Strafprozessordnung - Änderung der strafprozessualen Regelungen im Hinblick auf Online- bzw. Haus-Durchsuchungen

Petent/in nicht öffentlich
Petition richtet sich an
Petitionsausschuss des Deutschen Bundestags
58 Unterstützende 58 in Deutschland

Der Petition wurde nicht entsprochen

58 Unterstützende 58 in Deutschland

Der Petition wurde nicht entsprochen

  1. Gestartet 2017
  2. Sammlung beendet
  3. Eingereicht
  4. Dialog
  5. Beendet

Dies ist eine Online-Petition des Deutschen Bundestags.

22.05.2019, 04:24

Pet 4-18-07-3120-044610 Strafprozessordnung

Der Deutsche Bundestag hat die Petition am 16.05.2019 abschließend beraten und
beschlossen:

Das Petitionsverfahren abzuschließen, weil dem Anliegen nicht entsprochen werden
konnte.

Begründung

Mit der Petition wird gefordert, die Voraussetzungen für die Durchführung von
Online-Durchsuchungen, Quellen-Telekommunikationsüberwachungen und
Wohnungsdurchsuchungen zu verschärfen.

Zur Begründung wird im Wesentlichen vorgetragen, dass die Anordnung und
Durchführung von Wohnungsdurchsuchungen in vielen Fällen unverhältnismäßig sei.
Diese sollten lediglich bei Verbrechen möglich sein. Die Maßnahmen würden in der
Hoffnung durchgeführt, Beweismittel zu beschaffen, ohne dass ein hinreichender
Tatverdacht vorliege. Der Richtervorbehalt würde nicht genügen, um eine
verhältnismäßige Vorgehensweise zu garantieren. Es werde befürchtet, dass die
Verhältnismäßigkeit auch im Bereich der Online-Durchsuchung nicht gewahrt werde.
Daher werde gefordert, die Maßnahme nur bei terroristischen Straftaten und
Verbrechen gegen Leib und Leben zuzulassen.

Die Eingabe wurde als öffentliche Petition auf der Internetseite des
Petitionsausschusses eingestellt. Sie wurde von 58 Mitzeichnern unterstützt.
Außerdem gingen 20 Diskussionsbeiträge ein.

Der Petitionsausschuss hat der Bundesregierung Gelegenheit gegeben, ihre Haltung
zu der Thematik darzulegen. Als Ergebnis der parlamentarischen Prüfung wird unter
Einbeziehung der seitens der Bundesregierung angeführten Aspekte festgestellt, dass
bei allen Eingriffsrechten, die den Strafverfolgungsbehörden im Ermittlungsverfahren
gesetzlich zustehen, aus rechtsstaatlichen Gründen der Grundsatz der
Verhältnismäßigkeit zu wahren ist.
Die Regelung zur Wohnungsdurchsuchung nach § 102 Strafprozessordnung (StPO)
entspricht den Vorgaben des Grundgesetzes (GG), wie sie in der Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts konkretisiert worden sind. Die Vorschrift sieht keinen
Straftatenkatalog vor. Sie ist demnach grundsätzlich auf alle Delikte, Verbrechen und
Vergehen anwendbar. Nach § 102 StPO ist eine Wohnungsdurchsuchung dann
möglich, wenn jemand als Täter oder Teilnehmer u. a. einer Straftat verdächtig ist. Ein
Anfangsverdacht muss also bereits bestehen. Dieser darf sich gemäß § 152 Absatz 2
StPO nur auf zureichende tatsächliche Anhaltspunkte stützen. Für die Frage, ob diese
Anhaltspunkte in Form konkreter Tatsachen bereits einen Anfangsverdacht
begründen, wird dann die kriminalistische Erfahrung der Strafverfolgungsbehörde
herangezogen. Ein hinreichender Tatverdacht ist entgegen der in der Petition
vertretenen Ansicht hingegen nicht notwendig.

Die Wohnungsdurchsuchung darf sowohl zur Ergreifung des Verdächtigen, als auch
dann vorgenommen werden, wenn zu vermuten ist, dass die Durchsuchung zur
Auffindung von Beweismitteln führen wird. Sie dient also gerade auch dem Zweck, im
Ermittlungsverfahren Beweismittel herbeizuschaffen.

Nichtsdestotrotz muss in jedem Einzelfall der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit
sowohl von der Strafverfolgungsbehörde selbst, als auch von dem Gericht, welches
den Durchsuchungsbeschluss erlässt, beachtet werden.

Die Voraussetzungen für die Telekommunikationsüberwachung sind in § 100a StPO
geregelt. Das Gesetz verlangt Straftatbestände der schweren und schwer
ermittelbaren Kriminalität. Welche Straftaten davon konkret betroffen sind, sind in
Absatz 2 der Norm abschließend aufgelistet. Für die Qualifizierung als „schwere
Straftat“ hat der Gesetzgeber einen Beurteilungsspielraum bezüglich der Bestimmung
des Unrechtsgehalts eines Delikts. Neben dem gesetzlichen Strafrahmen können auch
das geschützte Rechtsgut und dessen Bedeutung für die Rechtsgemeinschaft
einbezogen werden. Aus Sicht des Petitionsausschusses besteht keine Veranlassung,
den Straftatenkatalog in § 100a StPO zu reduzieren und etwa auf terroristische
Straftaten und Verbrechen gegen Leib und Leben zu beschränken. Er ist in seiner
jetzigen Form nach höchstrichterlicher Rechtsprechung verfassungskonform
(BVerfGE 129, 208 ff.).
Weiterhin bedarf es nach § 100a StPO einer gesicherten Tatsachenbasis („bestimmte
Tatsachen“) sowohl für die Annahme eines Tatverdachts als auch für die Erstreckung
der Maßnahme auf Dritte als Nachrichtenmittler.

Darüber hinaus hat der Gesetzgeber die Überwachung der Telekommunikation nicht
allein an den Verdacht geknüpft, dass jemand Täter oder Teilnehmer einer Katalogtat
im Sinne des § 100a Absatz 2 StPO ist. § 100a Absatz 1 Nummer 2 StPO verlangt
zudem, dass die Tat auch im Einzelfall schwer wiegt. Hinzukommt das Erfordernis,
dass die Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des Aufenthaltsortes des
Beschuldigten ohne die Überwachung der Telekommunikation wesentlich erschwert
oder aussichtslos wäre (§ 100a Abs. 1 Nr. 3 StPO). Damit hat der Gesetzgeber ein
Schutzkonzept geschaffen, das dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entspricht.

Mit dem Gesetz zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des
Strafverfahrens, welches am 24. August 2017 in Kraft getreten ist (Bundesgesetzblatt
Teil I 2017 Nr. 58, S. 3202 ff.), hat der Gesetzgeber bezüglich des § 100a StPO
geregelt, dass auch die laufende Kommunikation während des Übertragungsvorgangs
in Echtzeit auf dem Endgerät abgehört werden kann (§ 100a Absatz 1 Satz 2, Absatz
5 Satz 1 Nummer 1a StPO). Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass
Telekommunikation heute häufig nicht mehr über herkömmliche Telefone, sondern
internetbasiert erfolgt. Dem Nutzer ist dabei oft gar nicht bewusst, auf welchem
technischen Übertragungsweg seine Sprach- oder Textnachrichten übermittelt
werden. Für die Strafverfolgung soll die technische Ausgestaltung der
Telekommunikation daher ebenfalls keinen Unterschied machen. Die engen
Voraussetzungen, die für eine Überwachung der Telekommunikation im Rahmen von
§ 100a StPO gelten, müssen auch bei der neu geschaffenen
Quellen-Telekommunikationsüberwachung vorliegen.

Die Online-Durchsuchung nach § 100b StPO lässt die Überwachung sonstiger Inhalte
informationstechnischer Systeme ebenfalls nur unter strengen Voraussetzungen zu.
Für die Zulässigkeit müssen ebenso bestimmte Tatsachen den Verdacht begründen,
dass jemand als Täter oder Teilnehmer einer „besonders schweren Straftat“ in Frage
kommt. Der abschließende Katalog in § 100b Absatz 2 StPO entspricht dem
Straftatenkatalog, der auch bei der Wohnraumüberwachung gilt. Der Gesetzgeber
bewertet die Eingriffsintensität bei einer Online-Durchsuchung somit ähnlich wie
diejenige einer Wohnraumüberwachung. Für die Wohnraumüberwachung hat das
Bundesverfassungsgericht bereits entschieden, dass der Straftatenkatalog
verfassungskonform ist (BVerfGE 109, 279). Nach Auffassung des
Petitionsausschusses gilt dies auch für den Straftatenkatalog des § 100b StPO.

Zudem ist auch die Zulässigkeit der Online-Durchsuchung davon abhängig, ob die Tat,
auf Grund derer ermittelt wird, auch im Einzelfall schwer wiegt und die Erforschung
des Sachverhalts oder die Ermittlung des Aufenthaltsortes des Beschuldigten auf
andere Weise wesentlich erschwert oder aussichtslos wäre.

Der Ausschuss hält die geltende Rechtslage für sachgerecht und vermag sich nicht für
eine Gesetzesänderung im Sinne der Petition auszusprechen. Auch hinsichtlich des
weiteren Vorbringens sieht der Petitionsausschuss keine Veranlassung zum
Tätigwerden. Der Petitionsausschuss empfiehlt daher, das Petitionsverfahren
abzuschließen, weil dem Anliegen nicht entsprochen werden konnte.

Der von den Fraktionen der AfD und von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gestellte Antrag,
die Petition der Bundesregierung – dem Bundesministerium der Justiz und für
Verbraucherschutz – zur Erwägung zu überweisen und den Fraktionen des Deutschen
Bundestages zur Kenntnis zu geben, ist mehrheitlich abgelehnt worden.

Ebenfalls mehrheitlich abgelehnt worden ist der Antrag der Fraktion der FDP, die
Petition der Bundesregierung – dem Bundesministerium der Justiz und für
Verbraucherschutz – zur Erwägung zu überweisen und den Fraktionen des Deutschen
Bundestages zur Kenntnis zu geben, soweit die Voraussetzungen für die
Online-Durchsuchung nach § 100 b StPO verschärft werden sollen, und das
Petitionsverfahren im Übrigen abzuschließen.

Begründung (PDF)


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