Jugendstrafrecht - Herabsetzung des Strafmündigkeitsalters von derzeit 14 Jahren

Petent/in nicht öffentlich
Petition richtet sich an
Deutschen Bundestag
243 Unterstützende 243 in Deutschland

Der Petition wurde nicht entsprochen

243 Unterstützende 243 in Deutschland

Der Petition wurde nicht entsprochen

  1. Gestartet 2015
  2. Sammlung beendet
  3. Eingereicht
  4. Dialog
  5. Beendet

Dies ist eine Online-Petition des Deutschen Bundestags.

14.05.2016, 04:23

Pet 4-18-07-452-023501



Jugendstrafrecht



Der Deutsche Bundestag hat die Petition am 28.04.2016 abschließend beraten und

beschlossen:



Das Petitionsverfahren abzuschließen, weil dem Anliegen nicht entsprochen werden

konnte.

Begründung



Der Deutsche Bundestag möge beschließen, das Strafmündigkeitsalter von derzeit

14 Jahren herabzusetzen.

Der Petent führt zur Begründung aus, die Jugend sei sich heute viel früher „ihres

Handelns bewusst“ und die Strafunmündigkeit erst ab 14 Jahren werde von

kriminellen Banden ausgenutzt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die eingereichten Unterlagen Bezug

genommen.

Die Eingabe wurde als öffentliche Petition auf der Internetseite des

Petitionsausschusses eingestellt. Sie wurde von 243 Mitzeichnern unterstützt.

Außerdem gingen 91 Diskussionsbeiträge ein.

Der Petitionsausschuss hat der Bundesregierung Gelegenheit gegeben, ihre Haltung

zu der Eingabe darzulegen. Das Ergebnis der parlamentarischen Prüfung lässt sich

unter anderem unter Einbeziehung der seitens der Bundesregierung angeführten

Aspekte wie folgt zusammenfassen:

Nach § 19 des Strafgesetzbuchs (StGB) ist schuldunfähig, wer bei der Begehung der

Tat noch nicht 14 Jahre alt ist. Bis zu dieser Altersgrenze ist eine strafrechtliche

Verantwortlichkeit ausgeschlossen. Hintergrund dieser Regelung ist das

Schuldprinzip, auf dem das gesamte deutsche Strafrecht basiert. Nur wer gegen das

Recht verstoßen hat, obwohl er sich in der konkreten Situation hätte rechtmäßig

verhalten können und müssen, kann danach strafrechtlich für sein Tun zur

Verantwortung gezogen werden. Voraussetzung ist also die Fähigkeit, zwischen

Recht und Unrecht zu unterscheiden und das Handeln danach auszurichten. Bei



Kindern bis zum Alter von 14 Jahren sind regelmäßig die hierfür erforderlichen

persönlichen und sozialen Kompetenzen noch nicht herausgebildet.

Die körperliche Entwicklung und die Ausbildung gewisser intellektueller Fähigkeiten

mögen heute zwar eher erfolgen als zu früheren Zeiten. Für die Herausbildung

sozialer Kompetenz und Verantwortlichkeit, die Voraussetzung für eine Reaktion mit

den Mitteln des (Jugend-)Strafrechts sind, gilt dies jedoch nicht. Der Verlust fester

Verhaltensmaßstäbe, die Pluralisierung von Wertorientierungen, die Vielfalt von

Medien- und Konsumeinflüssen, verlängerte schulische Ausbildungszeiten etc.

haben im Gegenteil die Herausbildung der Verantwortungsreife der jungen

Menschen eher verzögert.

Im Hintergrund von Forderungen nach Herabsetzung des Strafmündigkeitsalters

stehen häufig Medienberichte über Kinder, die wiederholt strafrechtlich auffällig

geworden sind oder ein besonders schweres Unrecht begangen haben. Man muss

dabei aber zunächst bedenken, welche Auswirkungen eine allgemeine Absenkung

des Strafmündigkeitsalters hätte. Denn nach dem deutschen Strafprozessrecht muss

in jedem Fall der angenommenen Straftat eines Strafmündigen, also nicht nur bei

besonderen Problemfällen, ein Strafverfahren eingeleitet werden. Dies würde bei der

Erstreckung auf bisher Strafunmündige – auch wenn am Ende vielfach keine

strafrechtliche Verurteilung stehen würde – in erheblichem Maße die knappen

Ressourcen von Polizei, Staatsanwaltschaft und Gerichten zu Lasten der Verfolgung

gravierenderer Kriminalität in Anspruch nehmen, und vor allem würde nach

Auffassung des Petitionsausschusses es im Hinblick auf die erwünschte künftig

positive Entwicklung der Mehrheit der betroffenen Kinder eher nachteilige Folgen

erwarten lassen. Denn schon bei Jugendlichen und Heranwachsenden macht die

Gruppe der sogenannten „Intensiv- und Mehrfachtäter“ – trotz großer

Medienaufmerksamkeit – nur einen kleinen Teil der strafrechtlich Auffälligen aus.

Umso mehr gilt dies für Kinder, die in Konflikt mit dem Gesetz geraten.

Im breiten Feld kindlicher Delinquenz handelt es sich überwiegend um solche des

leichten bis mittelschweren Bereichs, zum großen Teil um Bagatelltaten, die vielfach

kindlichem Probierverhalten, Abenteuerlust und eben der noch nicht ausreichend

herausgebildeten eigenen Einsichts- und Steuerungsfähigkeit entspringen. Nach den

kriminologischen Erkenntnissen verliert sich derartiges Delinquenzverhalten zumeist

im Verlauf der weiteren Entwicklung von selbst. Durch seinen Einfluss auf die

kindliche Persönlichkeit und das Selbstbild, durch eine Verfestigung

kriminalitätsbegünstigender Ansätze sowie durch den Makel strafrechtlicher



Vorbelastung kann ein zu frühes strafjustizielles Eingreifen diesen Prozess nach

Ansicht der Fachleute behindern und die Aussichten auf künftiges rechtstreues

Verhalten eher verschlechtern, also geradezu das Gegenteil des eigentlich Gewollten

bewirken.

Dies bedeutet jedoch keineswegs, dass erheblichem und wiederholtem delinquenten

Verhalten von Kindern tatenlos zugesehen werden muss. Im Achten Buch

Sozialgesetzbuch (SGB VIII) – Kinder- und Jugendhilfe – hält die Rechtsordnung

vielmehr vielfältige und differenzierte Angebote und Leistungen zur Unterstützung

und Hilfe von Kindern, Jugendlichen und ihrer Eltern bereit mit dem Ziel, junge

Menschen in die Gesellschaft zu integrieren. Zu den möglichen Hilfen gehören u. a.

Erziehungsberatung, soziale Gruppenarbeit, Erziehungsbeistandschaft,

Vollzeitpflege und Heimerziehung. Die vorgenannten Hilfen werden von den Trägern

der Jugendhilfe grundsätzlich auf Wunsch oder im Einvernehmen mit den

sorgeberechtigten Eltern geleistet. Weigern sich Eltern, notwendige Hilfsangebote

anzunehmen oder sind sie nicht bereit, an der Abschätzung des Gefährdungsrisikos

mitzuwirken, können die Träger der Jugendhilfe das Familiengericht anrufen (§ 8a

Abs. 2 SGB VIII). Im familiengerichtlichen Verfahren erörtert das Gericht mit den

Eltern, dem Jugendamt und ggf. auch mit dem Kind, wie eine mögliche Gefährdung

des Kindeswohls abgewendet werden kann. Die Gefährdung des Kindeswohls kann

dabei insbesondere auch darin bestehen, dass weitere schwere Straftaten zu

gewärtigen sind. Die Gerichte wirken darauf hin, dass die Eltern notwendige

Leistungen der Jugendhilfe annehmen und weisen auf die andernfalls eintretenden

Konsequenzen ─ z. B. den Entzug des Sorgerechts ─ hin. Sind die Eltern nicht

gewillt oder in der Lage, eine Gefährdung des Kindeswohls abzuwenden, hat das

Familiengericht die zur Abwendung der Gefahr erforderlichen Maßnahmen zu treffen

(§ 1666 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, BGB). Das Gericht kann die Eltern

zum Beispiel anweisen, Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe – wie etwa eine

Erziehungsberatung oder ein Antigewalttraining – in Anspruch zu nehmen oder für

den regelmäßigen Schulbesuch des Kindes zu sorgen (§ 1666 Abs. 3 BGB). Ist die

Gefahr nicht auf andere Weise abwendbar, ist auch eine Unterbringung des Kindes

in einer Pflegefamilie oder einem Heim und die Entziehung der Personensorge

zulässig (§ 1666a BGB). Es bestehen also auch bei delinquentem Verhalten

strafunmündiger Kinder geeignete rechtliche Handlungsmöglichkeiten.

Soweit sich örtlich oder in bestimmten Einzelfällen besondere Problemlagen zeigen,

gilt es, diese rechtlichen Möglichkeiten auch konsequent zu nutzen. Von wesentlicher



Bedeutung ist dabei auch eine gute Kommunikation und Kooperation zwischen

Polizei, Jugendhilfe und Familiengericht. In verschiedenen Städten und Regionen

sind inzwischen einschlägige Modellprojekte eingerichtet worden, die durchaus

erfolgreich arbeiten.

Als Argument für eine Herabsetzung des Strafmündigkeitsalters werden schließlich

mitunter auch Fälle von Kindern angeführt, die von Erwachsenen unter bewusster

Ausnutzung ihrer fehlenden strafrechtlichen Verantwortlichkeit dafür eingesetzt

werden, Straftaten zu begehen, etwa Taschendiebstähle in Fußgängerzonen oder

auf Märkten. Letztlich müssen aber diese Kinder eher ebenfalls als Opfer angesehen

werden, die von Angehörigen oder anderen älteren Personen missbraucht werden.

Um sie müssen sich nötigenfalls die Jugendhilfe und das Familiengericht kümmern.

Ein strafrechtlicher Vorwurf muss sich gegen die im Hintergrund stehenden

Erwachsenen richten. § 25 Abs. 1 StGB legt fest, dass als Täter auch bestraft wird,

„wer die Straftat … durch einen anderen begeht“. Nutzt also jemand ein Kind quasi

als „Werkzeug“ für die Begehung einer Straftat aus, hat er selbst für diese Straftat

einzustehen. Eltern, die gröblich ihre Fürsorge- oder Erziehungspflicht gegenüber

einer Person unter 16 Jahren verletzen und dadurch den Schutzbefohlenen in die

Gefahr bringen, in seiner körperlichen oder psychischen Entwicklung erheblich

geschädigt zu werden, einen kriminellen Lebenswandel zu führen oder der

Prostitution nachzugehen, machen sich im Übrigen nach § 171 StGB strafbar und

können schon deswegen mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe

belegt werden.

Im Übrigen ist – nach einem Anstieg in den 1990er Jahren – seit dem Jahr 1998 ein

sehr deutlicher Rückgang der als Tatverdächtige registrierten Kinder zu verzeichnen.

Dieser Rückgang beläuft sich nach der vom Bundeskriminalamt herausgegebenen

Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) des Bundeskriminalamts von 1998 bis 2014

hinsichtlich der Gesamtzahl auf rund 55 %, es wurden 2014 also nicht einmal mehr

halb so viele Kinder als Tatverdächtige registriert wie 1998. Wegen einer Umstellung

der Zählweise der PKS im Jahr 2009 sind die Zahlen davor und danach zwar nicht

exakt vergleichbar. Der deutliche Rückgang bis 2008 setzte sich aber auch ab 2009

konstant fort (Abnahme allein von 2009 – 2014: 29,3 %).

Vor diesem Hintergrund ist nach Auffassung des Petitionsausschusses ein Bedarf für

gesetzgeberische Maßnahmen zur Herabsetzung des Strafmündigkeitsalters derzeit

nicht gegeben. In einem einstimmigen Beschluss vom 1./2. Juni 2006 hat sich auch

die Konferenz der Justizministerinnen und Justizminister der Länder für die



Beibehaltung der geltenden Strafmündigkeitsgrenze ausgesprochen und bisher

keinen Anlass gesehen, von dieser Haltung abzuweichen.

Auch hinsichtlich des weiteren Vorbringens sieht der Petitionsausschuss keine

Veranlassung zum Tätigwerden.

Aus den genannten Gründen kann der Petitionsausschuss das Anliegen nicht

unterstützen und empfiehlt deshalb, das Petitionsverfahren abzuschließen, weil dem

Anliegen nicht entsprochen werden konnte.

Begründung (pdf)


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