Internet - Verbot des Online-Verkaufs von Korrektionsbrillen

Petent/in nicht öffentlich
Petition richtet sich an
Deutschen Bundestag
1.315 Unterstützende 1.315 in Deutschland

Der Petition wurde nicht entsprochen

1.315 Unterstützende 1.315 in Deutschland

Der Petition wurde nicht entsprochen

  1. Gestartet 2012
  2. Sammlung beendet
  3. Eingereicht
  4. Dialog
  5. Beendet

Dies ist eine Online-Petition des Deutschen Bundestags.

29.08.2017, 16:54

Pet 2-17-15-82714-038791

Hilfsmittel/Heilmittel


Der Deutsche Bundestag hat die Petition am 19.03.2015 abschließend beraten und
beschlossen:

Das Petitionsverfahren abzuschließen, weil dem Anliegen nicht entsprochen werden
konnte.

Begründung

Mit der Petition soll ein Verbot für den Online-Verkauf im Internet von
Korrektionsbrillen erreicht werden.
Zur Begründung wird ausgeführt, die individuell gefertigten Korrektionsbrillen seien
Produkte nach dem Medizinproduktegesetz und würden entsprechenden
Regelungen unterliegen. Individuell gefertigte Korrektionsbrillen seien Hilfsmittel im
Sinne des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) und bedürfen spezieller
Fachkenntnisse und Qualifikationen zu deren Auswahl, Fertigung und Anpassung.
Aus dem Kontext der genannten Gesetze ergebe sich, dass individuell gefertigte
Korrektionsbrillen nicht sach- und fachgerecht über das Internet ausgewählt, gefertigt
und abgegeben werden könnten. Durch diesen schwerwiegenden Mangel bestehe
ein unkalkulierbar hohes Risiko für die Volksgesundheit und für den öffentlichen
Straßenverkehr.
Zu den Einzelheiten des Vortrages des Petenten wird auf die von ihm eingereichten
Unterlagen verwiesen.
Die Eingabe war als öffentliche Petition auf der Internet-Seite des Deutschen
Bundestages eingestellt. Es gingen 1.315 Mitzeichnungen sowie
1.666 Diskussionsbeiträge ein.
Zu diesem Thema liegen dem Petitionsausschuss weitere Eingaben mit verwandter
Zielsetzung vor, die wegen des Sachzusammenhangs einer gemeinsamen
parlamentarischen Prüfung zugeführt werden. Der Ausschuss bittet daher um

Verständnis, dass nicht auf alle vorgetragenen Gesichtspunkte eingegangen werden
kann.
Das Ergebnis der parlamentarischen Prüfung stellt sich auf der Grundlage von
Stellungnahmen der Bundesregierung wie folgt dar:
Eine Untersagung des Internet-Handels mit individuell gefertigten Korrektionsbrillen
ist nur möglich, wenn dieses mit der bestehenden nationalen und europäischen
Gesetzgebung sowie der aktuellen Rechtsprechung vereinbar ist. Der Europäische
Gerichtshof (EuGH) hat am 02.12.2010 eine Entscheidung zum Internet-Vertrieb von
Kontaktlinsen gefällt (Az.: C – 108/09). Danach sind die Artikel 34 und 36 des
Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) sowie die Richtlinie
2000/31/EG über den elektronischen Geschäftsverkehr dahin auszulegen, dass sie
einer nationalen Regelung entgegenstehen, wonach Kontaktlinsen nur in
Fachgeschäften für medizinische Hilfsmittel vertrieben werden dürfen.
Kontaktlinsen und Brillen sind als Medizinprodukte einzustufen, sofern sie zur
Sehkorrektur dienen. Bestehende deutsche Reglementierungen zur Untersagung,
sowohl aus der Handwerksordnung als auch aus dem Medizinproduktegesetz, sind
unter Berücksichtigung von Artikel 12 Abs. 1 Grundgesetz (GG) zu würdigen.
Artikel 12 GG schützt die Berufsfreiheit und somit auch die Freiheit zum Wettbewerb.
Einschränkungen dieses Rechts bedürfen einer verfassungsmäßigen Rechtfertigung,
welche anhand der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit der entsprechenden
Einschränkung gemessen wird.
Soweit mit der Petition davon ausgegangen wird, dass durch den Internet-Handel
von nicht sach- und fachgerecht angepassten, individuell gefertigten
Korrektionsbrillen ein unkalkulierbar hohes Risiko für die Volksgesundheit bestehe,
wies die Bundesregierung auf Folgendes hin:
Bei einem tatsächlich derart hohen Risiko müssten entsprechende Vorkommnisse
beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) gemeldet worden
sein. Dem BfArM liegen nach Aussage der Bundesregierung gegenüber dem
Petitionsausschuss indes keine Vorkommnismeldungen im Zusammenhang mit der
in der Petition beschriebenen Problematik des Internet-Handels von individuell
gefertigten Korrektionsbrillen vor.
Auch weitere Quellen deuten nicht darauf hin, dass über das Internet vertriebene,
individuell gefertigte Korrektionsbrillen zu schwerwiegenden Gesundheitsschäden

geführt haben. So hat z. B. der Zentralverband der Augenoptiker (ZVA) in seiner
Stellungnahme vom September 2010 zur Überarbeitung der Verordnungen über
Vertriebswege und die Verschreibungspflicht von Medizinprodukten zwei Gutachten
beigefügt. In diesen Gutachten wird auf die Möglichkeit von eingeschränktem
Sehkomfort, Kopfschmerzen oder ggf. einer Belastung der Halswirbelsäule und
Nackenmuskulatur hingewiesen, es werden indes keine konkreten, belegbaren Fälle
genannt. Eine unter bestimmten Bedingungen verminderte Sehschärfe und
Einschränkung des horizontalen Gesichtsfeldes werden bei schlecht angepassten
Gleitsichtbrillen als theoretisch mögliche Ursachen für eine erhöhte Unfallgefahr
aufgeführt, wiederum ohne konkrete Nachweise. Der Landesinnungsverband des
Augenoptikerhandwerks in Niedersachsen und Bremen führt in seiner Stellungnahme
vom Juni 2012 zur Petition aus: "Des Weiteren gibt es keine Gutachten oder Studien,
die eine pauschale Gesundheitsgefahr oder erhöhte Unfallhäufigkeit durch das
Tragen von Internet-Brillen wissenschaftlich untermauern könnten." Auch der ZVA
unterstützt die vorliegende Petition nicht, da der ZVA-Vorstand bereits 2010
entschieden hat, "nicht gegen den Vertrieb von Korrektionsbrillen per Internet
vorzugehen. Stattdessen sollten nur Auswüchse in der Werbung von Internet-
Händlern bekämpft werden".
In der Gesamtschau der deutschen und europäischen Rechtslage ergibt sich nach
Aussage der Bundesregierung daher, dass eine Untersagung des Handels und des
Vertriebes von individuell gefertigten Korrektionsbrillen über das Internet oder sog.
Online-Shops nicht möglich ist.
Soweit mit ergänzendem Vortrag auf das Medizinproduktegesetz sowie die
Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Durchführung des Medizinproduktegesetzes
verwiesen wird, weist der Petitionsausschuss auf Folgendes hin:
Nach § 26 Abs. 1 Medizinproduktegesetz unterliegen Betriebe und Einrichtungen mit
Sitz in Deutschland der Überwachung durch die zuständigen Behörden. Sowohl
Betriebe und Einrichtungen als auch Personen bzw. Sponsoren, die geschäftsmäßig
mit der Herstellung, klinischen Prüfung, Leistungsbewertung und dem Verpacken,
Ausstellen, Inverkehrbringen, Errichten, Betreiben, Anwenden und Aufbereiten von
Medizinprodukten befasst sind, sind zu überwachen.
Nach § 26 Abs. 2 Medizinproduktegesetz trifft die zuständige Behörde alle zur
Beseitigung festgestellter und zur Verhütung künftiger Verstöße notwendigen

Maßnahmen, um Mängel zu beseitigen. Dabei hat sie zu prüfen, ob die
Voraussetzungen des Medizinproduktegesetzes zum Inverkehrbringen von
Medizinprodukten erfüllt sind.
Die "Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Durchführung des Medizinproduktegeset-
zes (MPGVwV)" vom 18.05.2012 dient als Durchführungsverordnung der konkreten
inhaltlichen Umsetzung der in § 26 Medizinproduktegesetz festgelegten
Überwachungspflichten der zuständigen Behörden. Die MPGVwV trat am 01.01.2013
in Kraft. Die Länder werden durch die Verwaltungsvorschrift u. a. dazu verpflichtet,
sich auf ein Rahmenüberwachungsprogramm zu verständigen. Die Überwachung
erfolgt durch anlassbezogene und routinemäßige Inspektionen der Örtlichkeiten und
der Überprüfung von Medizinprodukten. Die anlassbezogenen Inspektionen und
Überprüfungen werden bei Verdacht über mögliche Gefährdungen durch
Medizinprodukte durchgeführt.
Die routinemäßigen Kontrollen, zu denen auch die des Regierungspräsidiums
Stuttgart vom 01.10.2012 gehört, sind auch jetzt schon Bestandteil des staatlichen
Marktüberwachungssystems. Hierbei handelt es sich um sog. risikoabgestufte
Überwachung auf Stichprobenbasis.
Sofern ein Internet-Händler von Brillen seinen Sitz in Deutschland hat und
Korrektionsbrillen in den Verkehr bringt oder herstellt, unterliegt auch dieser Betrieb
der Überwachung durch die zuständigen Landesbehörden gemäß § 26
Medizinproduktegesetz. Insoweit handelt es sich um eine nationale Vorschrift. Die
anderen Länder können im Detail ggf. abweichende Regelungen schaffen. Die
Marktüberwachung ist aber durch die EU-Verordnung Nr. 765/2008 des
Europäischen Parlaments und Rates vom 09.07.2008 über die Vorschriften für die
Akkreditierung und Marktüberwachung im Zusammenhang mit der Vermarktung von
Produkten und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 339/93 des Rates in allen
Mitgliedstaaten durchzuführen.
Hinsichtlich des vom Petenten übersandten Urteils des Landgerichts Kiel vom
30.10.2012, 16 O 20/11, wies die Bundesregierung auf Folgendes hin:
Im o.g. Urteil wurde vom Landgericht Kiel Folgendes entschieden:
"1. Wirbt ein Internetanbieter mit der Werbeaussage 'Immer in erstklassiger Optiker-
Qualität', erweckt er beim Verbraucher die Vorstellung, dieser erhalte die
Brillenqualität, die er auch bei einem erstklassigen Optiker erhalten könnte.

2. Dem Internetanbieter stehen im Gegensatz zu einem Optiker vor Ort in der Regel
nicht alle Daten zur Verfügung, die zur Herstellung einer Brille in erstklassiger
Optiker-Qualität erforderlich sind."
Im Übrigen führte das Landgericht u.a. aus:
"Aus dem Gutachten des Sachverständigen Prof. ... ergibt sich zur Überzeugung der
Kammer, dass die Beklagte ungeachtet des Einsatzes moderner CNC-Fräsen und
der Überwachung ihrer Herstellung durch eine Optikermeisterin und anderes
Fachpersonal Korrektionsbrillen nicht immer in erstklassiger Optiker-Qualität
herzustellen vermag. Diese Feststellung lässt sich auch ohne eine nähere
Überprüfung der konkret von der Beklagten angefertigten Brillen treffen. Nach dem
Sachverständigengutachten stehen der Beklagten im Gegensatz zu einem
erstklassigen Optiker in der Regel nicht alle Daten zur Verfügung, die zur Herstellung
einer Brille in erstklassiger Optiker-Qualität erforderlich sind. Sie kann eine
erstklassige Optiker-Qualität demnach insbesondere in den vom Sachverständigen
Prof. ... genannten kritischen Fällen allenfalls zufällig erreichen. Nach allgemeiner
Lebenserfahrung ist auszuschließen, dass die Beklagte in jedem dieser Fälle zufällig
eine Brille in erstklassiger Optiker-Qualität hergestellt hat und in Zukunft herstellen
wird. …
Unerheblich ist auch, ob mehr oder weniger Optiker vor Ort auch nicht stets alle nach
dem Sachverständigengutachten erforderlichen Daten ermitteln. Denn die Beklagte
hat in ihrer streitgegenständlichen Werbung nicht den Vergleich mit einem
durchschnittlichen oder gar unterdurchschnittlichen Optiker vor Ort gewählt, sondern
den mit einem „erstklassigen“ Optiker. Dieser ermittelt alle erforderlichen Daten, und
das begründet nach den Ausführungen des Sachverständigen Prof. ... eine
wesentlich höhere Gewähr für eine erstklassige Qualität der Brillen.
Auch damit lässt sich zwar nicht immer ausschließen, dass eine Brille im Einzelfall
einmal nicht verträglich ist. Dies ändert jedoch nichts daran, dass die Formulierung
'Immer in erstklassiger Optiker-Qualität' beim Verbraucher die Erwartung weckt, die
Beklagte berücksichtige bei der Brillenherstellung zumindest all das, was ein
erstklassiger Optiker berücksichtigt, und diese Erwartung erfüllt die Beklagte nicht.
Deshalb ist ihre streitgegenständliche Werbung irreführend im Sinne von § 5 Abs. 1
S. 2 Nr. 1 UWG." …

Vom Landgericht wird die pauschale Aussage des Petenten, dass "die sogenannten
Internet-Brillen Kopfschmerzen, Unwohlsein, Schwindel und tränende Augen
auslösen können"…, nicht bestätigt. Eine derartige Schlussfolgerung wird vom
Gericht nicht gezogen.
Im Übrigen wies die Bundesregierung in ihrer ergänzenden Stellungnahme auf
Folgendes hin:
Erfüllen Medizinprodukte wie zum Beispiel Sehhilfen die in der Europäischen
Richtlinie 92/43/EWG über Medizinprodukte vorgegebenen grundlegenden
Anforderungen, so gibt es keine diesbezüglichen europäischen oder nationalen
Vorschriften; dass diese Produkte nicht über das Internet vertrieben werden dürften.
Eine diesbezügliche Regelung ist auch nicht vorgesehen. Im Zusammenhang mit
einer vorgesehenen Abgaberegelung für bestimmte Medizinprodukte hat die
Kommission im Zusammenhang mit dem Notifizierungsverfahren wie folgt
ausgeführt: "... Diesbezüglich werden die deutschen Behörden daran erinnert, dass
solche Maßnahmen, wenn sie wie hier Einschränkungen zur Folge haben (zum
Beispiel für den Internet-Handel), einen Verstoß gegen die Bestimmung des freien
Warenverkehrs gemäß EU-Vertrag (Artikel 34 AEUV) darstellen können. ..."
Abschließend wies die Bundesregierung erneut darauf hin, dass dem BfArM, das für
die Erfassung und Bewertung von Vorkommnissen mit Medizinprodukten zuständig
ist, auch keine Meldungen im Zusammenhang mit durch den Internethandel
bezogenen Brillen vorliegen.
Vor dem Hintergrund des Dargelegten kann der Petitionsausschuss nicht in Aussicht
stellen, im Sinne des in der Petition vorgetragenen Anliegens tätig zu werden. Er
empfiehlt daher, das Petitionsverfahren abzuschließen.

Begründung (PDF)


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