11.08.2016 04.22
Pet 2-18-15-82714-021683
Hilfsmittel/Heilmittel
Der Deutsche Bundestag hat die Petition am 07.07.2016 abschließend beraten und
beschlossen:
1. Die Petition der Bundesregierung - dem Bundesministerium für Gesundheit - zur
Erwägung zu überweisen, soweit es um die Durchsetzung verbesserter
Qualitätsstandards in der Versorgung von Betroffenen mit Inkontinenzhilfsmitteln
geht,
2. das Petitionsverfahren im Übrigen abzuschließen.
Begründung
Mit der Petition wird gefordert, dass bei Ausschreibungen und Beitrittsverträgen von
ableitenden und aufsaugenden Inkontinenzhilfsmitteln die persönlichen Belange,
u. a. die Schwere der Harn- und/oder Stuhlinkontinenz, die ausreichende Anzahl und
Typ, Passform, Handhabung und die Eignung für den persönlichen Alltag
gewährleistet werden und für diese Versorgung keine Mehrkosten von den
Versicherten zu tragen sind.
Zu den Einzelheiten des Vortrags des Petenten wird auf die von ihm eingereichten
Unterlagen verwiesen.
Die Eingabe war als öffentliche Petition auf der Internetseite des Deutschen
Bundestages eingestellt. Es gingen 932 Mitzeichnungen sowie
17 Diskussionsbeiträge ein.
Zu diesem Thema liegen dem Petitionsausschuss weitere Eingaben mit verwandter
Zielsetzung vor, die wegen des Sachzusammenhangs einer gemeinsamen
parlamentarischen Prüfung zugeführt werden. Der Ausschuss bittet daher um
Verständnis, dass nicht auf alle vorgetragenen Gesichtspunkte eingegangen werden
kann.
Das Ergebnis der parlamentarischen Prüfung stellt sich auf der Grundlage einer
Stellungnahme der Bundesregierung wie folgt dar:
Gemäß § 126 Abs. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) dürfen Hilfsmittel an
Versicherte nur auf der Grundlage von Verträgen nach § 127 Abs. 1, 2 und 3 SGB V
abgegeben werden. Vertragspartner der Krankenkassen können dabei nur
Leistungserbringer sein, die die Voraussetzungen für eine ausreichende,
zweckmäßige und funktionsgerechte Herstellung, Abgabe und Anpassung der
Hilfsmittel erfüllen. Die in dem vom GKV-Spitzenverband geführten
Hilfsmittelverzeichnis nach § 139 SGB V festgelegten Anforderungen an die Qualität
der Hilfsmittel sind zu beachten. Im Fall von Ausschreibungen nach § 127 Abs. 1
SGB V sind die Krankenkassen ausdrücklich verpflichtet, neben der Qualität der
Hilfsmittel auch die notwendigen Beratungs- und sonstigen Dienstleistungen
sicherzustellen und für eine zeit- und wohnortnahe Versorgung der Versicherten zu
sorgen.
Danach bestehen für die Gewährleistung einer sowohl in qualitativer als auch in
quantitativer Hinsicht ausreichenden, zweckmäßigen und wirtschaftlichen
Hilfsmittelversorgung der Versicherten umfangreiche gesetzliche Vorgaben. Dennoch
mehren sich in letzter Zeit Berichte über Fehlentwicklungen in der
Hilfsmittelversorgung, insbesondere im Zusammenhang mit
Ausschreibungsverträgen nach § 127 Abs. 1 SGB V. Vielfach würden die Qualität
und die Menge der aufzahlungsfrei gelieferten Produkte nicht den Bedarfen der
Versicherten entsprechen. Zu den in diesem Zusammenhang besonders häufig
genannten Produktgruppen zählen die Inkontinenzhilfen.
In ihren Verträgen zur Versorgung mit Inkontinenzhilfen verpflichten die
Krankenkassen die Leistungserbringer auf Produkte, die im Hilfsmittelverzeichnis
nach § 139 SGB V gelistet oder in Qualität und Ausführung gleichwertig sind. Im
Hilfsmittelverzeichnis sind Angaben zu den Indikationsbereichen, in denen eine
Versorgung mit dem jeweiligen Produkt grundsätzlich infrage kommt, sowie
Anforderungen an den Aufbau eines Produkts und seine Funktionsfähigkeit
enthalten. So wird zum Beispiel in der Untergruppe "Saugende Inkontinenzvorlagen"
zwischen Produkten unterschiedlicher Größe und Saugleistung unterschieden und
an die Produkte jeweils die Anforderung gestellt, den Urin aufzusaugen, ihn
möglichst hautfern zu speichern und eine rückläufige Befeuchtung der Haut zu
vermeiden.
Produkte, die diesen und weiteren Anforderungen gerecht werden, werden nach
Antrag des Herstellers und erfolgter Prüfung durch den GKV-Spitzenverband in das
Hilfsmittelverzeichnis aufgenommen. Allerdings sind die im Hilfsmittelverzeichnis
enthaltenen Vorgaben für die Produktgruppe "Inkontinenzhilfen" seit 1993
unverändert und entsprechen deshalb möglicherweise nicht mehr dem aktuellen
Stand der Technik. Der GKV-Spitzenverband bereitet deshalb eine Aktualisierung
dieser Produktgruppe vor. Angepasst werden u. a. Qualitätsparameter wie
Rücknässung und Aufsauggeschwindigkeit. Danach will der GKV-Spitzenverband
gelistete Produkte, die den neuen Anforderungen nicht mehr entsprechen, aus dem
Hilfsmittelverzeichnis streichen.
Die Bundesregierung erwartet, dass die Aktualisierung der Produktgruppe
"Inkontinenzhilfen" des Hilfsmittelverzeichnisses durch den GKV-Spitzenverband
möglichen Qualitätsdefiziten bei der Versorgung mit Inkontinenzhilfen entgegenwirkt.
Darüber hinaus prüft die Bundesregierung, welche gesetzlichen Regelungen ggf.
erforderlich sind, um über die aktuelle Fortschreibung der Produktgruppe
"Inkontinenzhilfen" hinaus eine regelmäßige Aktualisierung aller 33 Produktgruppen
des Hilfsmittelverzeichnisses zu gewährleisten. In diesem Zusammenhang prüft die
Bundesregierung auch Regelungen, die Krankenkassen zu einer verbesserten
Erhebung der Ergebnisqualität der Hilfsmittelversorgung ihrer Versicherten
verpflichten. Dies hätte auch Auswirkungen auf die Versorgung mit Inkontinenzhilfen.
Im Rahmen ihrer Verträge mit Leistungserbringern vereinbaren die Kassen in der
Regel monatliche Versorgungspauschalen, die auf einer Mischkalkulation von Kosten
für die Versorgung von Patienten mit unterschiedlich starker Inkontinenz beruhen.
Dabei obliegt die Entscheidung über die Auswahl des konkreten Produkts und auch
über die Menge der im Einzelfall abgegebenen Produkte im Wesentlichen dem
Leistungserbringer. Durch eine Erhebung der Ergebnisqualität z. B. durch
Versichertenbefragungen würden die Voraussetzungen geschaffen, um
Leistungserbringer zu identifizieren, die entgegen vertraglicher Vorgaben
unzureichend versorgen.
Soweit mit der Petition gefordert wird, dass der Versicherte für die notwendige
Versorgung keine Aufzahlungen zu leisten hat, ist darauf hinzuweisen, dass auch für
die Versorgung mit Hilfsmitteln im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung
(GKV) das Sachleistungsprinzip gilt. Die Versicherten haben gemäß § 33 SGB V
einen Anspruch auf Versorgung mit Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um
den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung
vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit sie nicht als
Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs. 4
SGB V aus dem Leistungskatalog der GKV ausgeschlossen sind. Für die
erforderliche Versorgung dürfen weder Krankenkassen noch Leistungserbringer von
den Versicherten eine Aufzahlung über die gesetzliche Zuzahlung hinaus verlangen.
Verschiedene Berichte und Befragungen deuten darauf hin, dass in einigen
Produktgruppen Aufzahlungen inzwischen verbreitet sind. Dazu zählt auch die
Produktgruppe der Inkontinenzhilfen. Eine Aufzahlung ist gerechtfertigt, wenn ein
Versicherter eine Versorgung wünscht, die das Maß des Notwendigen übersteigt.
Abzulehnen ist es indes, wenn ein Leistungserbringer versucht, den-Versicherten
durch fehlerhafte oder unvollständige Informationen über die Qualität der
aufzahlungsfreien Versorgung zum Kauf eines aufzahlungspflichtigen Hilfsmittels zu
bewegen. Die Bundesregierung prüft derzeit gesetzliche Regelungen, die über die
bestehenden Vorschriften hinaus die Wahlmöglichkeiten der Versicherten zwischen
aufzahlungsfreien Produkten stärken und eine verbesserte Information der
Versicherten durch die Krankenkasse über Vertragsinhalte und ihren Anspruch auf
eine aufzahlungsfreie Versorgung vorsehen.
Durch die bevorstehende Aktualisierung der Qualitätsanforderungen an
Inkontinenzhilfen im Hilfsmittelverzeichnis und durch die beabsichtigte
Weiterentwicklung der gesetzlichen Regelungen für die Hilfsmittelversorgung wird
dem Anliegen des Petenten nach Aussage der Bundesregierung entsprochen.
Vor dem Hintergrund des Dargelegten empfiehlt der Petitionsausschuss, die Petition
der Bundesregierung - dem Bundesministerium für Gesundheit - zur Erwägung zu
überweisen, soweit es um die Durchsetzung verbesserter Qualitätsstandards in der
Versorgung von Betroffenen mit Inkontinenzhilfsmitteln geht und das
Petitionsverfahren im Übrigen abzuschließen.
Begründung (PDF)