Jugendschutz - Verbot des Ohrlochstechens/-schießens bei Kindern bis zum vollendeten 14. Lebensjahr/Einverständniserklärung der Eltern

Petent/in nicht öffentlich
Petition richtet sich an
Deutschen Bundestag
401 Unterstützende 401 in Deutschland

Der Petition wurde nicht entsprochen

401 Unterstützende 401 in Deutschland

Der Petition wurde nicht entsprochen

  1. Gestartet 2015
  2. Sammlung beendet
  3. Eingereicht
  4. Dialog
  5. Beendet

Dies ist eine Online-Petition des Deutschen Bundestags.

06.07.2016, 12:15

Pet 4-18-07-451-022435



Besonderer Teil des Strafgesetzbuches



Der Deutsche Bundestag hat die Petition am 09.06.2016 abschließend beraten und

beschlossen:



Das Petitionsverfahren abzuschließen, weil dem Anliegen nicht entsprochen werden

konnte.

Begründung



Die Petentin fordert, dass in Deutschland das Ohrlochstechen/Ohrlochschießen bei

Kindern bis zum vollendeten 14. Lebensjahr gesetzlich untersagt wird. Bis zum

Erlangen der Volljährigkeit muss zudem eine Einverständniserklärung der Eltern

vorliegen.

Zur Begründung trägt die Petentin im Wesentlichen vor, dass das Stechen von

Ohrlöchern einen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht und die körperliche

Unversehrtheit des Kindes darstelle. Es sei zu beanstanden, dass insbesondere im

Säuglings- und Kleinkindalter allein die Eltern entscheiden, ob ihrem Kind Ohrlöcher

gestochen werden, obwohl diese medizinisch nicht notwendig seien, und zudem

schmerzhafte Entzündungen verursachen könnten, die während des gesamten

Lebens — wiederholt — auftreten könnten. Außerdem sei die Zeichnung der

Ohrläppchen irreversibel. Erst ab einem Alter von circa 14 Lebensjahren sei das Kind

selbst in der Lage, die Tragweite der Entscheidung des Stechenlassens von

Ohrlöchern vollumfänglich zu erfassen. Daher sei allgemein erst ab diesem Zeitpunkt

das Stechenlassen von Ohrlöchern zu erlauben, wobei eine elterliche Einwilligung

erforderlich sei.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten zu dem Vorbringen wird auf die eingereichten

Unterlagen verwiesen.

Die Eingabe wurde als öffentliche Petition auf der Internetseite des Deutschen

Bundestages eingestellt und dort diskutiert. Sie wurde von 401 Mitzeichnern

unterstützt, und es gingen 53 Diskussionsbeiträge ein.



Der Petitionsausschuss hat der Bundesregierung Gelegenheit gegeben, ihre Haltung

zu der Eingabe darzulegen. Das Ergebnis der parlamentarischen Prüfung lässt sich

unter anderem unter Einbeziehung der seitens der Bundesregierung angeführten

Aspekte wie folgt zusammenfassen:

Wie die Bundesregierung in ihrer Stellungnahme bereits zutreffend ausgeführt hat,

sind nach dem Grundgesetz (GG) Pflege und Erziehung der Kinder das natürliche

Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht (Artikel 6 Absatz 2 GG).

Es ist also in erster Linie die Aufgabe der Eltern, für das Wohlergehen und den Schutz

ihrer Kinder zu sorgen. Wenn die Eltern ihrer Aufgabe aber nicht nachkommen, dann

tragen auch Staat und Gesellschaft Verantwortung für ein Kind.

Eingriffe in das Elternrecht werden vom Gesetz mit Rücksicht auf Artikel 6 Absatz 2 GG

an strenge Voraussetzungen geknüpft. Sie sind nach § 1666 des Bürgerlichen

Gesetzbuchs (BGB) nur aufgrund einer gerichtlichen Entscheidung und nur dann

zulässig, wenn das körperliche, geistige oder seelische Wohl des Kindes gefährdet ist

und die Eltern nicht gewillt oder in der Lage sind, die Gefahr abzuwenden.

Die Definition des Kindeswohls obliegt in erster Linie den Eltern im Rahmen ihrer

primären Erziehungsverantwortung. Nach unserer Rechtsordnung darf der Staat nur

bei einer Gefährdung des Kindeswohls eingreifen. Unter einer Gefährdung des

Kindeswohls versteht die Rechtsprechung „eine gegenwärtige, in einem solchen Maße

vorhandene Gefahr, dass sich bei der weiteren Entwicklung eine erhebliche

Schädigung mit ziemlicher Sicherheit voraussehen lässt". Ob das Stechen von

Ohrlöchern eine solche Gefahr begründet, ist aufgrund der Umstände des jeweiligen

Einzelfalls zu beurteilen. Unabhängige Gerichte wachen darüber, ob ein bestimmtes

Verhalten der Eltern eine Gefährdung des Kindeswohls begründet oder nicht.

Nur in wenigen Ausnahmefällen wird den Eltern ihre primäre Entscheidungskompetenz

über ihr Kind von vornherein gesetzlich aberkannt: Beispielsweise können Eltern nach

§ 1631c Satz 1 BGB in eine Sterilisation des Kindes nicht einwilligen. Der Anlass für

diese Regelung — die einen massiven Eingriff in das elterliche Erziehungsrecht

(Artikel 6 Absatz 2 GG) darstellt — war, dass der damalige Gesetzgeber davon

ausging, dass sich Erforderlichkeit und Auswirkungen einer Sterilisation während der

Minderjährigkeit des Kindes nur besonders schwer beurteilen lassen (BT-Drs.

11/4528, S. 70). Daher wurde dieser außergewöhnlich schwerwiegende medizinische

Eingriff an einem Minderjährigen — grundsätzlich — gesetzlich verboten.



Die irreversiblen und erheblichen Folgen einer Sterilisation sind jedoch mit den Risiken

des Ohrlochstechens nicht in einem Maße vergleichbar, dass auch in letzterem Fall

eine gesetzliche Regelung angezeigt wäre, wonach eine bestimmte Verhaltensweise

der Sorgeberechtigten — hier das Verbot beziehungsweise die Einwilligung in das

Stechen von Ohrlöchern bei einem minderjährigen Kind — gesetzlich zu

reglementieren wäre. Vielmehr bleibt es Sache der unabhängigen Gerichte, im

Einzelfall darüber zu entscheiden, ob ein bestimmtes Verhalten der Eltern eine

Gefährdung des Kindeswohls begründet.

Soweit eine Person ohne Einwilligung der Eltern bei einem selbst

einwilligungsunfähigen Kind Ohrlöcher sticht, stellt dies bereits nach geltendem Recht

eine Körperverletzungshandlung gemäß § 223 Strafgesetzbuch dar, die straf- und

zivilrechtliche Folgen nach sich ziehen kann.

Der Ausschuss hält die geltende Rechtslage für sachgerecht und vermag sich nicht für

eine Gesetzesänderung im Sinne der Petition auszusprechen.

Der Petitionsausschuss empfiehlt daher, das Petitionsverfahren abzuschließen, weil

dem Anliegen nicht entsprochen werden konnte.

Begründung (pdf)


Helfen Sie mit, Bürgerbeteiligung zu stärken. Wir wollen Ihren Anliegen Gehör verschaffen und dabei weiterhin unabhängig bleiben.

Jetzt fördern