Region: Germany

Insolvenzrecht - Streichung des insolvenzanfechtungsrechtlichen Tatbestands der Vorsatzanfechtung

Petitioner not public
Petition is directed to
Deutschen Bundestag
113 supporters 113 in Germany

The petition is denied.

113 supporters 113 in Germany

The petition is denied.

  1. Launched 2015
  2. Collection finished
  3. Submitted
  4. Dialogue
  5. Finished

Dies ist eine Online-Petition des Deutschen Bundestags.

09/14/2017, 04:22

Pet 4-18-07-311-017560

Insolvenzrecht


Der Deutsche Bundestag hat die Petition am 05.09.2017 abschließend beraten und
beschlossen:

Das Petitionsverfahren abzuschließen, weil dem Anliegen entsprochen worden ist.

Begründung

Der Petent begehrt eine Streichung des insolvenzanfechtungsrechtlichen
Tatbestands der Vorsatzanfechtung, hilfsweise dessen Überarbeitung.
Zur Begründung wird vorgetragen, § 133 Abs. 1 der Insolvenzordnung (InsO)
ersatzlos zu streichen oder hilfsweise zu überarbeiten. Die Vorschrift ermögliche die
Anfechtung von Rechtshandlungen, die der Schuldner in den letzten zehn Jahren vor
dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag mit
dem Vorsatz, seine Gläubiger zu benachteiligen, vorgenommen habe, wenn der
Anfechtungsgegner zur Zeit der Handlung den Vorsatz des Schuldners gekannt
habe. Diese Kenntnis werde vermutet, wenn der Anfechtungsgegner wusste, dass
die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners drohte und dass die Handlung die Gläubiger
benachteiligte. Ihm seien Fälle bekannt, bei denen der bloße Umstand, dass
vertraglich geschuldete Zahlungen in einer langjährigen Geschäftsbeziehung
angemahnt werden mussten, dazu geführt habe, dass dem Gläubiger die Kenntnis
der drohenden Zahlungsunfähigkeit des Schuldners unterstellt worden sei. In der
Folge sei es zu Rückforderungen gekommen, die selbst gesunde Unternehmen in
beträchtliche finanzielle Schwierigkeiten gebracht hätten. Die Vorschrift des § 133
Abs. 1 InsO sei in ihrer derzeitigen Fassung daher mittelstandsfeindlich. Er stößt sich
insbesondere an der Vermutungsregel für die Kenntnis des Anfechtungsgegners vom
schuldnerischen Gläubigerbenachteiligungsvorsatz.
Die Eingabe wurde als öffentliche Petition auf der Internetseite des
Petitionsausschusses eingestellt. Sie wurde von 113 Mitzeichnern unterstützt.
Außerdem gingen 7 Diskussionsbeiträge ein.

Dem Petitionsausschuss liegen zu diesem Thema mehrere Eingaben mit verwandter
Zielsetzung vor, die wegen des Sachzusammenhangs einer gemeinsamen
parlamentarischen Prüfung unterzogen werden. Es wird um Verständnis gebeten,
dass nicht auf alle der vorgetragenen Aspekte im Einzelnen eingegangen werden
kann.
Zwei Petenten fordern, nicht nur § 133 InsO, sondern auch § 143 InsO
(Rechtsfolgen) bzw. §§ 133 bis 143 InsO zu ändern.
Der Petitionsausschuss hat der Bundesregierung Gelegenheit gegeben, ihre Haltung
zu der Eingabe darzulegen.
Zudem berücksichtigte der Petitionsausschuss die Stellungnahme des Ausschusses
für Recht und Verbraucherschutz nach § 109 der Geschäftsordnung des Deutschen
Bundestages, die unter anderem nach Durchführung einer öffentlichen Anhörung von
Sachverständigen am 24. Februar 2016 vorgelegt wurde (vgl. hierzu Bericht und
Beschlussempfehlung des Ausschusses, Bundestagsdrucksache 18/11199). Das
Plenum des Deutschen Bundestages befasste sich mit dem sachgleichen Thema
und beriet hierüber ausführlich (Protokoll der Plenarsitzung 18/218 vom 16. Februar
2017).
Das Ergebnis der parlamentarischen Prüfung lässt sich insbesondere unter
Einbeziehung der seitens der Bundesregierung sowie des zuständigen
Fachausschusses angeführten Aspekte wie folgt zusammenfassen:
Das Insolvenzverfahren stellt ein besonderes Verfahren dar für den Fall, dass eine
Person in Vermögensverfall gerät und ihre Verbindlichkeiten in einem bestimmten
Umfang nicht mehr bedienen kann. Geprägt ist das Insolvenzverfahren von dem
Gedanken, das noch vorhandene Vermögen des Schuldners gleichmäßig auf alle
Gläubiger zu verteilen. Dieser Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung hat zur
Folge, dass zwar der einzelne Gläubiger regelmäßig nur hinsichtlich eines kleinen
Teils seiner Forderung befriedigt wird, das verbliebene Vermögen jedoch unter allen
Gläubigern zur Aufteilung gelangt.
Dieses Zurücktreten des einzelnen Gläubigers hinter die Gemeinschaft hat weiterhin
zur Folge, dass bestimmte individuelle Handlungen, welche der
Forderungsbefriedigung dienen, verboten und im Ergebnis rechtlich unwirksam sind.
Das betrifft u. a. Maßnahmen der Einzelzwangsvollstreckung, weil sie den eingangs
genannten Zweck der gemeinschaftlichen Gläubigerbefriedigung unterlaufen. In

diesem Zusammenhang bestimmt § 89 der Insolvenzordnung (InsO), dass
Zwangsvollstreckungen für einzelne Insolvenzgläubiger während der Dauer des
Insolvenzverfahrens unzulässig sind. Ergänzend bestimmt § 88 InsO, dass durch
eine Zwangsvollstreckungsmaßnahme erlangte Sicherungen (Pfandrechte etc.) mit
Verfahrenseröffnung unwirksam sind, wenn diese Sicherungen im letzten Monat vor
dem Eröffnungsantrag oder nach diesem Antrag erlangt wurden. Im Falle einer
Forderungspfändung erlischt danach das mit der Zwangsvollstreckung begründete
Pfändungspfandrecht, so dass hier eine (auch teilweise) Einziehung der Forderung
unwirksam ist. Ergänzend kann das Insolvenzgericht im
Insolvenzeröffnungsverfahren (dem Zeitraum zwischen Antragstellung und
Insolvenzeröffnung) gemäß § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 InsO Maßnahmen der
Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner untersagen oder einstweilen einstellen,
soweit nicht unbewegliche Gegenstände betroffen sind. Schließlich unterliegt eine
durch Zwangsvollstreckung innerhalb der letzten drei Monate vor dem
Eröffnungsantrag erlangte Sicherung oder Befriedigung der Insolvenzanfechtung
nach § 131 InsO. Das heißt, der Insolvenzverwalter muss die jeweilige
Zwangsvollstreckungsmaßnahme anfechten.
Folge der Anfechtung nach § 131 InsO ist, dass die Zahlungen, die durch
Zwangsvollstreckung erlangt wurden, vom Empfänger an die Insolvenzmasse
zurückzugewähren sind. Eine solche Rückgewährpflicht gilt auch für die Zahlungen,
die aufgrund einer unwirksamen Vollstreckung im Insolvenzverfahren (§ 89 InsO), im
Insolvenzeröffnungsverfahren (§ 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 InsO) sowie unmittelbar vor
dem Antrag auf Verfahrenseröffnung (§ 88 InsO) erlangt wurden.
Die Durchsetzung dieser Rückgewährpflicht obliegt im Insolvenzverfahren dem
Insolvenzverwalter, da er für die Durchführung des Verfahrens und damit auch für die
Insolvenzmasse verantwortlich ist. Er trägt dafür Sorge, dass alle Vermögenswerte,
die nach der Insolvenzordnung der Insolvenzmasse zuzurechnen sind, dieser auch
zugeführt werden, weil die Insolvenzmasse letztlich der Befriedigung der Gläubiger
dient. Je werthaltiger die Insolvenzmasse ist, desto höher fällt die Befriedigung jedes
einzelnen Gläubigers aus. Die Rückführung von Vermögenswerten in die
Insolvenzmasse dient daher nicht dem Schutz des Schuldners, sondern dem
eingangs dargelegten Zweck der bestmöglichen Gläubigergleichbehandlung und
Gläubigerbefriedigung.

Dem Petitionsausschuss ist bewusst, dass die Insolvenzanfechtung nicht immer
interessengerecht ist. Um einen angemessenen Ausgleich zwischen den
Insolvenzgläubigern und denjenigen zu schaffen, gegen die sich
insolvenzanfechtungsrechtliche Ansprüche richten, hat die Bundesregierung einen
Gesetzesentwurf zur Verbesserung der Rechtssicherheit bei Anfechtungen nach der
Insolvenzordnung vorgelegt (Bundestagsdrucksache 18/7054). Der Ausschuss für
Recht und Verbraucherschutz hat den Gesetzentwurf in seiner 130. Sitzung am
15. Februar 2017 abschließend beraten und mit den Stimmen der Fraktionen
CDU/CSU, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Stimmenthaltung der Fraktion
DIE LINKE. dessen Annahme in geänderter Fassung empfohlen. Der Deutsche
Bundestag hat den Gesetzentwurf in seiner Sitzung am 16. Februar 2017 in
geänderter Fassung angenommen.
Das Gesetz verfolgt das Ziel, den Wirtschaftsverkehr von Rechtsunsicherheiten zu
entlasten, die von der derzeitigen Praxis des Insolvenzanfechtungsrechts ausgehen.
Die Möglichkeiten der Insolvenzanfechtung wurden punktuell neu justiert, um
übermäßige Belastungen des Rechtsverkehrs zu vermeiden. Dies betrifft auch und
gerade die Vorsatzanfechtung: Für Erfüllungsleistungen und andere
Deckungshandlungen ist der Anfechtungszeitraum von zehn auf vier Jahre verkürzt
wurden (§ 133 Absatz 2 InsO). Für geschuldete Leistungen (sog. kongruente
Deckungen) ist die gesetzliche Vermutung der Kenntnis des Anfechtungsgegners
vom schuldnerischen Benachteiligungsvorsatz abgeschwächt worden. Die
Vermutung ist künftig an die Kenntnis der tatsächlich eingetretenen (statt bisher: der
nur drohenden) Zahlungsunfähigkeit des Schuldners angeknüpft (§ 133 Absatz 3
Satz 1 InsO). Die Bitte des Schuldners um eine verkehrsübliche
Zahlungserleichterung für sich genommen kann nicht mehr zum Anknüpfungspunkt
für eine Vorsatzanfechtung gemacht werden (§ 133 Absatz 3 Satz 2 Nummer 2
InsO).
Als Folge einer Insolvenzanfechtung ist der Insolvenzmasse grundsätzlich nur das
zurück zu gewähren, was ihr durch die anfechtbare Handlung entzogen wurde.
Demgegenüber begründen die Zinsansprüche eine weitergehende Bereicherung der
Insolvenzmasse, welche nur dann gerechtfertigt werden kann, wenn der
Anfechtungsgegner seiner Verantwortung im Hinblick auf einen tatsächlich geltend
gemachten Rückgewähranspruch nicht nachkommt. Die Änderung im § 143 InsO
stärkt damit die Rechtsstellung des Anfechtungsgegners.

Der Petitionsausschuss empfiehlt deshalb, das Petitionsverfahren abzuschließen,
weil dem Anliegen entsprochen worden ist.

Begründung (PDF)


Help us to strengthen citizen participation. We want to support your petition to get the attention it deserves while remaining an independent platform.

Donate now