Am 30. Juni 2021 wurden Seljveta und Selatin nach 30 Jahren in Deutschland abgeschoben. Sie flohen damals aus dem Kosovo. Ihre sechs Kinder und ihre Enkelkinder leben in Deutschland, mit teils festen Aufenthaltstiteln oder gar der deutschen Staatsangehörigkeit.
Sie sind schockiert, verzweifelt. Sie machen sich große Sorgen und sie vermissen ihre Eltern/ Großeltern unglaublich. Sie versuchen alles, damit die Eltern zurückkommen können. Diese gewaltsame Trennung macht sie krank.
Wir verurteilen die Abschiebung von Seljveta und Selatin als unmenschlichen Akt einer inhumanen Ausländerpolitik.
Die Abschiebung erfolgte zwei Wochen, bevor der Landkreis Göttingen öffentlich machte, am Projekt Wege ins Bleiberecht des Niedersächsischen Flüchtlingsrats teilzunehmen. Die beiden wären geeignete Teilnehmende für das Projekt gewesen, das langjährig in Deutschland lebenden Menschen unterstützt, einen Aufenthalt zu bekommen. Wegen der Abschiebung wurde ihnen die Chance genommen, wieder einen Aufenthalt zu bekommen.
In Serbien haben Seljveta und Selatin niemanden, keine Wohnung, kein Einkommen. Sie sind beide krank. Insbesondere Selatin ist chronisch krank – körperlich und psychisch. In Serbien hat er Probleme, seine notwendigen Medikamente zu bekommen. Sie wurden nach Serbien abgeschoben, obwohl sie dort gar nicht herkommen, kaum Serbisch sprechen. Ihre ganze Familie ist hier.
Zudem ist Seljveta die Schwester von Gani Rama, der vor zwei Jahren nach seiner Abschiebung von einem kosovo-albanischen Nationalisten am helllichten Tag in Priština ermordet worden ist. Es gibt immer noch viel Gewalt in Serbien und im Kosovo gegen Roma. So leben die beiden voll Angst und Verzweiflung in Serbien und hoffen jeden Tag darauf, wieder zu ihrer Familie zu können.
Unabhängige Kommission Antiziganismus fordert sofortigen Abschiebestopp und Bleiberecht für Roma:
„In der Asylpolitik des wiedervereinigten Deutschlands führten seit 1990 antiziganistisch geprägte Debatten und Praktiken zu einer erheblichen Benachteiligung von Roma, die in Deutschland Schutz vor Diskriminierung, Gewalt und Krieg suchten. Fluchtursachen wurden nicht anerkannt, und auch eine historische Verantwortung wurde für diese Überlebenden und Nachkommen eines vom nationalsozialistischen Deutschland zu verantwortenden Genozids von der Bundesrepublik nicht übernommen. Insbesondere Roma, die aus Jugoslawien und den postjugoslawischen Staaten nach Deutschland flohen, wurde Zugang zu Recht, Wohnen, Gesundheit, Bildung und Arbeit erheblich erschwert oder gar verweigert. Ihnen wurde damit jegliche Zukunftsperspektive verwehrt.“
Weitere Infos:
https://ran.eu.com/roma-ehepaar-nach-30-jahren-aus-landkreis-gottingen-abgeschoben/
https://ran.eu.com/gani-rama-hashim-thaci-und-der-lange-schatten-des-kosovokrieges-2/
https://ran.eu.com/wege-ins-bleiberecht-wib-projekt-fur-langzeitgeduldete-in-gottingen-gestartet/
https://ran.eu.com/unabhangige-kommission-antiziganismus-empfiehlt-sofortigen-abschiebe-stopp-und-bleiberecht-fur-roma/
https://ran.eu.com/bleiberecht-fur-langjahrig-geduldete-ubergabe-des-offenen-briefes-an-die-stadt-gottingen/