Pet 4-17-07-4516-029971Eigentumsdelikte
Der Deutsche Bundestag hat die Petition am 16.05.2013 abschließend beraten und
beschlossen:
Das Petitionsverfahren abzuschließen, weil dem Anliegen nicht entsprochen werden
konnte.
Begründung
Mit der Petition wird gefordert, dass das Sammeln von weggeworfenen
Lebensmitteln z. B. bei Lebensmittelmärken, das sogenannte "Containern" bzw.
"Dumpstern", nicht als Diebstahl bestraft wird.
Zur Begründung wird im Wesentlichen vorgetragen, dass beispielsweise von
Supermärkten täglich zahlreiche noch zum Verzehr geeignete Lebensmittel
weggeworfen würden, weil das Mindesthaltbarkeitsdatum abgelaufen ist oder die
Lebensmittel geringfügige Fehler aufweisen. Menschen, die diese Lebensmittel aus
dem Müll aufsammelten, sei es aus finanzieller Not oder aus Protest gegen die
Lebensmittelüberproduktion, würden Gefahr laufen wegen Diebstahls angezeigt zu
werden.
Es wird vorgeschlagen, Müll als herrenlose Sache zu behandeln, damit der
Tatbestand des Diebstahls nicht greift.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten zu dem Vorbringen wird auf die mit der Petition
eingereichten Unterlagen verwiesen.
Die Eingabe wurde als öffentliche Petition auf der Internetseite des
Petitionsausschusses eingestellt. Sie wurde von 6.047 Mitzeichnern unterstützt.
Außerdem gingen 327 Diskussionsbeiträge ein.
Dem Petitionsausschuss liegen zu diesem Thema mehrere Eingaben mit verwandter
Zielsetzung vor, die wegen des Sachzusammenhangs einer gemeinsamen
parlamentarischen Prüfung unterzogen werden. Es wird um Verständnis gebeten,
dass nicht auf alle der vorgetragenen Aspekte im Einzelnen eingegangen werden
kann.
Der Petitionsausschuss hat zu der Thematik Stellungnahmen des
Bundesministeriums der Justiz (BMJ) sowie des Bundesministeriums für Ernährung,
Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV) eingeholt. Unter Einbeziehung der
vorliegenden Stellungnahmen lässt sich das Ergebnis der parlamentarischen Prüfung
wie folgt zusammenfassen:
Eine generelle Herausnahme des „Containerns“ aus dem Diebstahlstatbestand
(§ 242 des Strafgesetzbuchs - StGB) dürfte kein geeignetes Mittel für das Problem
„Überflussgesellschaft, Vermeidung des Wegwerfens noch essbarer Lebensmittel“
sein.
Zu der in der Petition angesprochenen rechtlichen Frage ist dabei auf Folgendes
hinzuweisen:
Wie das BMJ sachlich und rechtlich zutreffend ausführt, können „weggeworfene“
Lebensmittel durchaus im zivilrechtlichen Sinn herrenlos sein, was dazu führen
würde, dass die Annahme eines Eigentumsdelikts wie insbesondere des Diebstahls
von vornherein ausgeschlossen wäre. Voraussetzung hierfür ist, dass der
Eigentümer in der Absicht, auf das Eigentum zu verzichten, den Besitz der Sache
aufgibt (§ 959 des Bürgerlichen Gesetzbuchs - BGB). Ob ein Wille zum
Eigentumsverzicht vorliegt, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Er wird
dann anzunehmen sein, wenn dem Wegwerfenden das rechtliche Schicksal der
Sache ersichtlich gleichgültig ist. Ein Verzichtswille liegt hingegen nicht vor, wenn der
Eigentümer das Eigentum an der Sache nur zugunsten einer bestimmten Person
oder eines Entsorgungsunternehmens, aufgeben will.
Die Anregung, dass Müll stets als herrenlos gelten und damit anders als andere
bewegliche Sachen behandelt werden sollte, kann nach Auffassung des
Petitionsausschusses nicht befürwortet werden. Ein solcher Eingriff in die
Rechtsposition des Eigentümers wäre – auch ungeachtet der damit verbundenen
grundrechtlichen Fragen – nicht geeignet, dem Problem des Wegwerfens noch
verzehrbarer Lebensmittel wirksam zu begegnen. Zum Einen wäre eine
rechtssichere Abgrenzung, welcher Abfall in welchen Behältnissen von einer solchen
Sonderregelung erfasst sein sollte, wegen der Vielzahl denkbarer Fallkonstellationen
nicht möglich. Zudem würde eine solche Regelung in all den Fällen ins Leere laufen,
in denen der Ort, an dem sich der Müll befindet, nicht frei zugänglich ist. Im Übrigen
kann der Eigentümer durchaus ein schützenswertes Interesse daran haben, dass
sein Müll nicht von jedermann durchsucht werden kann.
Schließlich wäre die in der Petition vorgeschlagene Änderung des Sachenrechts
auch wegen der daneben bestehenden öffentlich-rechtlichen Vorgaben,
insbesondere im Bereich des Lebensmittelrechts, nicht Ziel führend. Der allgemeine
Straftatbestand des Diebstahls korrespondiert nämlich mit einer strafrechtlich
relevanten Verantwortlichkeit des Lebensmittelunternehmers für das
Inverkehrbringen von Lebensmitteln und unter Umständen entsprechender
Verkehrssicherungspflichten. Es kann nicht generell ausgeschlossen werden, dass
Abfallbehälter auch Lebensmittel enthalten, die gesundheitsschädlich oder für den
Verzehr durch den Menschen ungeeignet sind und der Lebensmittelunternehmer
damit unter Umständen durch das Bereitstellen von Lebensmitteln in Abfallcontainern
verbotswidrig Lebensmittel in den Verkehr bringt.
Allerdings teilt der Petitionsausschuss insoweit die in der Petition geäußerte
Auffassung, als er ein generelles Vorgehen gegen die häufig vorzeitige Vernichtung
von Lebensmitteln befürwortet.
Er begrüßt daher die aktuellen Initiativen des BMELV zur Wertschätzung von
Lebensmitteln für das richtige Verständnis und die richtige Handhabung des
Mindesthaltbarkeitsdatums in der Praxis.
Des Weiteren weist er darauf hin, dass die Bundesrepublik Deutschland sich auf
europäischer Ebene bereits für einige Maßnahmen eingesetzt hat, die die Mengen
der Lebensmittelabfälle minimieren sollen: So wurden im Jahr 2007 im Bereich Obst
und Gemüse 26 Vermarktungsordnungen abgeschafft, mit der Folge, dass jetzt auch
solche Lebensmittel, die nicht den standardisierten Vorgaben entsprechen,
vermarktet werden dürfen.
Darüber hinaus werden in der Praxis derartige Lebensmittel bereits häufig an Tafeln
oder andere gemeinnützige Institutionen abgegeben. Das liegt jedoch im Ermessen
der jeweiligen Verkaufsstelle.
Der Ausschuss hält die geltende Rechtslage für sachgerecht und vermag sich nicht
für eine Gesetzesänderung im Sinne der Petition auszusprechen.
Der Petitionsausschuss empfiehlt daher, das Petitionsverfahren abzuschließen, weil
dem Anliegen nicht entsprochen werden konnte.
Begründung (PDF)