Grundgesetz - Religionsunterricht in öffentlichen Schulen als "interreligiöser Unterricht"

Petent/in nicht öffentlich
Petition richtet sich an
Petitionsausschuss des Deutschen Bundestags
77 Unterstützende 77 in Deutschland

Der Petition wurde nicht entsprochen

77 Unterstützende 77 in Deutschland

Der Petition wurde nicht entsprochen

  1. Gestartet 2016
  2. Sammlung beendet
  3. Eingereicht
  4. Dialog
  5. Beendet

Dies ist eine Online-Petition des Deutschen Bundestags.

15.12.2018, 03:24

Pet 4-18-07-10000-038325 Grundgesetz

Der Deutsche Bundestag hat die Petition am 29.11.2018 abschließend beraten und
beschlossen:

Das Petitionsverfahren abzuschließen, weil dem Anliegen nicht entsprochen werden
konnte.

Begründung

Mit der Petition wird eine Änderung des Grundgesetzes in der Form gefordert, dass
der Religionsunterricht in öffentlichen Schulen als "interreligiöser Unterricht"
stattfindet.
Zur Begründung der Petition wird ausgeführt, dass die Bevölkerung durch den
unvorbereitet eingetroffenen Flüchtlingsstrom verunsichert und sowohl mit einem
fremden Kulturkreis als auch mit dem Islam konfrontiert sei. Angesichts der nunmehr
entstehenden oder teilweise schon bestehenden multikulturellen und multireligiösen
Situation in Deutschland sollten Schülerinnen und Schüler ungeachtet ihrer
jeweiligen religiösen und weltanschaulichen Überzeugung zusammen in einem
Religionsunterricht – nicht nach Konfessionen getrennt – unterrichtet werden. In
solch einem Religionsunterricht würden Kinder und Jugendliche aller religiösen und
weltanschaulichen Orientierungen und Herkunft gemeinsam lernen. Artikel 7 Absätze
1 bis 3 des Grundgesetzes (GG) sollten daher geändert werden.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die eingereichten Unterlagen Bezug
genommen.

Die Eingabe wurde als öffentliche Petition auf der Internetseite des
Petitionsausschusses eingestellt. Sie wurde von 78 Mitzeichnern unterstützt.
Außerdem gingen 26 Diskussionsbeiträge ein.

Der Petitionsausschuss hat der Bundesregierung Gelegenheit gegeben, ihre Haltung
zu der Eingabe darzulegen. Das Ergebnis der parlamentarischen Prüfung lässt sich
unter anderem unter Einbeziehung der seitens der Bundesregierung angeführten
Aspekte wie folgt zusammenfassen:
Artikel 7 Absatz 3 GG ordnet an, dass der Religionsunterricht in den öffentlichen
Schulen mit Ausnahme der bekenntnisfreien Schulen ordentliches Lehrfach ist.
Davon macht Artikel 141 GG eine Ausnahme für Länder, in denen am 1. Januar
1949 eine andere landesrechtliche Regelung bestand. Unbeschadet des staatlichen
Aufsichtsrechts wird der Religionsunterricht in Übereinstimmung mit den
Grundsätzen der Religionsgemeinschaften erteilt. Das Bundesverfassungsgericht
versteht unter Religionsunterricht „keine überkonfessionelle vergleichende
Betrachtung religiöser Lehren, bloße Morallehre, Sittenunterricht, historisierende
oder relativierende Religionskunde, Religions- oder Bibelgeschichte. Sein
Gegenstand ist vielmehr der Bekenntnisinhalt, nämlich die Glaubenssätze der
jeweiligen Religionsgemeinschaft. Diese als bestehende Wahrheiten zu vermitteln,
ist seine Aufgabe. Dafür, wie dies zu geschehen hat, sind grundsätzlich die
Vorstellungen der Kirchen über Inhalt und Ziel der Lehrveranstaltung maßgeblich.
Ändert sich deren Verständnis vom Religionsunterricht, muss der religiös neutrale
Staat dies hinnehmen. Er ist jedoch nicht verpflichtet, jede denkbare Definition der
Religionsgemeinschaften als verbindlich anzuerkennen. Die Grenze ist durch den
Verfassungsbegriff ‘Religionsunterricht‘ gezogen. (…) Seine Ausrichtung an den
Glaubenssätzen der jeweiligen Konfession ist der unveränderliche Rahmen, den die
Verfassung vorgibt“ (BVerfGE 74, 244, 252 f.).

Diese Vorgaben des Grundgesetzes stehen nicht isoliert, sondern im
Zusammenhang mit der Gewährleistung auch der kollektiven Glaubens-, Bekenntnis-
und Religionsausübungsfreiheit in Artikel 4 Absatz 1 und 2 GG sowie im
Zusammenhang mit dem Staatskirchenrecht nach Artikel 140 GG in Verbindung mit
den übernommenen und fortgeltenden Bestimmungen der Artikel 136-141 der
Weimarer Reichsverfassung.

Das Anliegen, Artikel 7 Absatz 1 bis 3 „in“ einen interreligiösen Religionsunterricht zu
„ändern“, könnte in dreierlei Weise zu verstehen sein: Der Zulassung bzw. Vorgabe
eines zusätzlichen interreligiösen Religionsunterrichts und ggf. der Ersetzung des
bekenntnisgebundenen Religionsunterrichts.

Die Vorgaben des Grundgesetzes stehen der angestrebten Einführung eines
interreligiösen Unterrichts neben dem durch Artikel 7 Absatz 3 GG gewährleisteten
Religionsunterricht nicht entgegen. Aus Artikel 7 Absatz 1 GG folgt die Befugnis des
Gesetzgebers zur umfassenden Regelung der schulischen Bildung und auch die
Festlegung von Unterrichtsfächern. Das Bundesverfassungsgericht hat die
Einführung eines religionsübergreifenden Ethikunterrichts mit
Nichtannahmebeschluss vom 15. März 2007 – 1 BvR 2780/06 nicht beanstandet.
Vielmehr hat es hervorgehoben, dass der Gesetzgeber nur daran gehindert sei, im
Rahmen eines solchen Unterrichtsfaches die verfassungsrechtlichen Grenzen des
staatlichen Neutralitätsgebots zu überschreiten. Insbesondere dürfe es – soweit
möglich – keine weltanschaulich-religiösen Zwänge geben, müsse Raum für eine
sachliche Auseinandersetzung bleiben und das Toleranzgebot beachtet werden
(BVerfG, a.a.O., Rn. 39 ff.). Da das Anliegen insoweit schon auf der Grundlage des
geltenden Verfassungsrechts umsetzbar wäre, wenn der zuständige Gesetzgeber
(Artikel 70 GG: die Länder) es anstrebte, bedürfte es der von ihr angestrebten
Grundgesetzänderung nicht.

Eine zwingende Einführung eines zusätzlichen interreligiösen Unterrichts durch
ausdrückliche Festschreibung in Artikel 7 GG wäre zwar nach Artikel 79 Absatz 3 GG
zulässig, dürfte aber nach Auffassung des Petitionsausschusses zu weit gehen. Sie
würde die für die Schulgesetzgebung nach Artikel 70 GG allein zuständigen Länder
dazu zwingen, überall einen interreligiösen Unterricht als eigenständiges Lehrfach
einzuführen. Zudem würde der interreligiöse Unterricht durch seine ausdrückliche
Anordnung im Grundgesetz über alle anderen – nicht genannten – Unterrichtsfächer
(beispielsweise Deutsch) gestellt.

Noch weitergehend wäre eine Ersetzung des (bekenntnisgebundenen)
„Religionsunterrichts“ durch „interreligiösen Religionsunterricht“ in Artikel 7 Absatz 3
Satz 1 GG – als ordentliches Lehrfach an öffentlichen Schulen, die bis zu einem
Verbot bekenntnisgebundenen Religionsunterrichts an öffentlichen Schulen gehen
könnte. Auch eine solche Änderung des Grundgesetzes wäre mit Artikel 79 Absatz 3
GG vereinbar. Sie würde sich aber in das religionsfreundliche und durch Toleranz
gegenüber allen Religionen geprägte Grundgesetz nicht einfügen.

Der Petitionsausschuss weist daraufhin, dass der Staat – auch als Träger von
schulischen Einrichtungen – verpflichtet ist, auf das friedliche Zusammenleben von
Anhängern unterschiedlicher oder gar gegensätzlicher religiöser und
weltanschaulicher Überzeugungen hinzuwirken. Dazu gehört auch die Vermittlung
des Toleranzgebots an die Schülerinnen und Schüler.

Der Ausschuss hält die geltende Rechtslage für sachgerecht und vermag sich nicht
für eine Gesetzesänderung im Sinne der Petition auszusprechen.
Aus den genannten Gründen kann der Petitionsausschuss das Anliegen nicht
unterstützen und empfiehlt deshalb, das Petitionsverfahren abzuschließen, weil dem
Anliegen nicht entsprochen werden konnte.

Begründung (PDF)


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