Sorgerecht der Eltern - Stärkere Einbeziehung des Vaters bei getrenntlebenden Eltern in die Kindererziehung unter Berücksichtigung der Barunterhaltspflicht

Petent/in nicht öffentlich
Petition richtet sich an
Petitionsausschuss des Deutschen Bundestags
109 Unterstützende 109 in Deutschland

Die Petition wurde abgeschlossen

109 Unterstützende 109 in Deutschland

Die Petition wurde abgeschlossen

  1. Gestartet 2016
  2. Sammlung beendet
  3. Eingereicht
  4. Dialog
  5. Beendet

Dies ist eine Online-Petition des Deutschen Bundestags.

23.09.2017, 04:23

Pet 4-18-07-40325-028463

Sorgerecht der Eltern


Der Deutsche Bundestag hat die Petition am 05.09.2017 abschließend beraten und
beschlossen:

1. Die Petition der Bundesregierung – dem Bundesministerium der Justiz und für
Verbraucherschutz und dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und
Jugend – als Material zu überweisen,
soweit es um die verschiedenen Betreuungs- und Umgangsformen im Bereich der
Kindererziehung geht,
2. das Petitionsverfahren im Übrigen abzuschließen.

Begründung

Mit der Petition wird gefordert, dass Väter bei getrenntlebenden Eltern grundsätzlich
gleichermaßen im Rahmen des Wechselmodells in die Erziehung der Kinder
einbezogen werden und dies im Rahmen der Barunterhaltspflicht berücksichtigt wird.
Zur Begründung wird im Wesentlichen vorgetragen, dass ein Mitwirken bei der
Kindererziehung durch Behörden und andere Institutionen deutlich erschwert werde.
Die Ausübung einer paritätischen Betreuung sei insbesondere durch die Sichtweisen
dieser öffentlichen Stellen behindert. Danach seien Mütter für die Betreuung und
Väter für die Finanzierung der Kinder verantwortlich. Bei einem erhöhten
Betreuungsaufwand des anderen Elternteils finde zudem keine ausgewogene
Berechnung des Unterhalts statt. Dies führe zu einer Benachteiligung der Väter (zum
Teil auch der Mütter) in massiver Art und Weise, aktiv an der Erziehung der Kinder
mitzuwirken. Trotz eines Beschlusses des Europarates und anderer
wissenschaftlicher Studien erfolge in der Sache kein Umdenken.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten zu dem Vorbringen wird auf die eingereichten
Unterlagen verwiesen.
Die Eingabe wurde als öffentliche Petition auf der Internetseite des Deutschen
Bundestages eingestellt und dort diskutiert. Sie wurde von 109 Mitzeichnern
unterstützt, und es gingen 40 Diskussionsbeiträge ein.

Zu diesem Thema liegen dem Petitionsausschuss mehrere Eingaben mit verwandter
Zielsetzung vor, die wegen des Sachzusammenhangs einer gemeinsamen
parlamentarischen Prüfung unterzogen werden. Es wird um Verständnis gebeten,
dass nicht auf alle der vorgetragenen Aspekte im Einzelnen eingegangen werden
kann.
Der Petitionsausschuss hat der Bundesregierung Gelegenheit gegeben, ihre Haltung
zu der Eingabe darzulegen. Das Ergebnis der parlamentarischen Prüfung lässt sich
unter Einbeziehung der seitens der Bundesregierung angeführten Aspekte wie folgt
zusammenfassen:
Wenn Eltern sich trennen, müssen sie insbesondere auch entscheiden, von wem und
in welchem Umfang ihr Kind künftig betreut werden soll. Sie können sich hierbei auch
der Hilfe des Jugendamtes bedienen. Die Eltern können zunächst bestimmen, dass
das Kind hauptsächlich bei einem Elternteil seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat und
dass der andere Elternteil durch sein Umgangsrecht Kontakt zum Kind hält. Der
Umfang des Umgangs ist gesetzlich nicht vorgegeben, sondern liegt in der
Verantwortung der Eltern.
Er kann sich beispielsweise auf das Wochenende beschränken, sich aber auch auf
Tage unter der Woche erstrecken, um so auch dem nicht hauptsächlich betreuenden
Elternteil zu ermöglichen, am Alltag des Kindes teilzuhaben und es mitzuerziehen
(sogenannter „erweiterter Umgang“, zum Teil auch als „Wechselmodell“ im weiteren
Sinne bezeichnet).
Schließlich können die Eltern auch eine hälftige Betreuung vereinbaren, bei der sich
das Kind in etwa gleich langen Phasen abwechselnd bei dem einen und dem
anderen Elternteil aufhält (sogenanntes „Wechselmodell“ im engeren Sinne, auch als
„Pendelmodell“ oder „Doppelresidenzmodell“ bezeichnet).
Diese Definitionen legt beispielsweise der Bundesgerichtshof (BGH) in seiner
unterhaltsrechtlichen Rechtsprechung zugrunde (vgl. BGH, Beschluss vom
12. März 2014 – Aktenzeichen XII ZB 234/13).
Treffen die Eltern eine solche Vereinbarung, geht das Gesetz davon aus, dass dies
dem Wohl des Kindes entspricht; eine abweichende Regelung kann das Gericht nur
treffen, wenn anderenfalls das Wohl des Kindes gefährdet wäre.
Im Streitfall entscheidet auf Antrag das zuständige Familiengericht. Es kann bereits
nach geltendem Recht auch einen erweiterten Umgang auf Grundlage von
§ 1684 Absatz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) anordnen, wenn dies im

konkreten Fall unter Berücksichtigung der tatsächlichen Gegebenheiten und
Möglichkeiten sowie der berechtigten Interessen der Eltern dem Wohl des Kindes am
besten entspricht (§ 1697a BGB). Was dem Kindeswohl entspricht, müssen die
Familiengerichte in jedem Einzelfall entscheiden. Bei der Herstellung von
Umgangskontakten und bei der Ausführung gerichtlicher oder vereinbarter
Umgangsregelungen soll das Jugendamt vermitteln oder in geeigneten Fällen
Hilfestellung leisten.
Darüber hinaus hat der BGH in seinem Beschluss vom 1. Februar 2017 (XII ZB
601/15) entschieden, dass auch eine gleichmäßige Betreuung des Kindes durch
beide Eltern im Sinne eines paritätischen Wechselmodells, durch eine gerichtliche
Umgangsregelung möglich ist und grundsätzlich auch gegen den Willen eines
Elternteils angeordnet werden kann. Entscheidender Maßstab ist auch hier das im
Einzelfall festzustellende Kindeswohl, für dessen Prüfung der BGH konkrete
Voraussetzungen benannte. Er stellte dabei insbesondere klar, dass das
Wechselmodell nicht der Befriedigung hochstrittiger Eltern diene. Vielmehr ergebe
sich bei der praktischen Verwirklichung der geteilten Betreuung erhöhter
Abstimmungs- und Kooperationsbedarf, was geeignete äußere Rahmenbedingungen
(etwa eine gewisse Nähe der elterlichen Haushalte und die Erreichbarkeit von Schule
und Betreuungseinrichtungen), aber auch eine entsprechende Kooperations- und
Kommunikationsfähigkeit der Eltern voraussetze. Erforderlich sei ferner eine auf
sicherer Bindung beruhende tragfähige Beziehung des Kindes zu beiden Elternteilen.
Schließlich sei ein wesentlicher Aspekt auch der vom Kind geäußerte Wille, dem mit
steigendem Alter zunehmendes Gewicht beizumessen sei.
Derzeit wird in der Fachwelt kontrovers die Frage diskutiert, ob und unter welchen
Voraussetzungen die gerichtliche Anordnung einer paritätischen Betreuung im
Rahmen eines Wechselmodells auch bei vorhandenem Elternkonflikt dem
Kindeswohl dient und ob es den gesetzlichen Regelfall darstellen kann.
In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass das Bundesministerium für
Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) eine Studie zum Thema
„Kindeswohl und Umgangsrecht“ in Auftrag gegeben hat. Ziel der Studie ist es
herauszufinden, wie Betreuung und Umgang so gestaltet werden können, dass sie
dem Wohl des Kindes am besten entsprechen. Dabei sollen insbesondere die
verschiedenen Betreuungs- und Umgangsformen wie das Wechselmodell, der
erweiterte Umgang und das Residenzmodell daraufhin untersucht werden, wie sie
sich auf das Wohlergehen der Kinder auswirken.

Die Forschungsergebnisse bleiben abzuwarten, da die Meinungsbildung zur Frage
etwaigen Reformbedarfs in einem so sensiblen Bereich wie dem Sorge- und
Umgangsrecht eine entsprechende empirische Grundlage voraussetzt. Deshalb
werden in zwei Vertiefungsstudien familiengerichtliche und jugendamtliche Verfahren
auch in der praktischen Umsetzung im Hinblick auf das Kindeswohl analysiert.
Anhand der Ergebnisse der Studie, die voraussichtlich Ende 2017 vorliegen wird,
wird auch durch das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz
(BMJV) bewertet werden, ob und welche gesetzlichen Änderungen erforderlich sind.
Der Petitionsausschuss hält die vorliegende Eingabe für geeignet, in die
anstehenden Überlegungen mit einbezogen zu werden. Insoweit empfiehlt er, die
Petition der Bundesregierung – dem BMJV und dem BMFSFJ – als Material zu
überweisen.
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens sieht der Petitionsausschuss hingegen zurzeit
keinen Handlungsbedarf.
Trennung und Scheidung bedeuten sowohl für Eltern als auch für die betroffenen
Kinder eine hohe emotionale, soziale und auch ökonomische Belastung. Oft suchen
die früheren Partner die Distanz voneinander und sind auch in Angelegenheiten des
Kindes nicht mehr bereit, miteinander zu kooperieren. Gleichzeitig gilt es, das
Bedürfnis des Kindes nach Fortbestand der Beziehungen zu beiden Elternteilen zu
berücksichtigen. Die Abwägung im Einzelfall obliegt den Familiengerichten.
Die Prüfung der Frage, ob das gesetzliche Instrumentarium dabei als Grundlage für
Lösungen ausreicht, die diesem Anliegen im Einzelfall bestmöglich Rechnung tragen,
wird vom Gesetzgeber wie auch der Bundesregierung weiter im Blick behalten.
Die Unterhaltspflicht der Eltern gegenüber ihren minderjährigen Kindern ergibt sich
aus den §§ 1601 ff. BGB. Im gesetzlichen Regelfall gemäß § 1606 Absatz 3 Satz 2
BGB sind die Unterhaltspflichten der Eltern in der Weise verteilt, dass der mit dem
Kind zusammenlebende Elternteil es pflegt und erzieht (sogenannter
Betreuungsunterhalt) und der andere Elternteil die finanziellen Bedürfnisse des
Kindes erfüllt (sogenannter Barunterhalt). Bei der Festsetzung des Barbedarfs des
Kindes wird in der Regel auf die sogenannte Düsseldorfer Tabelle zurückgegriffen.
Die Düsseldorfer Tabelle weist den Regelbedarf eines Kindes aus, unterteilt nach
Altersstufen und nach Einkommen des barunterhaltspflichtigen Elternteils. Bei der
Festlegung der Bedarfssätze sind durch die Pflege von Umgangskontakten
entstehende Bedarfsminderungen bereits mit berücksichtigt, soweit sie vorhersehbar

sind. Der Barunterhaltspflichtige leistet daher in der Zeit, in der er mit dem Kind
Umgang pflegt, nicht doppelt. Angesichts der Komplexität der im Unterhaltsstreit
denkbaren Sachverhalte schafft ein solches, wenn auch weniger flexibles System,
Berechenbarkeit und Rechtssicherheit.
Ein Sonderfall ist das „Wechselmodell“ im engeren Sinne, bei dem sich die Eltern die
Betreuung, Versorgung und Erziehung des Kindes teilen (hierzu zuletzt BGH,
Beschluss vom 11. Januar 2017, XII ZB 565/15). Ein „Wechselmodell“ liegt aber nur
dann vor, wenn die Aufteilung in den genannten Bereichen gleichwertig ist. Die
Frage, ob bei einem Elternteil der Schwerpunkt der tatsächlichen Förderung und
Fürsorge liegt oder beide Eltern gleichviel Verantwortung übernehmen, ist abhängig
von der tatrichterlichen Wertung im konkreten Einzelfall. Insoweit ist nicht nur die
Betreuungszeit auschlaggebend, sondern auch welche Aufgaben der jeweilige
Elternteil bei der Kinderbetreuung übernimmt. Dies ergibt sich aus den konkreten
Umständen des Einzelfalls.
Unterhaltsrechtlich wird dieses Modell von der Rechtsprechung so gelöst, dass
abweichend vom gesetzlichen Regelfall in § 1606 Absatz 3 Satz 2 BGB keine
einseitige Barunterhaltsverpflichtung, sondern eine anteilige Barunterhaltspflicht
beider Eltern nach dem Verhältnis ihrer Einkünfte besteht. Anzumerken ist, dass ein
Wechselmodell nur dann unterhaltsrechtlich praktikabel ist, wenn sich die Eltern auch
über die Berechnung des Unterhalts vollständig einig sind und eine handhabbare
Regelung treffen.
Daneben gibt es Fälle, in denen der sogenannte familienferne Elternteil deutlich über
den Regelumgang (also an den Wochenenden im 14-tägigen Turnus sowie anteilig in
den Ferien und an Feiertagen) hinaus Umgang pflegt. Hier handelt es sich zwar nicht
um ein „Wechselmodell“ im engeren Sinne, weil die Betreuungsanteile der Eltern
nicht völlig gleichwertig sind, allerdings weicht dieses Betreuungsmodell von der
üblichen Umgangsregelung ab.
In einem solchen Fall des sogenannten „erweiterten Umgangs“ kann die den
barunterhaltspflichtigen Elternteil treffende finanzielle Mehrbelastung dadurch
ausgeglichen werden, dass im Hinblick auf die von ihm getätigten Aufwendungen
eine Herabstufung um eine oder mehrere Einkommensgruppen der Düsseldorfer
Tabelle erfolgt (BGH, Beschluss vom 5. November 2014 – Aktenzeichen XII ZB
599/13).

Daneben kann im Einzelfall der zu leistende Barunterhalt auch dadurch gemindert
sein, dass der barunterhaltsverpflichtete Elternteil dem Kind im Rahmen des
erweiterten Umgangs Leistungen erbringt, mit denen er den Unterhaltsbedarf auf
andere Weise als durch Zahlung eines Geldbetrags deckt (BGH, Beschluss vom
5. November 2014 - Aktenzeichen XII ZB 599/13).
Dies kann etwa der Fall sein, wenn sich der barunterhaltspflichtige Elternteil in
erheblichem Umfang an dem Kauf von Bekleidung für das Kind beteiligt und hiermit
entsprechende Einsparungen bei dem betreuenden Elternteil einhergehenden. In
diesem Zusammenhang sei auch darauf hingewiesen, dass die Düsseldorfer Tabelle
die Gerichte nicht bindet, sondern einen Leitfaden darstellt, der eine Orientierung
nicht zuletzt der unmittelbar Betroffenen ermöglichen soll. Abweichende
Festlegungen durch den Tatrichter sind im Einzelfall möglich.
Auch im Bereich des Unterhaltsrechts beobachten Bundestag und Bundesregierung
die gesellschaftliche Entwicklung, dass Väter bei der Betreuung ihrer Kinder
zunehmend mehr Verantwortung übernehmen, sehr genau. Aus diesem Grund hat
das BMJV bereits im Mai 2015 ein Symposium zum Unterhalt im „Wechselmodell“
sowie bei „erweitertem Umgang“ veranstaltet.
Konkreter gesetzgeberischer Handlungsbedarf wurde von den Teilnehmern
allerdings damals nicht gesehen.
Bei Resolutionen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates handelt es
sich um politische Beschlüsse, die für die Mitgliedstaaten nicht bindend sind. Das
Bundesverfassungsgericht hat zudem mit Beschluss vom 24. Juni 2015 entschieden,
dass weder Artikel 6 Absatz 2 Grundgesetz noch die UN-Kinderrechtskonvention den
Gesetzgeber dazu verpflichten, die Einräumung einer paritätischen Betreuung
getrennt lebender Eltern als gesetzlichen Regelfall vorzusehen. Es sei eine primär
von den Fachgerichten zu klärende Frage, ob derzeit nach dem Fachrecht die
Anordnung einer paritätischen Betreuung – sei es im Wege sorgerechtlicher
Regelung, sei es als umgangsrechtliche Regelung – möglich ist.
Vor diesem Hintergrund sieht der Petitionsausschuss auch insoweit keinen
Handlungsbedarf.
Im Ergebnis empfiehlt der Petitionsausschuss daher, die Petition der
Bundesregierung – dem BMJV und dem BMFSFJ – als Material zu überweisen,
soweit es um die verschiedenen Betreuungs- und Umgangsformen im Bereich der

Kindererziehung geht, und das Petitionsverfahren im Übrigen abzuschließen, weil
dem Anliegen nicht entsprochen werden konnte.

Begründung (PDF)


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