29/08/2017, 10:42
Frank BrenneckeStrafprozessordnung
Der Deutsche Bundestag hat die Petition am 08.11.2012 abschließend beraten und
beschlossen:
Das Petitionsverfahren abzuschließen, weil dem Anliegen nicht entsprochen werden
konnte.
Begründung
Mit der Petition wird gefordert: Der Deutsche Bundestag möge beschließen, die
Vorratsdatenspeicherung bleibt mindestens so lange ausgesetzt, bis die EU-
Kommission eine neue Richtlinie zur EU-weiten Vorgehensweise verabschiedet hat.
Zur Begründung trägt der Petent im Wesentlichen vor, dass der von der EU-
Kommission am 18. April 2011 vorgelegte Evaluationsbericht Hinweise auf „viele
Fehler oder Unklarheiten“ bei der aktuellen Richtlinie enthalte. Eine neue Richtlinie,
die Verbesserungen bringen werde, stehe noch aus. Gleichwohl habe die EU-
Kommission die Bundesregierung aufgefordert, die bestehende und „offensichtlich
fehlerhafte“ alte Richtlinie umzusetzen. Dies sei jedoch nicht verantwortbar;
insbesondere beständen verfassungsrechtliche Bedenken.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten zu dem Vorbringen wird auf die vom Petenten
eingereichten Unterlagen verwiesen.
Die Eingabe wurde als öffentliche Petition auf der Internetseite des
Petitionsausschusses eingestellt. Sie wurde von 1.967 Mitzeichnern unterstützt.
Außerdem gingen 18 Diskussionsbeiträge ein.
Der Petitionsausschuss hat zu der Eingabe mehrere Stellungnahmen des
Bundesministeriums der Justiz (BMJ) eingeholt. Unter Einbeziehung der
vorliegenden Stellungnahmen lässt sich das Ergebnis der parlamentarischen Prüfung
wie folgt zusammenfassen:
In seinem am 2. März 2010 verkündeten Urteil hat der Erste Senat des
Bundesverfassungsgerichts die §§ 113a und 113b des Telekommunikationsgesetzes
wegen Verstoßes gegen Artikel 10 des Grundgesetzes für nichtig erklärt (1 BvR
256/08). § 100g Absatz 1 Satz 1 der Strafprozessordnung wurde ebenfalls wegen
Verstoßes gegen Artikel 10 des Grundgesetzes für nichtig erklärt, soweit danach
Verkehrsdaten nach § 113a des Telekommunikationsgesetzes erhoben werden
durften. Im Ergebnis hat das Gericht damit die der nationalen Umsetzung der
Richtlinie 2006/24/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom
15. März 2006 über die Vorratsspeicherung von Daten, die bei der Bereitstellung
öffentlich zugänglicher elektronischer Kommunikationsdienste oder öffentlicher
Kommunikationsnetze erzeugt oder verarbeitet werden, und zur Änderung der
Richtlinie 2002/58/EG dienenden Regelungen verworfen.
Die Richtlinie 2006/24/EG selbst war Gegenstand einer Bewertung durch die Organe
der Europäischen Union: Artikel 14 der Richtlinie gibt vor, dass die Kommission dem
Europäischen Parlament und dem Rat eine Bewertung der Anwendung dieser
Richtlinie sowie ihrer Auswirkungen auf die Wirtschaftsbeteiligten und die
Verbraucher vorlegt, um festzustellen, ob die Bestimmungen dieser Richtlinie,
insbesondere die Liste von Daten in Artikel 5 und die in Artikel 6 vorgesehenen
Speicherungsfristen, gegebenenfalls geändert werden müssen.
Unter dem 18. April 2011 hat die Europäische Kommission ihren Bewertungsbericht
vorgelegt und angekündigt, eine Folgenabschätzung durchzuführen und auf dieser
Grundlage Änderungsvorschläge für die Richtlinie zu präsentieren.
Wie das BMJ in seinen Stellungnahmen mitgeteilt hat, ist die Frage zum Verfahren
und zum Zeitplan für eine erneute Umsetzung der Richtlinie Gegenstand einer
intensiven und umfassenden, bislang nicht abgeschlossenen Prüfung durch die
Bundesregierung. Dabei sind nicht nur das Urteil des Bundesverfassungsgerichts
und die daraus zu ziehenden konkreten Konsequenzen für das nationale Recht zu
berücksichtigen, um abzuschätzen, welche Maßnahmen konkret zur Erfüllung der
Richtlinie eingeleitet werden müssen. Auch die Erkenntnisse aus dem am 18. April
2011 vorgelegten Bewertungsbericht zur Richtlinie sowie damit verbundene
europarechtliche Fragen sind Aspekte, die nach Auskunft des BMJ in die Prüfung
und die abschließende Gesamtbewertung zum Inhalt und Umfang des
gesetzgeberischen Handlungsbedarfs einfließen werden.
Demgemäß ist das mit der Petition aufgeworfene Problem sowohl beim Deutschen
Bundestag als auch bei der Bundesregierung hinreichend bekannt; eine
Überweisung der Eingabe an das BMJ oder die Fraktionen des Bundestages ist
insoweit entbehrlich.
Ein besonderer Beschluss des Deutschen Bundestages zur weiteren vorläufigen
Aussetzung der Vorratsdatenspeicherung ist hingegen nicht erforderlich. Ein
Beschluss des Parlaments mit der Aufforderung an sich selbst, nicht tätig werden zu
wollen, erübrigt sich. Er hätte rechtlich auch keine Bindungswirkung, da es dem
Parlament selbstverständlich jederzeit freistehen muss, eine Lage neu zu bewerten
und gesetzgeberisch tätig zu werden.
Sinn würde ein solcher Beschluss allenfalls machen, wenn es darum ginge, ein
entsprechendes Handeln Dritter – hier: der Bundesregierung – zu unterbinden. Ein
Gesetz zur (Wieder-) Einführung der Vorratsdatenspeicherung würde jedoch gar
nicht von der Bundesregierung beschlossen werden können: Sie kann allenfalls
einen Antrag zur Gesetzgebung ins Parlament einbringen; die
Gesetzgebungskompetenz selbst liegt bei Bundestag und Bundesrat. Der
Petitionsausschusses sieht daher keine Veranlassung, sich für einen Beschluss im
Sinne der Eingabe auszusprechen.
Der Petitionsausschuss empfiehlt daher, das Petitionsverfahren abzuschließen, weil
dem Anliegen des Petenten nicht entsprochen werden konnte.
Begründung (PDF)