Der Deutsche Bundestag möge beschließen ...eine neue Steuerreform Der deutsche Staat schröpft seine Bürger. Im statistischen Durchschnitt muss jeder die ersten sechs Monate des Jahres ausschließlich für das Finanzamt und die Sozialkassen arbeiten. Die Steuer- und Soziallastquote beläuft sich auf mehr als 50 Prozent. Zu einer nachhaltigen Steuerreform kann sich die Politik jedoch nicht durchringen.
Պատճառ
Steuersystem ohne Systematik Köhler wies auf Zusammenhänge hin, die in der Vergangenheit immer wieder für erbitterte politische Diskussionen gesorgt haben. In ihrem Mittelpunkt standen Persönlichkeiten wie der CDU-Politiker Friedrich Merz oder der ehemalige Verfassungsrichter Professor Paul Kirchhof. Beide hatten Vorschläge für ein einfaches Steuersystem unterbreitet und waren deswegen - zu Unrecht - angefeindet worden. Dabei sind die Missstände in unserem überregulierten und nicht mehr durchschaubaren Steuersystem offenkundig. Von Systematik kann hier keine Rede mehr sein. Der Fiskus kassiert nach Ansicht fast aller Steuerrechtler und Finanzwissenschaftler schon seit langem ohne erkennbare Ordnung ab. Das fängt schon bei der großen Zahl von etwa vierzig Steuerarten an. Andere Länder wie die Vereinigten Staaten kommen mit deutlich weniger Steuern aus und verfügen - was noch wichtiger erscheint - über viel einfachere Gesetze. In Deutschland weist das Einkommensteuerrecht, wie die Bremer Ökonomin Angelina Sörgel kritisiert, inzwischen "mehr Ausnahmen als Regeln auf". Und die Gesetzes- und Verordnungsflut, die das fiskalische Regelwerk immer komplizierter macht, ebbt einfach nicht ab. Die Regulierungswut ist nicht zuletzt eine Folge der hohen Steuerlast. Da der Staat einerseits mit dem progressiven Einkommensteuertarif den Bogen überspannt, muss er andererseits das Einkommensteuersystem mit einer Vielzahl von Absetzungsmöglichkeiten durchlöchern. Nur so lässt sich sicherstellen, dass der Steuerbürger nicht vollends überfordert wird. Steuergerechtigkeit ist in Deutschland eine Fiktion Viele Steuer mindernde Abzüge lassen sich aber nicht mit dem Grundsatz der Besteuerung nach Leistungsfähigkeit begründen. Bei näherem Hinsehen entpuppen sie sich vielmehr als Privilegien, die der Gesetzgeber gezielt, mitunter auch unbeabsichtigt, bestimmten Personengruppen verschafft hat. Wer gleichviel verdient, in vergleichbaren familiären Verhältnissen lebt (zum Beispiel gleiche Kinderzahl) und auch sonst in etwa gleiche Kosten hat, die die steuerliche Leistungsfähigkeit herabsetzen, schuldet dem Finanzamt noch lange nicht denselben Steuerbetrag. Die Gleichmäßigkeit der Besteuerung - nach den Worten des früheren Bundespräsidenten Roman Herzog die "Magna Charta" des Steuerrechts - ist in Deutschland weitgehend Fiktion. Dabei wusste schon der englische Philosoph Thomas Hobbes: Die Menschen fühlen sich weniger durch die Steuerlast als solche bedrückt als durch deren ungleichmäßige Verteilung. Ein Befreiungsschlag ist überfällig. Diese notwendige große Steuerreform aus einem Guss müsste - so Experten wie der Heidelberger Steuerprofessor Paul Kirchhof - die zahlreichen Ausnahmetatbestände im Einkommensteuerrecht abschaffen und gleichzeitig die Steuersätze senken. Viele Fachleute plädieren gar für eine Abschaffung der Progression bzw. einen Tarif mit nur einem Steuersatz ("Flatrate"). Doch von einem solchen Befreiungsschlag ist die Politik weit entfernt.
Der Deutsche Bundestag hat die Petition am 11.11.2010 abschließend beraten und
beschlossen:
Das Petitionsverfahren abzuschließen, weil dem Anliegen teilweise entsprochen
worden ist.
Begründung
Der Petent beklagt eine zu hohe Belastung der Bürger durch Steuer- und
Sozialabgaben. Ein überreguliertes und nicht zu durchschauendes Steuersystem
bedürfe einer großen Steuerreform mit niedrigeren Sätzen und wenigen Ausnahmen,
um Steuergerechtigkeit zu erreichen.
Zur Begründung wird ausgeführt, der deutsche Staat schröpfe seine Bürger, da jeder
während der ersten sechs Monate eines Jahres ausschließlich für das Finanzamt
und die Sozialkassen arbeite. Die Steuer- und Soziallastquote belaufe sich auf mehr
als 50%. Die Politik könne sich nicht zu einer nachhaltigen Steuerreform durch-
ringen.
Der Petent führt weiter aus, Vorschläge für ein einfaches Steuersystem seien in der
Vergangenheit von verschiedenen Seiten unterbreitet worden. Die Missstände im
gegenwärtigen überregulierten und nicht mehr durchschaubaren Steuersystem seien
offenkundig. Von Systematik könne keine Rede mehr sein. Die Gesetzes- und Ver-
ordnungsflut mache das fiskalische Regelwerk immer komplizierter, wodurch Steuer-
gerechtigkeit in Deutschland zur Fiktion werde.
Zu den Einzelheiten des vorgetragenen Anliegens wird auf die vom Petenten einge-
reichten Unterlagen verwiesen.
Die Eingabe war als öffentliche Petition auf der Internetseite des Deutschen Bun-
destages eingestellt. Es gingen 389 Mitzeichnungen sowie 16 Diskussionsbeiträge
ein.
Das Ergebnis der parlamentarischen Prüfung stellt sich auf der Grundlage einer
Stellungnahme des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) wie folgt dar:
Unter Bezugnahme auf die Steuer- und Soziallastquote stellt der Petitionsausschuss
zunächst fest, dass sich im internationalen Vergleich nach den Abgrenzungsmerk-
malen der OECD für das Jahr 2008 die Steuerquote mit 23,1% auf einem relativ
niedrigen Niveau befindet. Weiterhin ist die unter Berücksichtigung der Sozialab-
gaben ausgewiesene Abgabenquote mit 36,4% für den gleichen Zeitraum im inter-
nationalen Vergleich nur knapp überdurchschnittlich.
Ein anderer OECD-Vergleich betrachtet die Belastung typisierter Arbeitnehmerhaus-
halte mit Steuern und Sozialabgaben. Für die darin vergleichsweise hohe Abgaben-
belastung in Deutschland bei einzelnen Fallkonstellationen ist jedoch nicht die
Steuerlast ursächlich, vielmehr wird die besondere anteilige Bedeutung der Beiträge
zur Sozialversicherung deutlich. Ein stark ausgebautes staatliches Fürsorgesystem
und breites Angebot an öffentlichen Gütern setzt eine entsprechende Finanzierung
voraus. Aus diesem Grunde ist es generell für eine umfassende Bewertung des
deutschen Steuer- und Abgabensystems unerlässlich, die vom Gesamtstaat für die
Bürger erbrachten Leistungen einzubeziehen, auch diejenigen im Sozialversiche-
rungsbereich. Hierbei sind insbesondere auch die gerade für die effektive Be-
lastungswirkung unterer Einkommensbereiche gewährten Transferzahlungen zu be-
rücksichtigen (etwa Kinderzuschlag, Wohngeld und BAföG).
Mit Bezug auf die kritisierte Komplexität des Steuerrechts erinnert der Petitionsaus-
schuss daran, dass der Koalitionsvertrag für die 17. Legislaturperiode diesen
Gesichtspunkt aufgenommen hat. Im Koalitionsvertrag ist festgehalten, dass die
Bürger nicht nur die Höhe der Steuer- und Abgabenlast als demotivierend empfin-
den, sondern auch die Kompliziertheit und Unklarheit des deutschen Steuerrechts.
Aus diesem Grund wird angestrebt, dass Steuern "einfach, niedrig und gerecht" sind.
Ziel ist es, die paritätisch finanzierten Lohnzusatzkosten (Sozialversicherungsbei-
träge) unter 40% vom Lohn zu halten.
Der Petitionsausschuss weist jedoch darauf hin, dass die Aufnahme der Forderung
nach einer Vereinfachung des Steuerrechts nicht zu radikalen Reformen führen wird,
da die Berücksichtigung unterschiedlichster Lebenssachverhalte dann gerade nicht
mehr möglich wäre. Die Bundesregierung wird Vorschläge zur Steuervereinfachung
vorlegen, die von den Bürgern auch als Erleichterung empfunden werden.
In diesem Zusammenhang ruft der Petitionsausschuss in Erinnerung, dass bei einer
Abschaffung aller Möglichkeiten zur Berücksichtigung individueller Belastungen im
Einkommensteuerrecht den verfassungsrechtlichen Vorgaben zur Berücksichtigung
der persönlichen Leistungsfähigkeit nicht mehr entsprochen werden könnte. Eine
Abschaffung widerspreche überdies auch der Steuergerechtigkeit. So sind Regelun-
gen zur Absetzbarkeit von diversen Aufwendungen wie etwa Kinderbetreuungs-
kosten, Altenpflegekosten oder Mehrkosten, die Behinderten entstehen, u.a. auch
aus Gerechtigkeitsgründen bei der Besteuerung leistungsmindernd zu berücksich-
tigen.
Weil sich das Einkommensteuergesetz an unterschiedliche Steuerpflichtige richtet,
müssen die Normen notwendigerweise auch unterschiedlich differenziert ausfallen.
Soweit sich das Einkommensteuergesetz an Unternehmer richtet und hier kompli-
zierte und umfangreiche Sachverhalte erfasst werden müssen, sind auch die betref-
fenden Normen notwendigerweise umfangreich und komplexer ausgestaltet. Der
"Normalbürger" (Arbeitnehmer mit dem Lohnsteuerabzug unterliegenden Einkünften)
hat jedoch in aller Regel kaum Berührungspunkte mit diesem Bereich des Steuer-
rechts und er muss insbesondere auch nicht das Einkommensteuergesetz vom
Wortlaut her kennen. Der Petitionsausschuss stimmt dem Petenten jedoch in der
Auffassung zu, dass die Vereinfachung des Steuerrechts eine Daueraufgabe für den
Gesetzgeber darstellen muss. Die angeführten Aussagen des Koalitionsvertrags zei-
gen, dass sich die Bundesregierung dieser Aufgabe bewusst ist.
Nach dem Dargelegten kann der Petitionsausschuss nicht in Aussicht stellen, wei-
tergehend im Sinne des vorgetragenen Anliegens tätig zu werden. Er empfiehlt
daher, das Petitionsverfahren abzuschließen, weil
dem Anliegen teilweise ent-
sprochen worden ist.