Region: Germany

Betreuungsrecht - Medikamentöse Akutbehandlung psychisch kranker Menschen

Petitioner not public
Petition is directed to
Deutschen Bundestag
472 supporters 472 in Germany

The petition is denied.

472 supporters 472 in Germany

The petition is denied.

  1. Launched 2012
  2. Collection finished
  3. Submitted
  4. Dialogue
  5. Finished

Dies ist eine Online-Petition des Deutschen Bundestags.

11/18/2015, 16:14

Pet 4-17-07-4034-041295Betreuungsrecht
Der Deutsche Bundestag hat die Petition am 20.02.2014 abschließend beraten und
beschlossen:
Das Petitionsverfahren abzuschließen, weil dem Anliegen teilweise entsprochen
worden ist.
Begründung
Mit der Petition wird eine verfassungskonforme gesetzliche Regelung zur
medikamentösen Zwangsbehandlung psychisch Kranker gefordert.
Zur Begründung des Anliegens wird im Wesentlichen vorgetragen, dass der
Gesetzgeber wegen der höchstrichterlichen Beschlüsse zur medikamentösen
Akutbehandlung von Menschen in psychiatrischen Krisen eine Neuregelung schaffen
müsse. Leidenszustände Betroffener würde ansonsten verschlimmert und unnötig in
die Länge gezogen werden. Zudem dürften beteiligte Fachärzte nicht der Kollision
zwischen Rechtsbruch einerseits und unterlassener Hilfeleistung andererseits
ausgesetzt werden.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten zu dem Vorbringen wird auf die eingereichten
Unterlagen verwiesen.
Die Eingabe wurde als öffentliche Petition auf der Internetseite des
Deutschen Bundestages eingestellt und dort diskutiert. Es gingen
472 Mitzeichnungen und 195 Diskussionsbeiträge ein.
Der Petitionsausschuss hat der Bundesregierung Gelegenheit gegeben, ihre Haltung
zum Anliegen der Eingabe darzulegen. Zudem berücksichtigte der
Petitionsausschuss die Stellungnahme des Rechtsausschusses nach § 109 der
Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages, die – unter anderen nach
Durchführung einer öffentlichen Anhörung von Sachverständigen – am
31. Januar 2013 vorgelegt wurde (vgl. Bericht und Beschlussempfehlung des
Ausschusses, BT-Drs. 17/12086). Das Plenum des Deutschen Bundestages
befasste sich mehrmals mit dem sachgleichen Thema und beriet hierüber ausführlich

(Protokoll der Plenarsitzung 17/208 vom 22. November 2012 und Protokoll 17/217
vom 17. Januar 2013).
Das Ergebnis der parlamentarischen Prüfung lässt sich unter anderem unter
Einbeziehung der seitens des zuständigen Fachausschusses sowie der
Bundesregierung angeführten Aspekte wie folgt zusammenfassen:
Wer seinen Willen frei bilden kann, hat im Rahmen des Rechts zur
Selbstbestimmung auch die Freiheit zur Krankheit. Entscheidet er sich mit freiem
Willen gegen eine ärztliche Behandlung oder andere ärztliche Maßnahmen, ist dies
als Ausdruck seiner Selbstbestimmung zu akzeptieren. Kann jemand
krankheitsbedingt jedoch keinen freien Willen bilden, hat der Staat unter engen
Voraussetzungen die Befugnis, den Betroffenen vor sich selbst in Schutz zu nehmen.
Im Rahmen des Betreuungsrechts bedeutet das, dass für den Betroffenen der
Betreuer mit entsprechendem Aufgabenkreis in eine erforderliche medizinische
Behandlung einwilligen kann, wenn der Betreute im Zeitpunkt der
Einwilligungserklärung einwilligungsunfähig ist.
Aber auch der Betroffene, der die Notwendigkeit der Maßnahme nicht erkennen oder
nicht nach dieser Einsicht handeln kann, kann dennoch zum Ausdruck bringen, dass
er eine Behandlung, in die sein Betreuer eingewilligt hat, gleichwohl nicht dulden
möchte. Diesen natürlichen Willen des Betroffenen kann der Betreuer im Rahmen
seiner Befugnis nicht ohne Weiteres durch Einwilligung in eine dann zwangsweise
vorzunehmende ärztliche Behandlung überwinden. Ärztliche Zwangsmaßnahmen
dürfen wegen des mit ihnen verbundenen erheblichen Grundrechtseingriffs vielmehr
nur das letzte Mittel sein, das insbesondere in Situationen drohenden erheblicher
Selbstgefährdung in Betracht kommt. Demzufolge bedürfen sie in jedem Fall einer
gesetzlichen Grundlage. Diese gesetzliche Regelung wurde nach der bisherigen
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) in § 1906 Bürgerlichen Gesetzbuchs
(BGB) gesehen, wonach der Betroffene im Rahmen einer Unterbringung und unter
engen Voraussetzungen auch gegen seinen natürlichen Willen behandelt werden
durfte.
Der BGH hat jedoch in zwei Beschlüssen vom 20. Juni 2012 (XII ZB 99/12,
XII ZB 130/12) seine bisherige Rechtsprechung aufgegeben und ausgeführt, es fehle
an einer den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügenden gesetzlichen
Regelung für eine betreuungsrechtliche Zwangsbehandlung. Die Vorgaben des
Bundesverfassungsgerichts zur Zwangsbehandlung im Maßregelvollzug
(BVerfG FamRZ 2011, 1128 und FamRZ 2011, 1927) seien im Wesentlichen auf die

Behandlung des natürlichen Willens im Rahmen einer betreuungsrechtlichen
Unterbringung zu übertragen. Diesen Vorgaben würden die materiellen Vorschriften
des Betreuungsrechts und die Verfahrensvorschriften im Gesetz über das Verfahren
in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit nicht
gerecht. Demnach genügten die Ausführungen im Gesetz nicht den Anforderungen
an die Bestimmtheit einer Regelung zur Zwangsbehandlung.
Eine auf das Betreuungsrecht gestützte Behandlung von Patienten im Rahmen einer
Unterbringung gegen ihren natürlichen Willen war somit vorerst nicht mehr möglich.
Das dies für einen Teil der nach Betreuungsrecht untergebrachten bzw.
unterzubringenden Betreuten schwerwiegende Folgen haben und das Fehlen von
Zwangsbefugnissen zur Durchsetzung notwendiger medizinischer Maßnahmen dazu
führen kann, dass ein Betroffener ohne eine solche Behandlung einen erheblichen
Schaden nimmt, wurde mit dem Gesetz zur Regelung der betreuungsrechtlichen
Einwilligung in eine ärztliche Zwangsmaßnahme unter Achtung der
verfassungsgerichtlichen Anforderungen die Fortführung der bis zu den jüngsten
Beschlüssen des BGH geübten Praxis wieder ermöglicht.
Das Gesetz zur Regelung der betreuungsrechtlichen Einwilligung in eine ärztliche
Zwangsmaßnahme vom 18. Februar 2013 (BGBl I 2013, Nr. 6 S. 266), das am
26. Februar 2013 in Kraft getreten ist, stellt nunmehr sicher, dass psychisch kranke
Menschen nach einer Zwangseinweisung in einer Klinik behandelt werden können,
wenn der natürliche Wille getrübt ist. Eine solche Zwangsbehandlung ist allerdings
an strenge materielle und verfahrensrechtliche Anforderungen gebunden, um die
Selbstbestimmung der Betroffenen zu stärken. So wird unter anderem zur
Klarstellung in § 1906 Abs. 3 BGB als ein weiteres Kriterium für die Wirksamkeit der
Einwilligung des Betreuers in eine ärztliche Zwangsmaßnahme ausdrücklich
festgeschrieben, dass einer solchen der ernsthafte, mit dem nötigen Zeitaufwand und
ohne Ausübung unzulässigen Drucks unternommene Versuch vorauszugehen hat,
den Betreuten von der Notwendigkeit der Maßnahme zu überzeugen.
Zudem darf nach der Änderung der betreuungsrechtlichen Vorschriften eine
Zwangsbehandlung nur im Rahmen einer stationären Behandlung erfolgen, eine
ambulante Zwangsbehandlung bleibt weiterhin unzulässig. Der Betreuer bedarf für
seine Einwilligung in eine solche Behandlung zuvor der Genehmigung des Gerichts.
Der Petitionsausschuss empfiehlt daher aus den genannten Gründen, das
Petitionsverfahren abzuschließen, weil dem Anliegen teilweise entsprochen worden
ist.Begründung (pdf)


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