Hilfe für Menschen mit Behinderung - Beschluss eines Bundesteilhabegesetzes unter Beachtung der Bestimmungen der UN-Behindertenrechtskonvention

Petent/in nicht öffentlich
Petition richtet sich an
Petitionsausschuss des Deutschen Bundestags
10.085 Unterstützende 10.085 in Deutschland

Der Petition wurde nicht entsprochen

10.085 Unterstützende 10.085 in Deutschland

Der Petition wurde nicht entsprochen

  1. Gestartet 2016
  2. Sammlung beendet
  3. Eingereicht
  4. Dialog
  5. Beendet

Dies ist eine Online-Petition des Deutschen Bundestags.

22.05.2019, 04:23

Pet 3-18-11-2171-034815 Hilfe für Menschen mit Behinderung

Der Deutsche Bundestag hat die Petition am 16.05.2019 abschließend beraten und
beschlossen:

Das Petitionsverfahren abzuschließen, weil dem Anliegen teilweise entsprochen
worden ist.

Begründung

Die Petentin fordert ein Bundesteilhabegesetz, welches die Bestimmungen der
UN-Behindertenrechtskonvention beachtet. Insbesondere ist Menschen mit
Behinderung ausdrücklich eine unabhängige Lebensführung zu garantieren, sowie die
volle und wirksame Teilhabe an der Gesellschaft, insbesondere am politischen und
öffentlichen sowie kulturellen Leben.

Zur Begründung trägt die Petentin vor, dass das Bundesteilhabegesetz (BTHG) den
Anforderungen der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) nicht genüge. Die
Konvention gewährleiste die freie Wahl des Aufenthaltsort und der Wohnform. Diese
Freiheit könne mit dem BTHG aus Kostengründen nicht wahrgenommen werden. Auch
werde durch ein zwangsweises „Poolen“ mit anderen Menschen mit Behinderungen
die individuelle Lebensgestaltung stark eingeschränkt. Daher solle die gemeinsame
Inanspruchnahme von Leistungen die Zustimmung der Leistungsberechtigten
erfordern. Außerdem müsse der Zugang zu Leistungen der Eingliederungshilfe
erleichtert werden. Auf die weiteren Ausführungen der Petentin in der Petition wird
verwiesen.

Es handelt sich um eine Petition, die auf der Internetseite des Deutschen Bundestages
veröffentlicht wurde und zur Diskussion bereitstand. Der Petition schlossen sich
10.101 Mitzeichnende an und es gingen 60 Diskussionsbeiträge ein. Darüber hinaus
gingen 4.953 unterstützende Unterschriften auf dem Postweg ein.

Zu diesem Thema liegen dem Petitionsausschuss weiterhin mehrere Eingaben mit
verwandter Zielsetzung vor, die wegen des Sachzusammenhangs mit dieser Petition
einer gemeinsamen parlamentarischen Prüfung unterzogen werden. Es wird um
Verständnis gebeten, dass möglicherweise nicht alle der vorgetragenen Aspekte im
Einzelnen dargestellt werden.

Aufgrund des Wahlperiodenwechsels konnte die Eingabe erst in der 19. Wahlperiode
des Deutschen Bundestages abschließend durch den Petitionsausschuss behandelt
werden.

Der Petitionsausschuss der 18. Wahlperiode hat zu der Petition gemäß § 109 Abs. 1
Satz 2 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages eine Stellungnahme des
Ausschusses für Arbeit und Soziales des Deutschen Bundestages eingeholt, dem der
„Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von
Menschen mit Behinderungen“ (BT-Drs. 18/9522) sowie die Anträge der Fraktion DIE
LINKE. „Das Teilhaberecht menschenrechtskonform gestalten“ (BT-Drs. 18/10014)
und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN „Mit dem Bundesteilhabegesetz volle
Teilhabe ermöglichen“ (BT-Drs. 18/9672) zur Beratung vorlagen und der hierzu am 7.
November 2016 eine öffentliche Anhörung durchführte.

Der Ausschuss für Arbeit und Soziales der 18. Wahlperiode hatte die Petition in seine
Beratungen miteinbezogen. In ihrer Stellungnahme teilte die Vorsitzende des
Ausschusses für Arbeit und Soziales damals mit, dass mit dem Bundesteilhabegesetz
die gesellschaftliche Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit
Behinderungen deutlich gestärkt und so die Ziele der UN-BRK weiter umgesetzt
würden. Es seien finanzielle Verbesserungen vorgesehen, der Zugang zur
Eingliederungshilfe werde erleichtert sowie das Wunsch- und Wahlrecht der
Betroffenen in Bezug auf Wohnform und Assistenzleistungen stärker berücksichtigt.

Der Ausschuss für Arbeit und Soziales befasste sich am 30. November 2016
abschließend mit dem Gesetzentwurf und empfahl Änderungen in erheblichem
Umfang (Änderungsanträge der Koalitionsfraktionen auf der Ausschussdrucksache
18(11)857).

Der Petitionsausschuss weist darauf hin, dass der 18. Deutsche Bundestag in seiner
206. Sitzung am 1. Dezember 2016 den Gesetzentwurf auf Drs. 18/9522 in der
Fassung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Arbeit und
Soziales (Drs. 18/10523) angenommen und oben aufgeführten Anträge der Fraktionen
DIE LINKE. und von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN abgelehnt hat (vgl. Plenarprotokoll
18/206). Das Gesetz vom 23. Dezember 2016 (BGBl. 2016 Teil I Nr. 66) ist am 1.
Januar 2017 in Kraft getreten.
Alle erwähnten Drucksachen und das Plenarprotokoll der Plenardebatte können im
Internet unter www.bundestag.de eingesehen werden.

Zu dem vorgetragenen Anliegen sowie weiteren Petitionen wurde in der
18. Wahlperiode zudem am 28. September 2016 ein erweitertes
Berichterstattergespräch des Petitionsausschusses mit Vertretern der
Bundesregierung – dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) – sowie
Vertretern der Behindertenbeauftragten der Bundesregierung geführt. An dem
Gespräch nahmen mehrere Petenten persönlich teil. Der Ausschuss für Arbeit und
Soziales hat die Ergebnisse des Berichterstattergesprächs in seine Beratungen
miteinbezogen.

Der Petitionsausschuss hat die Bundesregierung in der 19. Wahlperiode erneut
gebeten, eine aktuelle Stellungnahme abzugeben.

Unter Berücksichtigung der Stellungnahmen der Bundesregierung sieht das Ergebnis
der parlamentarischen Prüfung folgendermaßen aus:

Mit dem BTHG hat der Deutsche Bundestag wichtige Verbesserungen für die Situation
von Menschen mit Behinderungen beschlossen. So wird den Bestimmungen der
UN-BRK Rechnung getragen und die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben sowie die
Unabhängigkeit und Eigenständigkeit gefördert. Der Petitionsausschuss begrüßt diese
wichtigen Reformen. Der Petitionsausschuss weist darauf hin, dass die Regelungen
der §§ 90 bis 122 und §§ 135 bis 150 SGB IX n.F. erst am 1.1.2020 in Kraft treten.

Hinsichtlich der Wohnform wurde das Wunsch- und Wahlrecht der Betroffenen
gestärkt. § 104 Abs. 3 Satz 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IX) misst
der gewünschten Wohnform im Rahmen der Zumutbarkeitsprüfung besondere
Bedeutung zu. Zudem wird zum Ausdruck gebracht, dass die individuelle
Lebenssituation von Menschen mit Behinderungen im Rahmen der
Angemessenheitsprüfung nachdrücklich und eigens gewürdigt werden soll. Der neu
eingefügte § 104 Abs. 3 Satz 3 SGB IX fördert ausdrücklich solche Wohnformen, in
denen nicht ausschließlich Menschen mit Behinderungen betreut werden. So wird dem
Inklusionsgedanken der UN-BRK Rechnung getragen und Menschen mit
Behinderungen ein möglichst selbstbestimmtes Wohnen in der eigenen Wohnung oder
in inklusiv ausgerichteten Wohnangeboten für Menschen mit und ohne Behinderungen
ermöglicht. In Bezug auf die gemeinsame Inanspruchnahme von Assistenzleistungen
wird durch den neu eingeführten § 104 Abs. 3 Satz 4 SGB IX die Privatsphäre der
Betroffenen berücksichtigt und ihr eine große Bedeutung beigemessen.
Durch das BTHG wurde außerdem der § 116 Abs. 2 SGB IX eingeführt, der eine
gemeinsame Inanspruchnahme von bestimmten, besonders kostenintensiven
Leistungen wie z.B. Fahrdiensten und Schulassistenten vorsieht. Neben finanziellen
Erleichterungen bietet die gemeinsame Inanspruchnahme auch soziale Vorteile und
kann daher fachlich geboten sein. Stets wird der oder die Leistungsberechtigte auf
Augenhöhe an der Entscheidung über eine gemeinsame Inanspruchnahme beteiligt.
Auch muss die gemeinsame Inanspruchnahme zumutbar sein. Ein
Zustimmungsvorbehalt zugunsten der Leistungsberechtigten ist hingegen nicht
vorgesehen. Für die Leistungsträger ist die Möglichkeit der gemeinsamen
Inanspruchnahme von Leistungen auch ein Steuerungsinstrument. Ein
Zustimmungsvorbehalt würde die Ermessensausübung ins Leere laufen lassen. Im
Hinblick auf die Funktionsfähigkeit und Finanzierbarkeit des Leistungssystems hält der
Petitionsausschuss die Steuerung der Leistungserbringung durch die Träger jedoch
für unumgänglich. Daher kann er die Forderung der Petentin nach einem
Zustimmungsvorbehalt nicht unterstützen.

Schließlich wurden durch das BTHG auch die Zugangskriterien zu Leistungen der
Eingliederungshilfe im Sinne der Petentin verändert. Zunächst werden in einer
wissenschaftlichen Untersuchung neue Kriterien entwickelt, die anschließend in
Modellregionen überprüft werden. Danach sollen sie durch ein Bundesgesetz
beschlossen werden. Hierbei wird darauf geachtet, dass der Zugang gegenüber dem
geltenden Recht weder eingeschränkt noch ausgeweitet wird.

Nach Auffassung des Petitionsausschusses stellen die beschlossenen Reformen
einen wichtigen Schritt dar, um die Vorgaben der UN-BRK umzusetzen. Er begrüßt
das Engagement der Petentin, die mit ihrer Eingabe einen wichtigen Beitrag zu dem
Gesetzesvorhaben geleistet hat. Sofern sie Verbesserungen hinsichtlich des
Wunsch- und Wahlrechts bezüglich der Wohnform sowie hinsichtlich des Zugangs zur
Eingliederungshilfe begehrt, hält der Petitionsausschuss die durch das BTHG
eingeführten Gesetzesänderungen für geeignet, den Forderungen der Petentin
nachzukommen. Darüber hinaus sieht er vor dem Hintergrund der obigen
Ausführungen keine Möglichkeit, im Sinne der Petentin tätig zu werden.

Der Petitionsausschuss empfiehlt daher, das Petitionsverfahren abzuschließen, da
dem Anliegen teilweise entsprochen worden ist.

Der von den Fraktionen der FDP, DIE LINKE. und von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
gestellte Antrag, die Petition der Bundesregierung – dem Bundesministerium für Arbeit
und Soziales – zur Berücksichtigung zu überweisen, und den Fraktionen des
Deutschen Bundestages zur Kenntnis zu geben, ist mehrheitlich abgelehnt worden.

Begründung (PDF)


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