollstreckungsversuch fruchtlos geblieben ist. Nur
dann, wenn die Geldstrafe mittels Vollstreckung nicht eingebracht werden kann oder
sie gem. § 459c Abs. 2 StPO unterbleibt, weil zu erwarten ist, dass sie in absehbarer
Zeit zu keinem Erfolg führen wird, darf die Vollstreckungsbehörde gem. § 459e
Abs. 2 StPO anordnen, die Ersatzfreiheitsstrafe zu vollstrecken. Darüber hinaus
ordnet das Gericht gem. § 459f StPO an, dass die Vollstreckung der
Ersatzfreiheitsstrafe unterbleibt, wenn sie für den Verurteilten eine unbillige Härte
wäre.
Der Vorwurf der sozialen Ungerechtigkeit richtet sich eher gegen die Geldstrafe als
solche und lässt sich dadurch entkräften, dass die Einkommensverhältnisse gem.
§ 40 Abs. 2 S. 1 StGB bei der Berechnung der Tagessatzhöhe zu berücksichtigen
sind und das Gericht darüber hinaus gem. § 42 StGB dem Verurteilten
Zahlungserleichterungen gewähren werden kann, wenn es ihm nach seinen
persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnissen nicht zuzumuten ist, die Geldstrafe
sofort zu zahlen.
Die gegen eine gem. § 47 StGB nur in Ausnahmefällen zu verhängende kurze
Freiheitstrafe vorgebrachten Einwände greifen aus Sicht des Petitionsausschusses
hinsichtlich der Ersatzfreiheitsstrafe nicht, da eine Vergleichbarkeit mit der
Ersatzfreiheitsstrafe aufgrund systematischer Unterschiede nicht gegeben ist. Die
rechtliche Situation eines primär zu Geldstrafe und damit gleichzeitig zu potentiell
vollstreckbarer Ersatzfreiheitsstrafe Verurteilten kommt nämlich in keiner Phase des
Vollstreckungsverfahrens der eines zu originärer Freiheitsstrafe Verurteilten gleich.
Anders als bei einer zeitigen Freiheitsstrafe hat es der zu einer Geldstrafe Verurteilte
in jeder Lage des Verfahrens selbst in der Hand, durch gänzliche oder teilweise
Bezahlung des noch offenen Geldstrafenbetrages auch die bereits angeordnete
Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe im Umfang der bezahlten Tagessätze
endgültig zu verhindern. Auch mit der Anordnung der Vollstreckung der
Ersatzfreiheitsstrafe durch die Vollstreckungsbehörde gemäß § 459e Abs. 1, Abs. 2
StPO entfällt nämlich die primär verhängte Geldstrafe nicht. Die
Vollstreckungsbehörde kann außerdem prinzipiell auch bei fortbestehender
Uneinbringlichkeit der Geldstrafe nach Anordnung und auch noch nach Beginn der
Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe jederzeit dem inhaftierten Verurteilten
Vergünstigungen etwa gemäß § 459a StPO bewilligen.

Ferner können auch mildere Mittel zum Zuge kommen, insbesondere die
Vermeidung des Freiheitsentzugs durch die Erbringung von Arbeitsleistung. Mit
Artikel 293 EGStGB hat der Bundesgesetzgeber die Landesregierungen ermächtigt,
durch Rechtsverordnungen Regelungen zu treffen, wonach die
Vollstreckungsbehörde dem Verurteilten gestatten kann, die Vollstreckung einer
Ersatzfreiheitsstrafe durch freie Arbeit abzuwenden. Von dieser Ermächtigung haben
sämtliche Bundesländer Gebrauch gemacht (vgl. Fischer, StGB, 62. Aufl., § 43
Rn. 9). Dass diese Programme, wie teilweise angenommen, „finanziell und personell
aufwendig“ sind, ändert nichts daran, dass sie ein wichtiger Baustein in dem
Bestreben sind, die Vollstreckung von Ersatzfreiheitsstrafen möglichst häufig
abwenden zu können.
Der Ausschuss hält die geltende Rechtslage für sachgerecht und vermag sich nicht
für eine Gesetzesänderung im Sinne der Petition auszusprechen.
Der Petitionsausschuss empfiehlt daher, das Petitionsverfahren abzuschließen, weil
dem Anliegen nicht entsprochen werden konnte.
Der von den Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gestellte
Antrag, die Petition der Bundesregierung zur Berücksichtigung zu überweisen, und
den Fraktionen des Deutschen Bundestages zur Kenntnis zu geben, ist mehrheitlich
abgelehnt worden.

Begründung (PDF)


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