Versicherungsvertragsrecht - Mitwirkungspflicht des Versicherungsinteressenten im Rahmen der Gesundheitsprüfung

Petent/in nicht öffentlich
Petition richtet sich an
Deutschen Bundestag
85 Unterstützende 85 in Deutschland

Der Petition wurde nicht entsprochen

85 Unterstützende 85 in Deutschland

Der Petition wurde nicht entsprochen

  1. Gestartet 2012
  2. Sammlung beendet
  3. Eingereicht
  4. Dialog
  5. Beendet

Dies ist eine Online-Petition des Deutschen Bundestags.

18.11.2015, 16:14

Pet 4-17-07-7617-044091Versicherungsvertragsrecht
Der Deutsche Bundestag hat die Petition am 20.02.2014 abschließend beraten und
beschlossen:
Das Petitionsverfahren abzuschließen, weil dem Anliegen teilweise entsprochen
worden ist.
Begründung
Der Petent fordert unter anderem, die Mitwirkungspflicht eines
Versicherungsinteressenten im Rahmen der sogenannten Gesundheitsprüfung zu
präzisieren und zu beschränken.
Zur Begründung trägt der Petent im Wesentlichen vor, es komme im Rahmen der
Gesundheitsprüfung, die Versicherer vor Abschluss einer privaten
Krankenversicherung sowie einer Berufsunfähigkeitsversicherung durchführen,
immer wieder vor, dass die Antragsteller Gesundheitsfragen unvollständig oder
fehlerhaft beantworten. Dies geschehe teilweise vorsätzlich, größtenteils aber
aufgrund Fahrlässigkeit. Der Versicherungsvertrag komme dann zwar oftmals trotz
fehlerhafter Angaben zustande, da die Versicherer vor Vertragsannahme die
Angaben nur grob prüfen würden. Im Versicherungsfall würden die Versicherer dann
jedoch die Angaben intensiver prüfen und bei Diskrepanzen im Regelfall den Vertrag
„anfechten“, mit der Folge, dass die Versicherten keine Leistung erhielten, mithin
ohne Versicherungsschutz daständen. Um dem entgegenzuwirken, fordert der
Petent:
1. die Mitwirkungspflicht des Antragsstellers (Versicherungsinteressenten) im
Rahmen der Gesundheitsprüfung zu präzisieren und darauf zu beschränken, dass
alle behandelnden Ärzte oder Einrichtungen benannt und von ihrer Schweigepflicht
gegenüber dem Versicherer entbunden werden;
2. die Anfechtung des Versicherungsvertrags nach Eintritt des versicherten
Ereignisses auszuschließen und stattdessen den Versicherer im Fall von
Falschangaben ganz oder teilweise von seiner Leistungspflicht zu befreien, wobei

sich der Umfang der Befreiung sowohl nach der Dauer des
Versicherungsverhältnisses als auch danach richten sollte, ob die fehlerhafte Angabe
vorsätzlich oder fahrlässig erfolgte und ob und inwiefern ein Zusammenhang
zwischen dem verschwiegenen Umstand und dem den Versicherungsfall
auslösenden Ereignis besteht;
3. den Versicherer, der von seiner Leistungspflicht ganz oder teilweise befreit ist, zu
verpflichten, die zuvor vom Versicherungsnehmer geleisteten Versicherungsbeiträge
entsprechend „dem Grad der Geringerleistung“ unverzinst und ohne Abzüge
zurückzuerstatten.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten zu dem Vorbringen wird auf die vom Petenten
eingereichten Unterlagen verwiesen.
Die Eingabe wurde als öffentliche Petition auf der Internetseite des Deutschen
Bundestages eingestellt und dort diskutiert. Es gingen 85 Mitzeichnungen und
13 Diskussionsbeiträge ein.
Der Petitionsausschuss hat der Bundesregierung Gelegenheit gegeben, ihre Haltung
zu der Eingabe darzulegen. Das Ergebnis der parlamentarischen Prüfung lässt sich
unter anderem unter Einbeziehung der seitens der Bundesregierung angeführten
Aspekte wie folgt zusammenfassen:
Durch das Gesetz zur Reform des Versicherungsvertragsrechts vom
20. Dezember 2006 wurde das Versicherungsvertragsrecht im Hinblick auf den
Regelungskomplex der vorvertraglichen Anzeigepflichten grundlegend reformiert. Die
am 1. Januar 2008 in Kraft getretenen Regelungen beruhen weitestgehend auf
Vorschlägen der vom Bundesjustizministerium im Juni 2000 eingesetzten
Kommission zur Reform des Versicherungsvertragsrechts, die sich intensiv mit
diesem Themenkreis befasst hat.
Gesetzgeberisches Ziel war es, ein System zu schaffen, das die Interessen aller
Beteiligten – des Versicherungsnehmers, der Versicherung, aber auch der
Versichertengemeinschaft, die zusätzliche Kosten zu tragen hat – angemessen
berücksichtigt. Grundlage war die Überlegung, dass der Versicherer ein konkretes
Risiko übernimmt, dessen Einschätzung ihm nur auf der Grundlage von zutreffenden
Angaben des Versicherungsnehmers möglich ist. Deshalb sind Anzeigepflichten
ebenso erforderlich wie unter Umständen weit reichende Rechtsfolgen für den Fall
unzutreffender Angaben des Versicherungsnehmers (vgl. Gesetzesbegründung in:
BT-Drs. 16/3945, S. 49).

Eine wichtige Änderung betraf die Anzeigepflicht. So muss der Versicherungsnehmer
heute vor Vertragsschluss grundsätzlich nur noch solche Umstände anzeigen, nach
denen der Versicherer in Textform gefragt hat,
§ 19 Absatz 1 Versicherungsvertragsgesetz (VVG). Der Versicherer hat die Fragen
zu stellen, die aus seiner Sicht für die Bewertung des zu versichernden Risikos
erheblich sind. Das Risiko einer Fehleinschätzung liegt damit – anders als nach
altem Recht, nach welchem der zukünftige Versicherungsnehmer auch ungefragt alle
gefahrerheblichen Umstände anzeigen musste – beim Versicherer (vgl.
Gesetzesbegründung in: BT-Drs. 16/3945, S. 64). Durch diese Gesetzesänderung
wurde der zukünftige Versicherungsnehmer erheblich entlastet.
Eine weitergehende Präzisierung der Anzeigepflicht ist nicht erforderlich. Es ist
hinreichend klar, dass lediglich die in Textform gestellten Fragen des Versicherers
erschöpfend zu beantworten sind.
Auch die vom Petenten geforderte Beschränkung der Anzeigepflicht auf die
Benennung der behandelnden Ärzte nebst deren Entbindung von der
Schweigepflicht erscheint nicht erforderlich. Es sind keine hinreichenden Gründe
ersichtlich, warum dem Versicherer die Pflicht, sich beim behandelnden Arzt nach
eventuellen Vorerkrankungen zu erkundigen, auferlegt werden sollte.
Datenschutzrechtliche als auch ökonomische Erwägungen – eine standardmäßige
Abfrage bei möglicherweise mehreren Ärzten verursacht zusätzliche
Verwaltungskosten – sprechen vielmehr dafür, den Versicherungsnehmer zu
befragen.
Die Versicherer dürfen sich – entgegen der Annahme des Petenten – nicht auf eine
oberflächliche bzw. grobe Prüfung der gefahrerheblichen Angaben beschränken.
Vielmehr haben sie die Angaben zu prüfen und bei Unklarheiten, d. h. beim
Vorliegen von Anhaltspunkten dafür, dass die bislang erteilten Auskünfte noch nicht
abschließend oder nicht vollständig richtig sind, nachzufragen. Unterlässt ein
Versicherer die vor Vertragsschluss gebotene Risikoprüfung, kann es ihm nach den
Grundsätzen von Treu und Glauben verwehrt sein, später ein Anfechtungs-,
Rücktritts- oder Kündigungsrecht auszuüben (vgl. Langheid in: Römer/Langheid,
VVG, 3. Aufl., § 19 Rn. 59, 63 mit weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung).
Es trifft allerdings zu, dass Falschangaben oft erst im Zusammenhang mit
erforderlich werdenden Behandlungen auffallen. Daraus sollte jedoch nicht der
Schluss gezogen werden, der Versicherer müsse verpflichtet werden, noch intensiver
prüfen. Um etwaige Falschangaben, die erst durch eine ärztliche Behandlungen

auffallen, vorab aufdecken zu können, wäre in der Regel eine ärztliche Untersuchung
vor Vertragsabschluss erforderlich. Dies würde unvertretbar hohe Kosten
verursachen, die über die Versicherungsprämien von der Versichertengemeinschaft
zu tragen wären.
Der Forderung des Petenten, dass der Versicherer abhängig von der Schwere der
Anzeigepflichtverletzung, der Dauer des Versicherungsverhältnisses und einer
Ursächlichkeit des verschwiegenen Umstands für den Versicherungsfall ganz oder
teilweise von seiner Leistungspflicht frei werden soll, entspricht die geltende
Rechtslage bereits. Durch das Reformgesetz wurde das sog. „Alles-oder-Nichts-
Prinzip“ aufgegeben und ein abgestuftes Modell eingeführt:
Bei schuldloser Anzeigepflichtverletzung und einfacher Fahrlässigkeit bleibt
der Versicherer im Regelfall in vollem Umfang zur Leistung verpflichtet. Der
Versicherer hat allerdings das Recht, den Vertrag anzupassen, wenn dieser
bei Kenntnis des nicht oder falsch angezeigten Umstands zu anderen
Bedingungen geschlossen worden wäre (§ 19 Absatz 4 VVG), oder, wenn der
Vertrag bei Kenntnis des Umstands nicht geschlossen worden wäre, diesen
mit Wirkung für die Zukunft zu kündigen (§ 19 Absatz 3 VVG). Bei der
Krankenversicherung stehen dem Versicherer bei schuldloser
Anzeigepflichtverletzung überhaupt keine Rechte zu (vgl. § 194 Absatz 1 Satz
3 VVG, § 206 VVG; vgl. dazu auch Langheid a.a.O. § 194 Rn. 9).
Bei grob fahrlässiger Anzeigepflichtverletzung kann der Versicherer zwar vom
Vertrag zurücktreten, wenn er den Vertrag bei Kenntnis des nicht oder falsch
angezeigten Umstands nicht oder nur zu anderen Bedingungen geschlossen
hätte, vgl. § 19 Absatz 2 und 4 VVG. Er bleibt aber im Fall des Rücktritts
jedenfalls dann gemäß § 21 Absatz 2 Satz 1 VVG im konkreten Fall zur
Leistung verpflichtet, wenn sich die Anzeigepflichtverletzung auf einen
Umstand bezieht, der weder für den Eintritt oder die Feststellung des
Versicherungsfalles noch für die Feststellung oder den Umfang der
Leistungspflicht des Versicherers ursächlich ist. Dies gilt auch bei einem
Rücktritt, den der Versicherer aufgrund einer vorsätzlichen
Anzeigepflichtverletzung des Versicherungsnehmers erklärt hat.
Lediglich bei einer arglistigen Anzeigepflichtverletzung des
Versicherungsnehmers, d. h. wenn der zukünftige Versicherungsnehmer
bewusst einen gefahrerheblichen Umstand verschweigt oder verschleiert, um

den Versicherer zu täuschen, ist der Versicherer in keinem Fall zur Leistung
verpflichtet, vgl. § 21 Absatz 2 Satz 2 VVG.
Das Versicherungsvertragsgesetz räumt also dem Versicherer je nach Grad des
Verschuldensvorwurfs bezüglich der Anzeigepflichtverletzung verschiedene Rechte
ein: das Rücktritts-, das Kündigungs- und das Vertragsanpassungsrecht
(§ 19 Absatz 2 bis 4 VVG).
Ein Anfechtungsrecht steht dem Versicherer gegen den Versicherungsnehmer im
Übrigen nur bei arglistiger Anzeigepflichtverletzung zu, vgl. § 22 VVG. Da der
arglistig täuschende Versicherungsnehmer nicht schutzwürdig ist, besteht kein
Grund, dieses Recht gänzlich auszuschließen.
Die Dauer des Versicherungsverhältnisses wird ebenfalls hinreichend berücksichtigt,
denn es ist geregelt, dass die Rechte nach § 19 Absatz 2 bis 4 VVG nach Ablauf von
fünf Jahren nach Vertragsschluss (§ 21 Absatz 3 Satz 1 VVG) bzw. bei der
Krankenversicherung nach Ablauf von drei Jahren nach Vertragsschluss
(§ 194 Absatz 1 Satz 4 VVG), bei vorsätzlicher oder arglistiger
Anzeigepflichtverletzung nach 10 Jahren erlöschen.
Insoweit ist dem Anliegen des Petenten zumindest teilweise entsprochen worden.
Der Forderung des Petenten, die Versicherungsbeiträge bei vollständiger oder
teilweiser Leistungsfreiheit des Versicherers zurückzuerstatten, kann nicht gefolgt
werden. § 39 Absatz 1 Satz 2 VVG bestimmt, dass dem Versicherer die Prämie bis
zum Wirksamwerden einer Rücktritts- oder Anfechtungserklärung zusteht. Im Fall der
arglistigen Täuschung entspricht dies der Billigkeit (vgl. Gesetzesbegründung in: BT-
Drs. 16/3945, S. 72). Derjenige, der bewusst täuscht, um sich auf Kosten der
Versichertengemeinschaft einen Vorteil zu verschaffen, soll nicht dadurch „belohnt“
werden, dass ihm im Falle der Entdeckung seine Beiträge zurückgezahlt werden.
Aber auch für den Rücktritt des Versicherers nach § 19 Absatz 2 VVG bei
vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Anzeigepflichtverletzung ist es angemessen,
dem Versicherer den Prämienanspruch bis zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens des
Rücktritts einzuräumen, da er – wie dargelegt – nach § 21 Absatz 2 Satz 1 VVG zur
Leistung verpflichtet ist, wenn die Verletzung der Anzeigepflicht für den
Versicherungsfall nicht ursächlich ist (Gesetzesbegründung in: BT-Drs. 16/3945,
S. 72).
Im Übrigen soll damit – wie mit dem Sanktionensystem des §§ 19 bis 21 VVG im
Ganzen – eine Präventivwirkung erreicht werden: Die teils schwerwiegenden Folgen

einer Anzeigepflichtverletzung sollen zu einer vollständigen und wahrheitsgemäßen
Beantwortung der Fragen des Versicherers veranlassen. Damit der
Versicherungsnehmer sich der Bedeutung seiner Angaben bewusst ist, hat der
Versicherer gemäß § 19 Absatz 5 Satz 1 VVG den Versicherungsnehmer durch
gesonderte Mitteilung auf die Folgen einer Anzeigepflichtverletzung hinzuweisen.
Unterlässt er diesen Hinweis, kann er die Rechte nach § 19 Absatz 2 bis 4 VVG nicht
geltend machen.
Der Ausschuss hält die geltende Rechtslage für sachgerecht und vermag sich nicht
für eine weitergehende Gesetzesänderung im Sinne des Petenten auszusprechen.
Der Petitionsausschuss empfiehlt daher, das Petitionsverfahren abzuschließen, weil
dem Anliegen des Petenten teilweise entsprochen worden ist.Begründung (pdf)


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