09/05/2017, 4:22 π.μ.
Pet 2-18-08-640-009382
Liegenschaften des Bundes
Der Deutsche Bundestag hat die Petition am 30.03.2017 abschließend beraten und
beschlossen:
Das Petitionsverfahren abzuschließen, weil dem Anliegen teilweise entsprochen
worden ist.
Begründung
Mit der Petition wird im Wesentlichen gefordert, dass ein Verkauf von
Mehrfamilienhäusern der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben zum Höchstgebot
ausgeschlossen ist, und dass diese Wohnimmobilien ausschließlich an
gemeinnützige, kommunale Wohnungsbaugesellschaften oder Genossenschaften
verkauft werden dürfen, die eine sozialverträgliche Vermietung sicherstellen.
Zur Begründung der Eingabe wird insbesondere angeführt, die im Auftrag des
Bundesministeriums der Finanzen (BMF) handelnde Bundesanstalt für
Immobilienaufgaben (BImA) biete u.a. Wohnimmobilien in hochverdichteten, einem
besonderen Druck der Immobilienwirtschaft unterliegenden Innenstadtlagen
höchstbietend zum Kauf an. Dies widerspreche der Absicht der Bundesregierung,
Mieter durch eine im Koalitionsvertrag festgelegte Mietpreisbremse zu schützen.
Überdies lägen die sozialen Folgekosten bei einer solchen Höchstpreis-Politik weit
über dem, was kurzfristig an Gewinnen für den Staatshaushalt eingenommen werden
könne. Bei Verkäufen sogenannter Konversionsflächen weiche die BImA von dem
Höchstpreisgebot hingegen ab. Offenbar würden hier ungleiche
Bewertungsmaßstäbe gelten, die unter wohnungspolitischen, sozialen oder
wirtschaftlichen Gesichtspunkten nicht nachvollziehbar seien. Lasse sich die BImA
- wie in dem aktuellen Fall in Berlin-Schöneberg, Großgörschenstraße/Katzlerstraße -
auf Verhandlungen mit einer landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft ein, seien ihr
durch die Anweisung des BMF, die Immobilie zum in einem Wertgutachten
ermittelten Verkehrswert zu veräußern, die Hände gebunden. Diese durch die BImA
selbst erstellten Wertgutachten ließen solche Verhandlungen im Ansatz scheitern.
Denn der ermittelte und geforderte Verkehrswert stünde in keiner Relation zu den
aktuellen Mieteinnahmen und schließe von vornherein jeden kommunalen,
gemeinnützigen oder genossenschaftlichen Bieter vom Kauf aus. In der Folge sei nur
ein Verkauf an rein renditeorientierte Investoren denkbar. Unabhängig davon sei die
unter der Rechts- und Fachaufsicht des BMF stehende BImA als Anstalt des
öffentlichen Rechts sowohl dem verfassungsrechtlichen Sozialstaatsprinzip sowie
den Grundrechten verpflichtet, was auch in Bezug auf zu veräußerndes staatliches
Eigentum gelte. Stattdessen jedoch verstärke die BImA im Auftrag des BMF aber all
jene Prozesse, die in Städten und Kommunen für größte Wohnraumprobleme
sorgten. Dieses Verhalten stehe dem Wohle der Allgemeinheit entgegen und
verstärke Gentrifizierung und Segregation.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten zu dem Vorbringen wird auf die eingereichten
Unterlagen verwiesen.
Die Petition ist auf der Internetseite des Petitionsausschusses veröffentlicht worden.
Sie wurde durch 1.137 Mitzeichnungen unterstützt und es gingen
16 Diskussionsbeiträge ein.
Überdies haben den Petitionsausschuss zu dieser Thematik derzeit drei weitere
Eingaben mit verwandter Zielsetzung erreicht. Wegen des Sachzusammenhangs
werden diese Eingaben einer gemeinsamen parlamentarischen Behandlung
zugeführt.
Der Petitionsausschuss hat der Bundesregierung Gelegenheit gegeben, ihre Haltung
zu der Eingabe darzulegen. Das Ergebnis der parlamentarischen Prüfung lässt sich
unter Einbeziehung der seitens der Bundesregierung angeführten Aspekte wie folgt
zusammenfassen:
Der Petitionsausschuss äußert großes Verständnis für das in den Eingaben
vorgetragene Anliegen. Gleichwohl vermag er diesem nicht näher zu treten.
Der Petitionsausschuss stellt zunächst grundlegend fest, dass die BImA gegenwärtig
über einen Bestand von 42.000 Wohnungen und Gebäuden verfügt. Damit hat die
Bundesregierung durch ihre Liegenschaftspolitik einen maßgeblichen bau- und
wohnungspolitischen Einfluss. Liegenschaften der BImA können bei Veräußerung die
Wohnungsmarktentwicklung, vor allem in Gebieten mit Wohnraummangel, stark
beeinflussen.
Der Petitionsausschuss hebt hervor, dass die BImA aufgrund haushaltsrechtlicher
Bestimmungen zur wirtschaftlichen Verwertung der ihr übertragenen und nicht
betriebsnotwendigen Immobilien verpflichtet ist. Eine Veräußerung von
Liegenschaften darf gemäß § 63 Abs. 3 Satz 1 Bundeshaushaltsordnung (BHO)
grundsätzlich nur zum "vollen Wert", also zu dem am Markt erzielbaren Preis, oder
alternativ zu dem mit einem Verkehrswertgutachten ermittelten Wert, erfolgen. Dies
gelte auch für Wohnimmobilien. Eine Abgabe bundeseigener Grundstücke unterhalb
des Verkehrswertes scheidet daher grundsätzlich aus. Die Marktabfrage durch ein
Bieterverfahren ist grundsätzlich das Mittel der ersten Wahl zur Ermittlung des
Verkehrswertes und stellt damit gleichzeitig die örtlichen Marktverhältnisse für die
betroffene Liegenschaft dar. Vor diesem Hintergrund kann dem in den Eingaben zum
Ausdruck gebrachten Vorschlag, bei der Veräußerung von Wohnliegenschaften von
einem Bieterverfahren abzusehen, grundsätzlich nicht entsprochen werden.
In der Petition werde richtigerweise angeführt, dass eine Ausnahme zum Grundsatz
des Verkaufs zum "vollen Wert" im Koalitionsvertrag zur 18. Legislaturperiode
enthalten ist. Dieser sieht vor, dass die BImA auf der Grundlage eines
Haushaltsvermerks Konversionsliegenschaften verbilligt, d.h. unterhalb des
Verkehrswertes, an Kommunen abgeben kann. Diese Maßnahme ist auf ein
Gesamtvolumen von maximal 100 Mio. Euro sowie zeitlich auf die nächsten vier
Jahre begrenzt. Im Bundeshaushalt 2015 ist ein entsprechender Haushaltsvermerk
enthalten. Diese allein auf Konversionsliegenschaften, d.h. Liegenschaften aus
militärischer Vornutzung, begrenzte verbilligte Abgabe hat nach Kenntnis des
Petitionsausschusses zum Ziel, die mit der Konversion verbundenen enormen
Belastungen der Kommunen abzumildern. Die Anwendung eines "ungleichen
Bewertungsmaßstabes", wie es in den Eingaben angeführt wird, liegt nach
Auffassung des Petitionsausschusses hier nicht vor, da die verbilligte Abgabe von
Konversionsgrundstücken auf der Grundlage eines Haushaltsvermerks vorgesehen
ist, der im Bundeshaushalt 2015 enthalten ist.
Der Petitionsausschuss unterstreicht, dass die BImA wegen der Bindung an Recht
und Gesetz nur dann von den genannten haushaltsrechtlichen Vorschriften
abweichen kann, wenn der Gesetzgeber entsprechende Ausnahmetatbestände
entweder durch Gesetz oder – wie oben beschrieben – durch Haushaltsvermerk
schafft bzw. geschaffen hat.
Der Petitionsausschuss betont, dass die BImA bei der Verwertung von
Liegenschaften stets auch kommunale Belange berücksichtigt, da die Kommunen
aufgrund ihrer Planungshoheit maßgeblich die Nutzungsmöglichkeiten eines
Grundstücks gestalten können, die einem Verkaufsverfahren zugrunde liegen. Den
kommunalen Interessen kommt die BImA u.a. dadurch nach, dass die Kommunen
selbst oder auch kommunale Wohnungsbaugesellschaften Liegenschaften ohne
Bieterverfahren auf der Grundlage des vollen Wertes – ermittelt durch ein
Wertgutachten – erwerben können, sofern der Erwerb der Erfüllung einer öffentlichen
Aufgabe dient. Mit dieser Praxis wird der in der Petition genannten Forderung bereits
Rechnung getragen.
Darüber hinaus hat der Petitionsausschuss die Eingabe dem Haushaltsausschuss,
der mit folgenden Vorlagen befasst war, zur Stellungnahme gemäß § 109 der
Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages vorgelegt: Antrag der Fraktion
DIE LINKE. "Privatisierung von Bundesliegenschaften stoppen – Liegenschaftspolitik
des Bundes nachhaltig reformieren" (Bundestags-Drucksache 18/4419); "Entwurf
einer Richtlinie der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben zur verbilligten Abgabe
von Grundstücken (VerbR)". Im Ergebnis hat der Haushaltsausschuss mehrheitlich
den vorliegenden Antrag abgelehnt und dem Entwurf der Richtlinie unter bestimmten
Maßgaben zugestimmt. Zu diesen Maßgaben, welche der Petitionsausschuss
ausdrücklich begrüßt, gehört, dass der Kaufpreisabschlag für die verbilligte Abgabe
von Liegenschaften für Zwecke des sozialen Wohnungsbaus im
Geschosswohnungsbau mit mindestens acht Wohneinheiten auf 25.000 Euro pro
neu geschaffene Wohneinheit festgesetzt wird (begrenzt auf 80% des Kaufpreises).
Der Haushaltsausschuss führt weiter aus, dass mit der Ablehnung des Antrags und
der Annahme dieser Richtlinie der Ausschuss zugleich das Anliegen des Petenten
behandelt habe. Dessen Vorschlag, dass der Verkauf von Mehrfamilienhäusern der
BImA zum Höchstgebot gänzlich ausgeschlossen werden und ausschließlich an
gemeinnützige kommunale Wohnungsbaugesellschaften oder Genossenschaften
erfolgen solle, sei dabei nicht aufgegriffen worden. Zu den Einzelheiten wird auf den
Bericht es Haushaltsausschusses auf Bundestags-Drucksache 18/4419 verwiesen.
Der Petitionsausschuss ergänzt, dass die Verfolgung sozial- und strukturpolitischer
sowie städtebaulicher und regionalwirtschaftlicher Zielsetzungen primär der
Verantwortlichkeit der Länder und Gemeinden obliegt. Vor diesem Hintergrund gibt
§ 172 Abs. 1 Nr. 2 des Baugesetzbuches (BauGB) den Landesregierungen und
Gemeinden die Möglichkeit, eine sog. "soziale Erhaltungsverordnung" (Milieuschutz)
zu erlassen. Mit dieser soll die Zusammensetzung der Wohnbevölkerung in einem zu
bestimmenden Gebiet erhalten und damit die Verdrängung der bereits
gebietsansässigen Wohnbevölkerung verhindert werden. Auf dieser
Rechtsgrundlage wurde beispielsweise erst kürzlich beschlossen, die Berliner
Gebiete Großgörschenstraße/Kaiser-Wilhelm-Platz und Barbarossaplatz/Bayerischer
Platz in Berlin-Schöneberg unter Milieuschutz zu stellen. Des Weiteren hat ein Bezirk
in einem sogenannten Milieuschutzgebiet nach den einschlägigen Regelungen ein
Vorkaufsrecht. Er kann selbst zum Verkehrswert kaufen, indem er bei einer
Veräußerung anstelle des Käufers in den Kaufvertrag eintritt. Im April 2015 machte
der Bezirk Tempelhof-Schöneberg das Vorkaufsrecht gegenüber der BImA geltend in
Bezug auf die in Rede stehenden Liegenschaften Großgörschenstraße/Ecke
Katzlerstraße. Dagegen hat die BImA Klage erhoben. Der Ausgang des gerichtlichen
Verfahrens bleibt abzuwarten.
Soweit in der Petition ein "Vorkaufsrecht des Mieters" bzw. ein
"Weiterveräußerungsverbot bei Verkäufen von Wohnimmobilien" gefordert wird,
betont der Petitionsausschuss, dass im Falle eines Verkaufs von
Wohnliegenschaften für Mieter bereits weitreichende Mieterschutzmaßnahmen nach
dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) bestehen. Wohnungsmieter sind im Fall einer
Veräußerung von Wohnungen auch insoweit geschützt, als der neue Eigentümer in
die mit den einzelnen Mietern bestehenden Mietverträgen eintritt. Es gilt der
Grundsatz "Kauf bricht Miete nicht" (§ 566 BGB). Aufgrund dessen genießen Mieter
auch nach einem möglichen Eigentumswechsel weiterhin den gesetzlichen
Mieterschutz nach den Vorschriften des BGB. Zudem sind in den §§ 577 ff. BGB
spezielle Regelungen enthalten, die bei der Bildung von Wohnungseigentum an
vermieteten Wohnungen spezielle Regelungen zugunsten von Mietern vorsehen.
Dabei ist in § 577a BGB auch das in der Petition angeführte "Vorkaufsrecht des
Mieters" bereits geregelt. Für das in der Petition geforderte
Weiterveräußerungsverbot bei Verkäufen von Wohnimmobilien besteht aufgrund der
im BGB verankerten Mieterschutzbestimmungen aus Sicht des Petitionsausschusses
kein Bedarf.
Vor dem Hintergrund des Dargelegten vermag der Petitionsausschuss ein
weitergehendes parlamentarisches Tätigwerden nicht in Aussicht zu stellen. Er
empfiehlt daher, das Petitionsverfahren abzuschließen, weil dem Anliegen teilweise
entsprochen worden ist.
Der abweichende Antrag der Fraktionen DIE LINKE. und von
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, die Petition der Bundesregierung zur Berücksichtigung
zu überweisen wurde mehrheitlich abgelehnt.
Begründung (PDF)