Strukturreform der Bahn - Ersatzlose Streichung der Haftungsausschlüsse der Eisenbahn-Verkehrsordnung (EVO)

Petent/in nicht öffentlich
Petition richtet sich an
Deutschen Bundestag
33 Unterstützende 33 in Deutschland

Der Petition wurde nicht entsprochen

33 Unterstützende 33 in Deutschland

Der Petition wurde nicht entsprochen

  1. Gestartet 2015
  2. Sammlung beendet
  3. Eingereicht
  4. Dialog
  5. Beendet

Dies ist eine Online-Petition des Deutschen Bundestags.

29.08.2017, 16:20

Pet 1-18-12-932-025870

Strukturreform der Bahn


Der Deutsche Bundestag hat die Petition am 15.12.2016 abschließend beraten und
beschlossen:

Das Petitionsverfahren abzuschließen, weil dem Anliegen teilweise entsprochen
worden ist.

Begründung

Mit der Petition wird gefordert, im Hinblick auf die Fahrgastrechte im
Eisenbahnverkehr die Haftungsausschlüsse zu streichen, die entsprechend der
Eisenbahn-Verkehrsordnung und vergleichbarer Verordnungen gewährt werden, eine
Streichung der gewährten Haftungsausschlüsse der Eisenbahn-Verkehrsordnung
und vergleichbarer Verordnungen zu erreichen und zusätzlich eine
Unabdingbarkeitsklausel aufzunehmen.
Zu der auf der Internetseite des Deutschen Bundestages veröffentlichten Eingabe
liegen dem Petitionsausschuss 62 Mitzeichnungen und acht Diskussionsbeiträge vor.
Es wird um Verständnis gebeten, dass nicht auf alle der vorgetragenen
Gesichtspunkte im Einzelnen eingegangen werden kann.
Zur Begründung des Anliegens wird im Wesentlichen ausgeführt, dass
Eisenbahnverkehrsunternehmen und andere Unternehmen im öffentlichen
Personenverkehr nach der gültigen „Eisenbahn-Verkehrsordnung“ (EVO) bis auf
einen sehr geringen Anteil verschuldensunabhängig von der Haftung für
Vermögensschäden durch mangelhafte Leistung (Verspätung, Ausfall etc.) befreit
seien. Ursprünglicher Zweck dieser Verordnung sei es 1938 gewesen, den
Schienenverkehr von solchen Ansprüchen freizuhalten und günstige Fahrpreise zu
gewährleisten. Damals sei der Schienenverkehr noch durch eine Behörde ohne
Gewinnerzielungsabsicht und mit auskömmlicher Mittel –und Personalversorgung als
Monopol geführten worden.
Spätestens seit 1994 hätten jedoch ausnahmslos Unternehmen mit
Profitmaximierungsabsicht den Schienen– und den sonstigen öffentlichen
Personenverkehr betrieben. Dies führe dazu, dass nicht genug in Personal und

Material investiert werde. Entsprechend könne die mit Fahrscheinerwerb geschuldete
Leistung nicht vertragsgerecht, insbesondere fahrplanmäßig, erbracht werden. Der
Fahrplan sei ein „unverbindlicher Richtwert“ geworden, die Verkehrsmittel würden
immer unzuverlässiger. Auch die Fahrpreise seien keineswegs mehr günstig,
verglichen mit den Kosten für Auto und Flugzeug seien sie nahezu unangemessen
hoch.
Für Menschen, die aus beruflichen Gründen pendeln, und Geschäftsreisende seien
diese Entwicklungen im Hinblick auf die Kostenerstattung problematisch. So würden
die Kosten für eine Ersatzbeförderung und/oder Unterkunft im Rahmen der
freiwilligen „Fahrgastrechte“ nur erstattet, wenn die Verspätung zwischen 0.00 Uhr
und 5.00 Uhr eingetreten sei. Zu allen anderen Zeiten müsse der Fahrgast die
erheblichen Kosten selbst tragen, obwohl er sie nicht verschuldet habe. Außerdem
gebe es eine Entschädigung erst ab einer Verspätung von 60 Minuten und nur
anteilig bis zu einem Betrag von 80 Euro. Die zusätzlich gewährte, pauschale
Entschädigung decke bei Inhaberinnen und Inhabern von Zeitkarten nicht einmal den
Aufwand, der nötig sei, um die Entschädigung geltend zu machen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten zu dem Vorbringen und zur Vermeidung von
Wiederholungen wird auf die eingereichten Unterlagen verwiesen.
Der Petitionsausschuss hat der Bundesregierung Gelegenheit gegeben, ihre Ansicht
zu der Eingabe darzulegen und hat die von ihr angeführten Aspekte in seine
parlamentarische Prüfung einbezogen. Das Ergebnis der parlamentarischen Prüfung
lässt sich wie folgt zusammenfassen:
Der Ausschuss hält einleitend fest, dass die maßgebliche Rechtsgrundlage für die
Fahrgastrechte im Eisenbahnverkehr die Verordnung (EG) Nr. 1371/2007 des
Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2007 über die Rechte und
Pflichten der Fahrgäste im Eisenbahnverkehr ist. Diese trat zum 3. Dezember 2009
in Kraft und ist unmittelbar geltendes Recht. Darüber hinaus wurden – über die
Vorgaben der Verordnung (EG) Nr. 1371/2007 hinaus – weitergehende Rechte für
Reisende im Schienenpersonennahverkehr in der Eisenbahnverkehs-Ordnung (EVO)
festgelegt.
Bei Verspätungen, verpassten Anschlusszügen oder Zugausfällen hat der Fahrgast
gegenüber dem Beförderer nach der Verordnung (EG) Nr. 1371/2007 eine Reihe von
Rechten. Beförderer ist gemäß Artikel 3 Nr. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1371/2007
„das vertragliche Eisenbahnunternehmen, mit dem der Fahrgast den

Beförderungsvertrag geschlossen hat, oder eine Reihe aufeinanderfolgender
Eisenbahnunternehmen, die auf der Grundlage dieses Vertrages haften“. Der
Fahrgast kann vom Beförderer gemäß Artikel 16 u. a. die Erstattung des Fahrpreises
oder die Weiterreise mit geänderter Streckenführung verlangen. Voraussetzung dafür
ist, dass die Verspätung bei Ankunft am Zielort des Fahrgastes gemäß
Beförderungsvertrag mehr als 60 Minuten beträgt. Daneben hat der Fahrgast bei
Verspätungen einen Anspruch auf Fahrpreisentschädigung, falls ihm der Fahrpreis
nicht erstattet wurde. Die Höhe der Entschädigung bemisst sich nach der Dauer der
Verspätung (vgl. Artikel 17 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 1371/2007).
Ergänzend hierzu hat der Europäische Gerichtshof mit Urteil vom
26. September 2013 entschieden, dass nach Artikel 17 der Verordnung (EG)
Nr. 1371/2007 ein Eisenbahnunternehmen auch dann eine Fahrpreisentschädigung
wegen Verspätung zu leisten hat, wenn die Verspätung auf höherer Gewalt (z. B.
Witterungsbedingungen) beruht. Ein Eisenbahnunternehmen ist folglich nicht
berechtigt, in seine Allgemeinen Beförderungsbedingungen eine Klausel
aufzunehmen, nach der es von seiner Pflicht zur Fahrpreisentschädigung bei
Verspätungen befreit ist, wenn die Verspätung auf höherer Gewalt oder einem der
Gründe beruht, die in Artikel 32 Absatz 2 ER CIV genannt sind.
Der Ausschuss begrüßt, dass der deutsche Gesetzgeber ferner die Fahrgastrechte
über die Regelungen der Verordnung hinaus durch das Gesetz zur Anpassung
eisenbahnrechtlicher Vorschriften an die Verordnung (EG) Nr. 1371/2007 des
Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2007 über die Rechte und
Pflichten der Fahrgäste im Eisenbahnverkehr erweitert hat. So hat der Fahrgast im
Nahverkehr nach § 17 Absatz 1 EVO u. a. bei einer absehbaren Verspätung von
mindestens 20 Minuten die Möglichkeit, jeden beliebigen anderen Zug zu nehmen,
auch einen Zug des Fernverkehrs. Ist die fahrplanmäßige Ankunft zwischen
00.00 Uhr und 05.00 Uhr morgens, kann auch ein anderes Verkehrsmittel
genommen werden, wie z. B. ein Taxi. Dies gilt auch, wenn der letzte
fahrplanmäßige Zug ausfällt und das Ziel daher nicht mehr vor 24.00 Uhr erreicht
werden kann. Erstattet werden Aufwendungen bis maximal 80 Euro (vgl.
§ 17 Absatz 2 EVO).
Der deutsche Gesetzgeber hat somit bereits Rechte für Reisende festgelegt, die über
die einheitlichen europäischen Vorgaben der Verordnung (EG) Nr. 1371/2007
hinausgehen.

Des Weiteren dürfen nach Artikel 6 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 1371/2007 die
Verpflichtungen gegenüber Fahrgästen – insbesondere durch abweichende oder
einschränkende Bestimmungen im Beförderungsvertrag – nicht eingeschränkt oder
ausgeschlossen werden.
Auch von den Bestimmungen der EVO kann ein Eisenbahnverkehrsunternehmen in
den Beförderungsbedingungen nur zugunsten des Reisenden abweichen.
Ergänzend verweist der Petitionsausschuss auf die seit Dezember 2009 bundesweit
arbeitende Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr e.V. (söp) in
Berlin. Kernaufgabe der söp ist die außergerichtliche und einvernehmliche
Streitbeilegung in individuellen Streitfällen zwischen Reisenden und
Verkehrsunternehmen. Die söp ist von der Bundesregierung als Schlichtungsstelle
anerkannt und zudem bei der Europäischen Union notifiziert. Informationen zu den
Schlichtungsverfahren bei der söp finden sich im Internet unter: www.soep-
online.de/die-schlichtung.html.
Abschließend hält der Ausschuss fest, dass es entgegen der mit der Petition
vorgetragenen Auffasssung bereits eine Reihe von Tatbeständen im
Eisenbahnverkehr gibt, bei denen das betroffene Eisenbahnverkehrsunternehmen
sich nicht von der Haftung befreien und enthaften kann. In Verbindung mit den
dargestellten bundesdeutschen Regelungen, die teilweise über die EU-Vorgaben
hinausgehen, sieht der Ausschuss die Rechte der Reisenden im Eisenbahnverkehr
bereits in einem begrüßenswerten Umfang gewährleistet. Da die Fahrgastrechte-
Verordnung zudem mittelfristig auf europäischer Ebene überarbeitet wird, ist mit
einer weiteren Stärkung der Fahrgastrechte zu rechnen.
Der Petitionsausschuss empfiehlt daher, das Petitionsverfahren abzuschließen, weil
dem Anliegen teilweise entsprochen worden ist.

Begründung (PDF)


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