Lärmschutz im Luftverkehr - Novellierung des Gesetzes zum Schutz gegen Fluglärm

Petent/in nicht öffentlich
Petition richtet sich an
Petitionsausschuss des Deutschen Bundestags
617 Unterstützende 617 in Deutschland

Der Petition wurde nicht entsprochen

617 Unterstützende 617 in Deutschland

Der Petition wurde nicht entsprochen

  1. Gestartet 2017
  2. Sammlung beendet
  3. Eingereicht
  4. Dialog
  5. Beendet

Dies ist eine Online-Petition des Deutschen Bundestags.

06.09.2019, 04:23

Pet 2-18-18-962-038904 Lärmschutz im Luftverkehr

Der Deutsche Bundestag hat die Petition am 27.06.2019 abschließend beraten und
beschlossen:

Das Petitionsverfahren abzuschließen, weil dem Anliegen teilweise entsprochen
werden konnte.

Begründung

Mit der Petition wird gefordert, das Gesetz zum Schutz gegen Fluglärm dahingehend
zu novellieren, "den Schutz vor den Belastungen und Gesundheitsrisiken des
Fluglärms" sicherzustellen, "die Lebenssituation und Lebensqualität der
Flughafenanrainer durchgreifend zu verbessern" und "das Recht auf körperliche
Unversehrtheit durchzusetzen".

Zur Begründung der Eingabe wird insbesondere angeführt, die 2015 entstandene
NORAH-Studie (Noise-Related Annoyance, Cognition and Health) führe den
unbestreitbaren Nachweis, dass Fluglärm schwere körperliche und seelische
Krankheiten auslöse. Das derzeit geltende Gesetz zum Schutz gegen Fluglärm
(Fluglärmgesetz) schütze allerdings die Anwohner von Flughäfen völlig unzureichend
vor den Gefahren des Fluglärms. In der Eingabe werden verschiedene Maßnahmen
aufgezeigt, die im Rahmen der Novellierung der gesetzlichen Grundlagen die
bestehenden Unzulänglichkeiten beseitigen oder zumindest verringern sollen, wie
etwa: umfassende Festlegung von Emissionsgrenzwerten, Ausweitung des
Bundes-Immissionsschutzgesetzes auf Flugplätze, striktes Verbot von Nachtflügen
für die Zeit der gesetzlichen Nachtruhe von 22.00 Uhr bis 6.00 Uhr.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten zu dem Vorbringen wird auf die Unterlagen
verwiesen.

Die Petition ist auf der Internetseite des Petitionsausschusses veröffentlicht worden.
Sie wurde durch 705 Mitzeichnungen gestützt und es gingen 82 Diskussionsbeiträge
ein.
Überdies haben den Petitionsausschuss derzeit vier weitere Eingaben mit
verwandter Zielsetzung erreicht. Wegen des Sachzusammenhanges werden diese
Petitionen einer gemeinsamen parlamentarischen Behandlung zugeführt. Der
Petitionsausschuss bittet daher um Verständnis, dass er im Rahmen seiner Prüfung
nicht auf alle Einzelaspekte eingehen kann.

Der Petitionsausschuss hat der Bundesregierung Gelegenheit gegeben, ihre Haltung
zu der Eingabe darzulegen. Das Ergebnis der parlamentarischen Prüfung lässt sich
unter Einbeziehung der seitens der Bundesregierung angeführten Aspekte wie folgt
zusammenfassen:

Der Petitionsausschuss weist zunächst darauf hin, dass das im Jahr 2007 novellierte
Fluglärmgesetz Regelungen zum passiven Lärmschutz durch bauliche Maßnahmen
an Wohngebäuden und schutzbedürftigen Einrichtungen sowie zu abgestuften
Baubeschränkungen im Lärmschutzbereich des jeweils erfassten Flugplatzes trifft.
Damit regelt das Fluglärmgesetz zwei wichtige Teilbereiche des Fluglärmschutzes,
es verfolgt jedoch keinen umfassenden Regelungsansatz zur Bewältigung des
Fluglärms. Das Fluglärmgesetz und die Verordnungen zur Durchführung dieses
Gesetzes durch die Länder treffen wie oben angeführt Regelungen zum passiven
Lärmschutz durch bauliche Maßnahmen. Die mit der Novelle erreichten
Verbesserungen gegenüber der Vorgängerregelung, dem Fluglärmgesetz von 1971,
bestehen vor allem in einer Ausweitung des Anwendungsbereiches des Gesetzes, in
der Verschärfung der Werte für die Festsetzung der Lärmschutzbereiche, in der
Einführung einer Nacht-Schutzzone mit spezifischem baulichen Schallschutz für
Schlafräume, in der Modernisierung des Berechnungs- und Bewertungsverfahrens
sowie in der Ergänzung einer Entschädigungsregelung für hochbelastete
Außenwohnbereiche beim Neu- und Ausbau von Flugplätzen.

Der Ausschuss macht darauf aufmerksam, dass verschiedene in der Petition
angesprochene Einzelforderungen aus dem Regelungsbereich des
Fluglärmgesetzes bereits im novellierten Gesetz berücksichtigt sind: So sind die
Ansprüche auf Aufwendungserstattungen für baulichen Schallschutz nach dem
Fluglärmgesetz verbindlich (und einklagbar), die Mess- und Auswertungsergebnisse
der vorgeschriebenen Fluglärmmessanlagen im Flughafenumland müssen
regelmäßig veröffentlicht werden, die Bestimmung der Nacht-Schutzzone erfolgt
auch anhand eines Maximalpegel-Häufigkeits-Kriteriums (Einzelschallereignisse), der
Lärm des Rollverkehrs der Flugzeuge am Boden wird genauso wie Fluglärm bei der
Festsetzung der Lärmschutzbereiche berücksichtigt und die Flughafenbetreiber sind
bei bestehenden Wohngebäuden und schutzbedürftigen Einrichtungen zur
Finanzierung des nach dem Fluglärmgesetz vorgesehenen passiven Schallschutzes
in der Tag-Schutzzone 1 und in der Nacht-Schutzzone des Lärmschutzbereiches und
zur Zahlung der Außenwohnbereichsentschädigung in hochbelasteten Bereichen
beim Neu- oder Ausbau von Flughäfen verpflichtet.

Darüber hinaus macht der Petitionsausschuss darauf aufmerksam, dass die
Bundesregierung nach § 2 Abs. 3 des novellierten Fluglärmgesetzes "spätestens im
Jahre 2017 und spätestens nach Ablauf von jeweils weiteren zehn Jahren dem
Deutschen Bundestag Bericht über die Überprüfung der in Abs. 2 genannten Werte
unter Berücksichtigung des Standes der Lärmwirkungsforschung und der
Luftfahrttechnik" erstattet. Die Bundesregierung teilte dazu mit, dass sich bedingt
durch den Zeitbedarf für die Regierungsbildung die Abstimmung und die
Fertigstellung des Berichts verzögert haben. Der Petitionsausschuss begrüßt, dass
der Bericht nunmehr am 16. Januar 2019 dem Deutschen Bundestag zugeleitet
wurde. Dieser ist unter der Drucksachen-Nummer 19/7220 auf der Internetseite des
Deutschen Bundestages abrufbar. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass mit
dem novellierten Fluglärmgesetz relevante Fortschritte und Verbesserungen
gegenüber der Vorgängervorschrift erreicht wurden, wie oben bereits angesprochen
etwa eine Verschärfung der Werte nach § 2 Abs. 2 des Fluglärmgesetzes zur
Abgrenzung der einzelnen Schutzzonen um bis zu 15 Dezibel, Einführung einer
verbesserten Nacht-Schutzzone, grundlegende Modernisierung des Ermittlungs- und
Bewertungsverfahrens für Fluglärm. Gleichwohl wurde die Notwendigkeit deutlich,
die Schutzwirkungen des novellierten Fluglärmgesetzes in verschiedenen relevanten
Teilbereichen weiter abzusichern. Zu diesem Zweck schlägt der Bericht weitere
gesetzliche Maßnahmen vor. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den Bericht
verwiesen.

Im Hinblick auf die in der Eingabe zum Ausdruck gebrachte Befürchtung, dass das
Recht auf körperliche Unversehrtheit möglicherweise verletzt sei, weist der
Petitionsausschuss auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes aus dem
Jahre 2008 hin (1 BvR 261/07 vom 4. März 2008). Darin hat das Gericht unter
anderem festgestellt, dass durch das Fluglärmgesetz einschließlich der in § 2 Abs. 2
Fluglärmgesetz festgelegten Werte einschließlich der anderen Vorschriften zum
Fluglärmschutz der staatlichen Schutzpflicht hinsichtlich der Rechtsgüter Leben und
körperlicher Gesundheit Genüge getan ist.
Zu der in der Petition angesprochenen Messung von Emissionen wird ergänzend
darauf hingewiesen, dass aus Gründen des Gesundheitsschutzes in der Richtlinie
über Luftqualität und saubere Luft für Europa (RL 2008/50/EG)
Luftqualitätsgrenzwerte, unter anderem in Bezug auf Feinstaub, festgelegt sind. Die
Überwachung und Beurteilung der Luftqualität basiert auf den Mess- und
Auswertevorschriften dieser Richtlinien, die durch die Verordnung über
Luftqualitätsstandards und Emissionshöchstmengen in nationales Recht umgesetzt
wurde. Die Überwachung erfolgt in Deutschland über die zuständigen Behörden der
Länder. Daten zur Luftqualität werden öffentlich unter anderem über die Internetseite
des Umweltbundesamtes zur Verfügung gestellt.

Der Petitionsausschuss unterstreicht, dass die in der Eingabe genannten
Instrumente des aktiven Lärmschutzes durch betriebliche Maßnahmen, insbesondere
die Festsetzung bindender Grenzwerte für Fluglärmemissionen, ein Nachtflugverbot
von 22.00 Uhr bis 6.00 Uhr, eine Ausweitung der Lärmgrenzwerte von
Verkehrsflugzeugen auf alle Betriebsbedingungen, nicht näher spezifizierte
Vorkehrungen der Flugsicherungs- und Flugzeugtechnik zur Fluglärmminderung und
eine Pflicht zur Einhaltung lärmoptimierter Flugrouten, vom Fluglärmgesetz nicht
erfasst sind. Diese Regelungsbereiche des Fluglärmschutzes durch aktive,
betriebliche Maßnahmen sind im Luftverkehrsgesetz geregelt.

Dazu hebt der Petitionsausschuss hervor, dass die international anerkannte tragende
Strategie zur Fluglärmminderung der auf Beschlüssen der Internationalen
Zivilluftfahrtorganisation (ICAO) beruhende flughafenbezogene "ausgewogene
Ansatz" ("Balanced Approach"), der inzwischen auch unmittelbar geltendes
europäisches Recht darstellt, ist (Verordnung Nr. 598/2014 über lärmbedingte
Betriebsbeschränkungen).

Der Petitionsausschuss betont, dass Deutschland sich bereits früh auf internationaler
Ebene zu dem maßgeblichen Rahmen für die Umsetzung von
Lärmschutzmaßnahmen und den probaten Maßnahmen für die Minderung des
Fluglärms bekannt und verpflichtet hat. Der "ausgewogene Ansatz" sieht vier
relevante Maßnahmen vor, nämlich die Reduzierung von Lärm an der Quelle
(Triebwerke, Flugzeugdesign etc.), Flächennutzungsplanung und –steuerung,
An- und Abflugverfahren und Betriebsbeschränkungen. Letzteres nicht als erste
Maßnahme, sondern erst nach Abwägung des Nutzens der ersten drei Maßnahmen.
Der "ausgewogene Ansatz" trägt damit nach Auffassung des Petitionsausschusses in
ausgewogener und international verbindlicher Weise den Anforderungen
bestmöglichen – auf die jeweiligen Flughäfen und deren Umgebung
zugeschnittenen – Lärmschutzes unter Wahrung der verkehrlichen und
volkswirtschaftlichen Aufgaben des Luftverkehrs Rechnung.

Nach Kenntnis des Petitionsausschusses setzen sich im Hinblick auf die
Reduzierung von Lärm an der Quelle die zuständigen Akteure für die
Weiterentwicklung der Lärmgrenzwerte für Verkehrsflugzeuge nach dem Stand der
Technik ein. So hat die ICAO in ihrer Versammlung im Herbst 2013 unter anderem
auch durch den engagierten Einsatz Deutschlands eine Verschärfung der
Grenzwerte für neue Flugzeuge mit Strahltriebwerken beschlossen, die im
Wesentlichen (für Luftfahrzeuge mit einem maximalen Abfluggewicht ab 55 Tonnen)
am 1. Januar 2018 in Kraft traten. Für Flugzeuge mit einem maximalen
Abfluggewicht von unter 55 Tonnen tritt der neue Standard am 1. Januar 2021 in
Kraft.

Der in der Petition zum Ausdruck gebrachten Forderung, die Lärmgrenzwerte von
Verkehrsflugzeugen auf alle Betriebsbedingungen auszuweiten, kann der
Petitionsausschuss nicht folgen. Deutschland ist als Vertragsstaat der ICAO an die
Vorgabe gebunden. Lärmzulassungsstandards für Luftfahrzeuge sind im Annex 16
Volume 1 des Abkommens von Chicago festgelegt. Für die Musterzulassung sowie
für die Verkehrszulassung von Luftfahrzeugen müssen Nachweise erbracht werden,
dass der Lärm das nach dem Stand der Technik notwendige Maß nicht überschreitet.
Hierfür wird der Lärm an drei Messpunkten (Abflug, Anflug, Seitenlinie) gemessen.

Der Petitionsausschuss merkt weiter an, dass die Betriebszeiten von Flughäfen und
damit auch die Nachtflugregelungen für Flughäfen Bestandteil der
Flugplatzgenehmigung sind, die von den Ländern im Wege der Auftragsverwaltung
auf der Grundlage des jeweiligen Planfeststellungsbeschlusses erteilt werden. Die
Länder sind ebenfalls zuständig für alle anderen genehmigungsrechtlichen
Verfahren, wie zum Beispiel Ausbau oder Kapazitätserweiterung. Das zuständige
Bundesressort, das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI),
hat die Rechts- und Fachaufsicht, ist aber keine Genehmigungsinstanz. Vielmehr hat
das BMVI - nach weiterer Kenntnis des Petitionsausschusses - im
Luftverkehrskonzept angekündigt, im Rahmen seiner Aufsicht die Wahrung des
Bestandsschutzes der bestehenden Betriebsregelungen an den Flughäfen im
Bundesinteresse zu überwachen. Das Gutachten zur Grundlagenermittlung eines
Luftverkehrskonzeptes (insbesondere dessen Markt- und Wettbewerbsanalyse)
kommt zu der Schlussfolgerung, dass die Ausweitung von Betriebsbeschränkungen
(einschl. Nachtflugverbote) erhebliche Nachteile für die deutsche Wirtschaft und den
Luftverkehrsstandort Deutschland hätten. Danach enthält das Luftverkehrskonzept
des BMVI eine klare Aussage dahingehend, dass weitere Betriebsbeschränkungen
an den Flughäfen im Bundesinteresse (Primärstruktur) nicht hingenommen werden
können.

Im Zusammenhang mit Vorkehrungen der Flugsicherungstechnik zur
Fluglärmminderung ergänzt der Petitionsausschuss abschließend, dass zukünftige
modernere Flugsicherungstechnik Lärmverlagerungen ermöglichen kann, die zu
weniger Hochbetroffenen und/oder weniger Betroffenen insgesamt führen können. In
Bezug auf die Pflicht zur Einhaltung lärmoptimierter Flugrouten ist auszuführen, dass
sich eine solche Pflicht bereits aus der derzeitigen Gesetzeslage ergibt.

Vor dem Hintergrund des Dargelegten sieht der Petitionsausschuss zum
gegenwärtigen Zeitpunkt keinen gesetzgeberischen Handlungsbedarf im Sinne der
Eingabe. Er empfiehlt daher, das Petitionsverfahren abzuschließen, weil dem
Anliegen teilweise entsprochen werden konnte.

Die abweichenden Anträge der Fraktionen DIE LINKE. und von
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, die Petition der Bundesregierung - dem
Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit und dem
Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur - als Material zu überweisen,
wurden mehrheitlich abgelehnt.

Begründung (PDF)


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