06/07/2016 12:14
Pet 4-17-11-81503-037571Arbeitslosengeld II
Der Deutsche Bundestag hat die Petition am 23.06.2016 abschließend beraten und
beschlossen:
Das Petitionsverfahren abzuschließen, weil dem Anliegen nicht entsprochen werden
konnte.
Begründung
Der Petent fordert, dass § 42a des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II)
dahingehend geändert wird, dass Aufrechnungen bezüglich eines gewährten
Darlehens nur noch bis maximal fünf Prozent des Regelsatzes möglich sind.
Zur Begründung trägt der Petent im Wesentlichen vor, dass die derzeitige Regelung
einer zehnprozentigen Aufrechnung kontinuierlich zu einer verfassungswidrigen
Bedarfsunterdeckung führen würde. Es sei den Leistungsempfängern bei derart hohen
Abzügen nicht mehr möglich, die monatlichen Abgaben für Strom und andere
Ausgaben, die von dem Regelsatz gedeckt sein sollen, vorzunehmen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten zu dem Vorbringen wird auf die vom Petenten
eingereichten Unterlagen verwiesen.
Die Eingabe wurde als öffentliche Petition auf der Internetseite des
Petitionsausschusses eingestellt. Sie wurde von 263 Mitzeichnern unterstützt.
Außerdem gingen 36 Diskussionsbeiträge ein.
Der Petitionsausschuss hat zu der Eingabe Stellungnahmen des Bundesministeriums
für Arbeit und Soziales (BMAS) eingeholt. Unter Einbeziehung der Stellungnahmen
lässt sich das Ergebnis der parlamentarischen Prüfung wie folgt zusammenfassen:
Die vom Petenten angesprochene Regelung des § 42a SGB II ist seit dem
1. April 2011 in Kraft. Sie führt zuvor fehlende feste Rahmenvorgaben für alle Darlehen
nach dem SGB II ein und trägt somit zur Rechtssicherheit sowohl in der
Leistungssachbearbeitung als auch bei den Leistungsberechtigten bei. Durch die feste
Aufrechnungshöhe von zehn Prozent des Regelbedarfs entsteht entgegen der Ansicht
des Petenten kein verfassungswidriger Eingriff in das Existenzminimum der
Leistungsempfänger. Denn die allgemeinen Fürsorgesysteme des SGB II werden
einer typisierenden Betrachtungsweise unterzogen. Die vorgenommene Unterteilung
in verschiedene Verbrauchsausgaben dient einzig der Ermittlung des Regelbedarfs
und hat keinerlei Bindungswirkung für den Leistungsberechtigten. Dieser kann über
die Verwendung des Regelbedarfs letztlich selbst bestimmen. Das
Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil vom 9. Februar 2010 (BVerfGE 125,
S. 175, Rn. 205) festgestellt, dass es dem Leistungsberechtigten zuzumuten sei, einen
gegenüber dem statistisch ermittelten Durchschnittsbetrag höheren Bedarf in einem
Lebensbereich durch geringere Ausgaben in einem anderen Lebensbereich
auszugleichen. Die regelleistungsrelevanten Ausgabepositionen seien von vornherein
als abstrakte Rechengrößen konzipiert, die nicht bei jedem Hilfebedürftigen exakt
zutreffen müssen, sondern erst in der Summe ein menschenwürdiges
Existenzminimum gewährleisten sollen. Demnach könne der Hilfsbedürftige sein
individuelles Verbrauchsverhalten so gestalten, dass er auf das in der Regelleistung
enthaltene Ansparpotential zurückgreife.
In Anbetracht dieser Ansparkonzeption des Gesetzgebers sei die vorübergehende
monatliche Kürzung der Regelleistung in Höhe von zehn Prozent im Grundsatz nicht
zu beanstanden (vgl. Rn. 150 a. a. O.).
Der Petitionsausschuss kommt daher zu dem Ergebnis, dass die Tilgung eines
Rückzahlungsanspruchs aus Darlehen durch eine zehnprozentige Aufrechnung mit
dem Regelbedarf nicht zu einer verfassungswidrigen Bedarfsunterdeckung führt. Die
Festlegung eines starren Tilgungsbetrages vermeidet die fehleranfällige und
streitbehaftete Ausübung von Ermessen. Es können auch keine nebeneinander
existierenden Aufrechnungen laufen, wenn mehrere Darlehen vergeben wurden. Es
wird gemäß § 42 a Abs. 6 SGB II grundsätzlich zunächst das älteste Darlehen getilgt,
die Fälligkeit des zweitältesten ist dann aufgeschoben, bis das erste getilgt ist.
Der Petitionsausschuss empfiehlt daher, das Petitionsverfahren abzuschließen, weil
dem Anliegen des Petenten nicht entsprochen werden konnte.
Der von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gestellte Antrag, die Petition der
Bundesregierung – dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales – als Material zu
überweisen, soweit die Petition eine angemessene und individuelle Anrechnung von
Darlehen fordert, und das Petitionsverfahren im Übrigen abzuschließen, ist
mehrheitlich abgelehnt worden.
Begründung (pdf)