20.07.2016 04.22
Pet 4-18-07-401-022750Schuldrecht
Der Deutsche Bundestag hat die Petition am 07.07.2016 abschließend beraten und
beschlossen:
Das Petitionsverfahren abzuschließen, weil dem Anliegen nicht entsprochen werden
konnte.
Begründung
Der Petent fordert, das Vertragsrecht dahingehend zu reformieren, dass Verträge und
Modifikation grundsätzlich der Schriftform bedürfen.
Zur Begründung trägt der Petent im Wesentlichen vor, dass andernfalls Unternehmen
die Möglichkeit hätten, Verträge zu fingieren, indem sie behaupten, es habe ein
Gespräch gegeben und Unternehmensmitarbeiter als Zeugen für dieses Gespräch
benennen. Verbraucher könnten sich dagegen nicht wehren, da ihnen keine Zeugen
zur Verfügung ständen. Das gelte insbesondere auch für Telefonate, deren Mitschnitt
verboten sei.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten zu dem Vorbringen wird auf die eingereichten
Unterlagen verwiesen.
Die Eingabe wurde als öffentliche Petition auf der Internetseite des Deutschen
Bundestages eingestellt und dort diskutiert. Sie wurde von 70 Mitzeichnern unterstützt,
und es gingen 24 Diskussionsbeiträge ein.
Der Petitionsausschuss hat der Bundesregierung Gelegenheit gegeben, ihre Haltung
zu der Eingabe darzulegen. Das Ergebnis der parlamentarischen Prüfung lässt sich
unter Einbeziehung der seitens der Bundesregierung angeführten Aspekte wie folgt
zusammenfassen:
Das Gesetz ordnet eine besondere Form nur dort an, wo dies aus besonderen
Gründen geboten ist. Dies ist z. B. der Fall, wenn Dritte über den Inhalt des Geschäfts
informiert werden sollen, z. B. bei Mietverträgen mit einer Laufzeit über einem Jahr
(§ 550 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch – BGB): bei einer Veräußerung des
Grundstücks soll der Vertrag dem Erwerber, der gemäß § 566 Absatz 1 BGB in die
Rechte und Pflichten des Vermieters eintritt, sicheren Aufschluss über den Inhalt des
Mietvertrages geben können.
Formvorschriften existieren auch, um vor einem unüberlegten oder übereilten
Abschluss eines Rechtsgeschäfts zu schützen, so z. B. bei der Schenkung (§ 518
Absatz 1 BGB), dem Leibrentenversprechen (§ 761 Satz 1 BGB), der Bürgschaft
(§ 766 Satz 2 BGB) sowie dem Schuldversprechen (§ 780 Satz 1 BGB) und dem
Schuldanerkenntnis (§ 781 Satz 1 BGB).
Über die bloße Warnung hinaus dienen Formerfordernisse wie die notarielle
Beurkundung (§ 128 BGB) der Sicherstellung, dass der Erklärende über die Tragweite
des Rechtsgeschäfts ausreichend beraten und belehrt wurde. Dies gilt z. B. für den
Grundstückskauf (§ 311b Absatz 1 Satz 1 BGB), für Eheverträge (§ 1410 BGB) oder
für Erbverträgen (§ 2276 BGB).
Im Übrigen bedürfen Rechtsgeschäfte grundsätzlich keiner Form. Dies dient nicht nur
den Bedürfnissen des Wirtschaftsverkehrs, sondern erleichtert auch für Verbraucher
die Teilnahme am Rechtsverkehr. So haben z. B. ältere Leute, die in ihrer Mobilität
eingeschränkt sind und über keinen Internetanschluss verfügen, die Möglichkeit,
Verträge über das Telefon abzuschließen.
Ein Schriftformerfordernis schließt weder Irrtümer noch Mehrdeutigkeit der
Formulierungen aus, sodass sich Streit über den Inhalt des Vertrages dadurch nicht
per se vermeiden lässt. Die Erfahrungen mit Schriftformerfordernissen in anderen
Rechtsordnungen zeigen zudem, dass bei Geschäften des täglichen Lebens die Form
in der Regel nicht eingehalten wird. Hat sich eine derartige Verkehrsgewohnheit
eingebürgert, so führt sie dazu, dass die redliche Partei in Missbrauchsfällen ohne
rechtlichen Schutz ist, weil kein gültiger Vertrag vorliegt.
Zur Beweislage gilt Folgendes: Wer sich auf den Abschluss eines Vertrages beruft,
muss dessen Existenz beweisen. Bei schriftlichen Verträgen kann dies durch
Vorlegung der Urkunde geschehen (§§ 416, 420 der Zivilprozessordnung – ZPO), bei
mündlichen Verträgen u. a. durch Zeugenbeweis. Das Gericht entscheidet über die
Beweiswürdigung gemäß § 286 Absatz 1 ZPO nach freier Überzeugung. Dabei muss
es unter Berücksichtigung des gesamten Inhaltes der Verhandlungen und des
Ergebnisses der Beweisaufnahme von der Wahrheit der Tatsachenbehauptung
überzeugt sein, um den Beweis als geführt anzusehen.
Bei Vieraugengesprächen oder Telefonaten, bei denen eine Partei sich vertreten lässt,
sodass ihr ein Zeuge zur Verfügung steht, während die andere Partei selbst
verhandelt, muss das Gericht, wenn es seine Überzeugung allein auf die Aussage des
gegnerischen Zeugen stützen will, nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung die
Partei entweder gemäß § 141 ZPO anhören oder förmlich vernehmen gemäß § 448
ZPO (vgl. BGH-Urteil vom 27.09.2005, Az.: XI ZR 216/04). Daher ist es nicht so, dass
Verbraucher stets im Nachteil sind; vielmehr kommt es auf die Beweiswürdigung im
Einzelfall an.
Der Ausschuss hält vor diesem Hintergrund die geltende Rechtslage für sachgerecht
und vermag sich nicht für eine Gesetzesänderung im Sinne der Petition
auszusprechen.
Der Petitionsausschuss empfiehlt daher, das Petitionsverfahren abzuschließen, weil
dem Anliegen nicht entsprochen werden konnte.
Begründung (PDF)