Seeschifffahrt - Änderung der Schiffsbesetzungsverordnung im Hinblick auf die Beschäftigung von Schiffspersonal

Petent/in nicht öffentlich
Petition richtet sich an
Petitionsausschuss des Deutschen Bundestags
66 Unterstützende 66 in Deutschland

Der Petition wurde nicht entsprochen

66 Unterstützende 66 in Deutschland

Der Petition wurde nicht entsprochen

  1. Gestartet 2018
  2. Sammlung beendet
  3. Eingereicht
  4. Dialog
  5. Beendet

Dies ist eine Online-Petition des Deutschen Bundestags.

13.02.2019, 03:29

Pet 1-19-12-951-000729 Seeschifffahrt

Der Deutsche Bundestag hat die Petition am 31.01.2019 abschließend beraten und
beschlossen:

Das Petitionsverfahren abzuschließen, weil dem Anliegen nicht entsprochen werden
konnte.

Begründung

Mit der Petition wird gefordert, die am 1. Juli 2016 in Kraft getretene
Schiffsbesetzungsverordnung dahingehend zu ändern, dass auf Schiffen mit einer
Bruttoraumzahl von mehr als 8000 der Kapitän, zwei Schiffsoffiziere und ein
Schiffsmechaniker EU-Bürger sein müssen, für Schiffe mit einer Bruttoraumzahl
darunter der Kapitän und ein Schiffsoffizier.

Zu der auf der Internetseite des Deutschen Bundestages veröffentlichten Eingabe
liegen dem Petitionsausschuss 66 Mitzeichnungen und fünf Diskussionsbeiträge
sowie 475 Unterschriften vor. Es wird um Verständnis gebeten, dass nicht auf alle der
vorgetragenen Aspekte im Einzelnen eingegangen werden kann.

Zur Begründung des Anliegens wird im Wesentlichen ausgeführt, dass die Sicherung,
der Erhalt der Ausbildung und der Beschäftigung der Seeleute erklärte Ziele der
Bundesregierung waren und sind, die durch die vom Bundeskabinett im Jahr 2017
beschlossene Maritime Agenda 2025 bekräftigt worden seien. Trotz Subventionierung
der Seeschifffahrt durch Erhöhung des Lohnsteuereinbehalts auf 100 Prozent, durch
die Erstattung des Arbeitgeberanteils in der Sozialversicherung und durch die
Ausbildungsplatzförderung war es nach Auffassung des Bundesministeriums für
Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) darüber hinaus erforderlich, die Mehrkosten
für den Betrieb von Schiffen unter deutscher Flagge durch eine Anpassung der
Schiffsbesetzungsverordnung (SchBesV) auszugleichen, und zwar durch
Reduzierung um einen Schiffsoffizier (EU-Bürger) und Streichung des bis dahin
vorgeschriebenen Schiffsmechanikers (EU-Bürger). Durch die Reform der SchBesV
seien die Beschäftigungsmöglichkeiten für Schiffsmechaniker und für Schiffsoffiziere
entfallen, die Beschäftigungssituation werde sich daher weiter verschlechtern. Die
Reform sei somit kein Beitrag zum Erhalt und zur Sicherung der Ausbildung und
Beschäftigung deutscher/europäischer Seeleute. Entsprechend den Vorgaben des
Bundesinstituts für Berufsbildung müsse der Beruf des Schiffsmechanikers als
staatlich anerkannter Ausbildungsberuf aufgehoben werden, da eine Berufsausübung
nicht mehr möglich sei. Gleichwohl werde der Schiffsmechaniker vom Verband
Deutscher Reeder (VDR) – der die Streichung des Schiffsmechanikers in der SchBesV
gefordert habe – in dessen aktuellen Berufsinformationen als "Multitalent" und als
"Beruf, der vollen Einsatz erfordert" gepriesen.

In seinem Urteil vom 10. Januar 1995 zum Gesetz über die Einführung eines
Internationalen Seeschifffahrtsregisters von 1989 habe das Bundesverfassungsgericht
(BVerfG) festgestellt, dass die SchBesV von 1989 mit dem Grundgesetz (GG)
vereinbar sei. Zur Verdrängung deutscher durch niedriger entlohnte ausländische
Seeleute und zu der daraus folgenden Beeinträchtigung der Berufsfreiheit nach
Artikel 12 des GG habe das BVerfG darauf hingewiesen, dass "für bestimmte
Schlüsselpositionen auf deutschen Schiffen, namentlich die der Kapitäne und
Schiffsoffiziere, aber auch für einige Positionen im Mannschaftsbereich, [...} deutsche
Befähigungszeugnisse vorgeschrieben" seien. Damit sollte erreicht werden, "dass
besonders qualifizierte Arbeitsplätze Seeleuten vorbehalten bleiben, die nach
deutschen Standards ausgebildet sind." Der dem Mannschaftsbereich zugeordnete
Schiffsmechaniker wird nach den in Deutschland üblichen Standards des dualen
Berufsausbildungssystems ausgebildet. Seine Streichung in der geltenden SchBesV
stehe offensichtlich im Widerspruch zum o. g. Urteil des BVerfG und könnte somit
verfassungswidrig sein.

Um Wiederholungen zu vermeiden, wird im Hinblick auf die weiteren Einzelheiten zu
dem Anliegen auf die eingereichten Unterlagen verwiesen.

Der Petitionsausschuss hat der Bundesregierung Gelegenheit gegeben, ihre Ansicht
zu der Eingabe darzulegen. Das Ergebnis der parlamentarischen Prüfung lässt sich
unter Einbeziehung der seitens der Bundesregierung angeführten Gesichtspunkte wie
folgt zusammenfassen:

Der Ausschuss hält einleitend fest, dass die SchBesV in der 18. Wahlperiode mehrfach
Gegenstand von Petitionsverfahren, aber auch Gegenstand parlamentarischer
Initiativen und Bundestagsdebatten sowie von Anfragen an die Bundesregierung war:
Die Koalitionsfraktionen von CDU/CSU und SPD des 18. Deutschen Bundestages
haben den gemeinsamen Antrag „Die maritime Wirtschaft stärken und ihre Bedeutung
für Deutschland hervorheben“ (Drucksache 18/6328) vorgelegt. Die Fraktion
DIE LINKE. hat einen Entschließungsantrag (Drucksache 18/7378) zu dem „Entwurf
eines Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes zur Erhöhung des
Lohnsteuereinbehalts in der Seeschifffahrt“ der Bundesregierung in den Bundestag
eingebracht.

Die Bundesregierung ist gemäß Beschluss des Deutschen Bundestages vom
21. Juni 2007 (Drucksache16/5437) zum Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und
SPD „Maritime Wirtschaft in Deutschland stärken“ vom 28. Februar 2007 (Drucksache
16/4423) aufgefordert, dem Deutschen Bundestag rund zwei Monate vor der
Nationalen Maritimen Konferenz über die Entwicklung und die Zukunftsperspektiven
der maritimen Wirtschaft in Deutschland zu berichten. Die genannten Drucksachen
können im Internet unter www.bundestag.de abgerufen werden.

Der Petitionsausschuss stellt fest, dass die geänderte SchBesV, die die Anzahl und
die Qualifikation der Besatzung auf Handelsschiffen unter deutscher Flagge regelt, am
1. Juli 2016 in Kraft getreten ist. Die Neuregelung sieht unter anderem vor, dass die
vorgeschriebene Anzahl von Unionsbürgern unter der Besatzung gesenkt wird. Künftig
muss zum Beispiel neben dem Kapitänsposten nur noch ein Offiziersposten durch
Unionsbürger besetzt sein. Ziel der Verordnung ist es, durch die Reduzierung von
europäischem Personal die Besatzungskosten zu senken und damit die
Wettbewerbsfähigkeit von Seeschiffen unter deutscher Flagge gegenüber denen unter
anderen Flaggen zu erhöhen. Außerdem wurde zur Entlastung der Reeder der
Lohnsteuereinbehalt erhöht und eine passgenaue Erstattung der Arbeitgeberanteile
zur gesetzlichen Sozialversicherung eingeführt.

Hintergrund der Änderung ist eine Vereinbarung zwischen dem BMVI und dem VDR
vom 10. Dezember 2015. Mit Blick auf die Anzahl der Schiffe unter deutscher Flagge
führt diese Vereinbarung u. a. als Ziel auf, den Anteil der Tonnage unter deutscher
Flagge in der deutschen Handelsflotte zu steigern. Die Bundesregierung hat im
Rahmen der 9. Nationalen Maritimen Konferenz deutlich gemacht, dass sie von den
Reedern ein klares Bekenntnis zur deutschen Flagge erwartet. Der VDR hat zugesagt,
sich bei Umsetzung des Maßnahmenpaketes nach Kräften dafür einzusetzen, die
Anzahl der am hiesigen Standort ansässigen deutschen und europäischen Seeleute
bei seinen Mitgliedsunternehmen zu stabilisieren und zu steigern. Der Ausschuss hebt
hervor, dass die Vereinbarung auf dem Vertrauen basiert, dass sich der VDR zum
hiesigen Standort und zum Erhalt des maritimen Know-how in Deutschland bekennt.
Ergänzend fügt er hinzu, dass keine Sanktionen in die Vereinbarung aufgenommen
wurden und dass auch er entsprechende Entscheidungen der Reederschaft erwartet.
Bereits in dem Vierten Bericht der Bundesregierung über die Entwicklung und die
Zukunftsperspektive der maritimen Wirtschaft in Deutschland (Drucksache 18/5764),
den sie im Vorfeld der 9. Nationalen Maritimen Konferenz im Oktober 2015 vorgelegt
hat, ist ausgeführt, dass die Krise in der Seeschifffahrt deutliche Auswirkungen auch
auf die maritime Ausbildung und Beschäftigung hat. Die Anzahl der deutschen
Seeleute auf Schiffen unter deutscher Flagge ist zurückgegangen. Nach einem
jahrelangen negativen Trend konnte im Jahr 2014 aber partiell ein leichter Anstieg der
Auszubildendenzahl registriert werden. Vorrangige Aufgabe des Maritimen
Bündnisses ist es, jungen Menschen mit Interesse an maritimen Berufen eine
verlässliche Perspektive zu bieten. Die Entscheidung von Reedereien, ihre Schiffe
unter ausländischer Flagge – und zunehmend unter Flaggen anderer
EU-Mitgliedsstaaten wie Portugal – zu fahren, wird mit den Mehrkosten der deutschen
Flagge begründet. Auch wenn deren Höhe je nach Schiffsbesatzung und
Geschäftsmodell unterschiedlich sein dürfte, verbleibt ein Wettbewerbsnachteil mit
Blick auf die Lohnnebenkosten. Die Instrumente zur Förderung der Beschäftigung in
der deutschen Seeschifffahrt reichten vielfach nicht mehr aus, um den
konkurrenzfähigen Einsatz von Seeleuten aus Deutschland im europäischen und
internationalen Vergleich zu gewährleisten. Daher wurden die beiden o. g.
Änderungen in der SchBesV zur finanziellen Entlastung der Reeder vorgenommen.

Die Bundesregierung hat dem Ausschuss in der 18. Wahlperiode mitgeteilt, dass sie
sich zunächst für eine von den Bündnispartnern im Grundsatz als notwendig
angesehene Änderung der SchBesV eingesetzt hat. Bei gemeinsamen Gesprächen
mit Vertretern von Parlament, BMVI und Bundesministerium für Wirtschaft und Energie
(BMWI) am 3. Dezember 2015 und am 28. Januar 2016 konnten sich die Sozialpartner
jedoch auf keinen Kompromiss verständigen. Der Austritt der Vereinten
Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) aus dem Maritimen Bündnis bedauert der
Petitionsausschuss in Übereinstimmung mit der Bundesregierung. Dennoch steht
diese fest zum Maritimen Bündnis. Es hat Tradition, ist eine „Marke“ und wird im
maritimen Cluster wahrgenommen. Die mit dem Ausscheiden von ver.di verbundenen
möglichen Folgen und Auswirkungen in der deutschen Seeschifffahrt sollen mit den
übrigen Bündnispartnern, den norddeutschen Ländern und dem VDR erörtert werden.
Außerdem hat die Bundesregierung angekündigt, dass sie das Gespräch mit ver.di
suchen wird.

Der Petitionsausschuss hat das BMVI im Dezember 2017 vor dem Hintergrund der
neuen SchBesV um Auskunft über die Entwicklung der Ausbildungs- und
Beschäftigungsverhältnisse in der deutschen Handelsschifffahrt gebeten. Das BMVI
führte dazu im März 2018 aus, dass die Anzahl der sozialversicherungspflichtig
Beschäftigten zum 30. September 2017 im Vergleich zum Vorjahr 2016 im
Wesentlichen gleich geblieben ist (9.409 zu 9.486). Die Anzahl ausländischer Seeleute
blieb im genannten Zeitraum nahezu unverändert. Ausweislich der statistischen
Angaben der Knappschaft Bahn See werden auf Schiffen unter der Bundesflagge nach
wie vor fast doppelt so viele deutsche wie ausländische Seeleute beschäftigt.

Die maritime Kompetenz und die deutschen Ausbildungsstätten sind daher aus Sicht
des Ausschusses in ihrer Existenz nicht gefährdet. Im Vergleich zum Vorjahr 2016
– Stand ist jeweils 31. Dezember – beträgt die Zahl der im Jahr 2017 neu
abgeschlossenen Ausbildungsverträge in der Berufsausbildung zum
Schiffsmechaniker 152, plus 26, davon wurden sechs Verträge wieder aufgelöst.
Ferner wurden im Jahr 2017 163 Bescheinigungen für die Ausbildung zum Nautischen
Offiziersassistenten ausgestellt, ein Plus von 15 sowie 40 Bescheinigungen für
Technische Offiziersassistenten, ein Plus von 3, erteilt. Damit sind über die vom Bund
geregelten Ausbildungsgänge im Jahr 2017 insgesamt 349 Personen neu in die
Seeschifffahrt eingestiegen.

Der Ausschuss erachtet es als sinnvoll, dass die Wirksamkeit des Maßnahmenpaketes
mit Blick auf die Einhaltung der VDR-Zusagen nach vier Jahren evaluiert wird. Damit
ist eine zeitnahe Evaluierung rechtzeitig vor Ablauf der gesetzlichen Geltungsdauer
der geänderten SchBesV von 60 Monaten gewährleistet. Dabei werden die
Auswirkungen der Änderung auf einen sicheren, effizienten und gefahrlosen
Schiffsbetrieb sowie im Hinblick auf das maritime Know-how in Deutschland
– Ausbildung und Beschäftigung – untersucht. Als Bezugsgrößen werden die von der
Knappschaft Bahn See ermittelten statistischen Angaben über die Beschäftigung in
der deutschen Seeschifffahrt mit Stand 31. Dezember 2015 sowie die entsprechenden
Angaben der Berufsbildungsstelle Seeschifffahrt herangezogen. In die Betrachtung
werden darüber hinaus die Entwicklung der Anzahl von Kauffahrteischiffen unter
Bundesflagge und die Situation auf dem deutschen seemännischen Arbeitsmarkt in
Zusammenarbeit mit der Zentralen Heuerstelle einbezogen.

Das BMVI wird gemeinsam mit den Partnern des Maritimen Bündnisses die
Zielerreichung der neuen SchBesV regelmäßig beobachten und den
Bundestagsausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur jährlich über den Stand
der Evaluierung unterrichten. Die Bundesregierung hat zudem angekündigt,
zielgerichtet Maßnahmen zu ergreifen, die sich aufgrund der Evaluierung empfehlen.
Der Petitionsausschuss begrüßt die Bemühungen der Bundesregierung, die
Seeschifffahrtsbranche insgesamt zu stärken. Vor diesem Hintergrund begrüßt er die
bereits vorgesehene Evaluierung und erachtet das Einleiten eventueller
Folgemaßnahmen als unerlässlich. Abschließend hält der Ausschuss fest, dass die
Befürchtungen hinsichtlich der negativen Auswirkungen der novellierten SchBesV in
Bezug auf Ausbildung und Beschäftigung bisher nicht eingetreten sind.

Vor diesem Hintergrund empfiehlt der Petitionsausschuss, das Petitionsverfahren
abzuschließen, weil dem Anliegen, die von 1998 bis 2013 geltende
Schiffbesetzungsverordnung wieder in Kraft zu setzen, nicht entsprochen werden
konnte.

Begründung (PDF)


Helfen Sie mit, Bürgerbeteiligung zu stärken. Wir wollen Ihren Anliegen Gehör verschaffen und dabei weiterhin unabhängig bleiben.

Jetzt fördern