Reformvorschläge in der Sozialversicherung - Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung

Petent/in nicht öffentlich
Petition richtet sich an
Deutschen Bundestag
383 Unterstützende 383 in Deutschland

Der Petition wurde nicht entsprochen

383 Unterstützende 383 in Deutschland

Der Petition wurde nicht entsprochen

  1. Gestartet 2012
  2. Sammlung beendet
  3. Eingereicht
  4. Dialog
  5. Beendet

Dies ist eine Online-Petition des Deutschen Bundestags.

18.11.2015, 16:08

Pet 3-17-11-8200-042466

Reformvorschläge in der
Sozialversicherung


Der Deutsche Bundestag hat die Petition am 05.03.2015 abschließend beraten und
beschlossen:

Das Petitionsverfahren abzuschließen, weil dem Anliegen nicht entsprochen werden
konnte. Begründung

Mit der Petition wird gefordert, das Sechste Buch Sozialgesetzbuch dahingehend zu
ändern, dass alle Bürger der Versicherungspflicht in der gesetzlichen
Rentenversicherung unterliegen und dadurch die Rentenlast der Gesellschaft von
allen Bürgern getragen wird.
Gerade besser verdienende Bürger, wie beispielsweise Beamte, Abgeordnete und
bestimmte Selbständige, seien nicht in die gesetzliche Rentenversicherung
einbezogen. Um das System der gesetzlichen Rentenversicherung zu stützen,
dürften hiervon die finanziell besser gestellten Bürger nicht ausgenommen werden.
Die Vorschriften des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) müssten deshalb
mit dem Ziel geändert werden, alle Erwerbstätigen von der gesetzlichen
Rentenversicherungspflicht zu erfassen. Ein Beispiel, wie ein Rentensystem
funktionieren könnte, liefere die Schweiz. Weiterhin gehöre die
Beitragsbemessungsgrenze abgeschafft. Beiträge sollten im Verhältnis zum
Verdienst gezahlt werden.
Es handelt sich um eine auf den Internetseiten des Deutschen Bundestages
veröffentlichte Petition, die innerhalb der Mitzeichnungsfrist von 383 Unterstützern
mitgezeichnet wurde und die zu 65 Diskussionsbeiträgen geführt hat.
Dem Petitionsausschuss liegen hierzu mehrere sachgleiche Eingaben vor, die wegen
des Sachzusammenhangs einer gemeinsamen parlamentarischen Prüfung
unterzogen werden. Es wird um Verständnis gebeten, dass nicht auf alle der
vorgetragenen Aspekte im Einzelnen eingegangen werden kann.

Der Petitionsausschuss hat der Bundesregierung Gelegenheit gegeben, ihre Haltung
zu der Eingabe darzulegen. Zudem berücksichtigte der Petitionsausschuss die
Stellungnahme des Ausschusses für Arbeit und Soziales nach § 109 der
Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages, die unter anderem nach
Behandlung des Antrags „Eine solidarische Rentenversicherung für alle
Erwerbstätigen“ vorgelegt wurde (vgl. hierzu Beschlussempfehlung des
Ausschusses, Drs. 17/12474). Im Ergebnis ist der Deutsche Bundestag in seiner
Sitzung am 1. März 2013 der Empfehlung des Ausschusses gefolgt und hat den
Antrag abgelehnt. Das Ergebnis der parlamentarischen Prüfung lässt sich unter
Einbeziehung der seitens der Bundesregierung angeführten Aspekte wie folgt
zusammenfassen:
In Deutschland hat sich seit der Industrialisierung ein differenziertes
Alterssicherungssystem gebildet, das auf drei Säulen beruht. So erfolgt die
finanzielle Absicherung der älteren Generation über diverse öffentlich-rechtliche
Pflichtsysteme sowie die betriebliche und private Altersvorsorge.
Zur ersten und wichtigsten Säule der Alterssicherung ist die gesetzliche
Rentenversicherung zu zählen. Dort ist die größte Gruppe der Erwerbstätigen,
nämlich die der abhängig Beschäftigten und bestimmte Selbständige, wie zum
Beispiel Lehrer, Handwerker, Künstler, Publizisten, pflichtversichert. Sie erwerben für
ihre Beitragszahlungen aus dem Erwerbseinkommen entsprechende
Rentenanwartschaften. Daneben bestehen als obligatorische weitere
Alterssicherungssysteme der ersten Säule die Beamtenversorgung und die
Alterssicherung der Landwirte. Auch für die freiberuflich tätigen Selbständigen, wie
z. B. Rechtsanwälte, Ärzte, Apotheker, bestehen bereits seit längerer Zeit aufgrund
von Landesrecht geschaffene Pflichtversicherungssysteme für die Alterssicherung,
zu denen diese Personengruppe Pflichtbeiträge zu entrichten hat, die in der Höhe
den Beiträgen entsprechen, die bei einer Pflichtversicherung in der gesetzlichen
Rentenversicherung zu zahlen wären.
In der zweiten Säule der Alterssicherung werden als betriebliche Altersversorgung
Leistungen verstanden, die Arbeitgeber ihren Mitarbeitern zur Sicherung der Alters-,
Invaliditäts- oder Hinterbliebenenversorgung zusagen. Arbeitnehmer haben auch
einen gesetzlichen Anspruch auf betriebliche Altersversorgung in Form der so
genannten Entgeltumwandlung, wenn sie bereit sind, dafür auf Teile ihres Gehalts zu
verzichten. Für den Bereich des öffentlichen Dienstes besteht eine weitgehend

einheitliche betriebliche Altersversorgung durch die Versorgungsanstalt des Bundes
und der Länder – VBL.
Zur dritten Säule der Alterssicherung, der privaten Altersvorsorge, werden alle
Formen der privaten Vermögensbildung gezählt, die der Vorsorge für das Alter
dienen können.
Den einzelnen Sicherungssystemen kommt eine unterschiedliche Bedeutung zu: Die
Systeme der ersten Säule stellen in der Regel den größten Teil der zur Absicherung
des Lebensstandards erforderlichen Mittel zur Verfügung und haben deshalb für die
dort Versorgten die Funktion einer Regel- oder Basissicherung. Die betriebliche
Altersversorgung hat als zweite Säule die Funktion, eine vorhandene Regel- oder
Basissicherung zu ergänzen. Die Beamtenversorgung ist in diesem Zusammenhang
sowohl der ersten als auch der zweiten Säule zuzuordnen. Mit der privaten
Altersvorsorge in der dritten Säule, zum Beispiel im Rahmen von
Lebensversicherungen oder privaten Rentenversicherungen, ist eine eventuelle
Versorgungslücke im Alter zwischen dem letzten Erwerbseinkommen und den
Leistungen der ersten beiden Säulen zu schließen. Für Beschäftigte hat die dritte
Säule somit ebenfalls die Funktion als Ergänzungssicherung. Personen, die nicht der
gesetzlichen Rentenversicherung oder einem anderen System der ersten Säule
angehören, sind dagegen auf die private Vorsorge als Regelsicherung angewiesen.
Ein Vergleich mit dem Schweizer Rentenmodell eignet sich nicht, da hinter den
Alterssicherungssystemen eine bereits mehr als 100-jährige Entwicklung liegt, deren
einzelne Schritte wesentlich durch die nationalen Besonderheiten geprägt sind. Der
grundlegende Unterschied zum deutschen Alterssicherungssystem besteht darin,
dass in der Schweiz bei Einführung der gesetzlichen Versicherungspflicht in einer
staatlich organisierten Altersversicherung für die meisten Arbeitnehmer bereits eine
Alterssicherung in Form der betrieblichen Altersversorgung bestanden hat. Die
Einkommensbezogenheit der Alterssicherung wird im Zusammenwirken von
gesetzlicher Rentenversicherung und einer alle Arbeitnehmer streng
beitragsorientierten betrieblichen Altersversorgung sowie einer weit verbreiteten
privaten Vorsorge erreicht. Dagegen ist die betriebliche Altersversorgung in
Deutschland eine freiwillige Leistung der Arbeitgeber mit Ergänzungsfunktion, um nur
einen Unterschied aufzuzeigen.
Die für die jeweiligen Berufsgruppen im Laufe vieler Jahrzehnte entwickelten
Alterssicherungssysteme in Deutschland weichen im Hinblick auf die Ausgestaltung
der Finanzierung und der Leistungen zum Teil stark voneinander ab.

Diese Abweichungen sind Ergebnis historischer Entwicklungen und im Hinblick auf
die Beamtenversorgung auch verfassungsrechtlicher Vorgaben. Die einzige größere
Gruppe von Erwerbstätigen, die bisher von keinem obligatorischen
Alterssicherungssystem erfasst wird, betrifft die klassischen Unternehmer. Hier wird
allerdings Reformbedarf gesehen. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales
(BMAS) erarbeitet derzeit einen Vorschlag für eine obligatorische Altersvorsorge für
Selbständige. Dabei soll Wahlfreiheit bestehen, ob die Altersvorsorgeverpflichtung
bis zum Erreichen einer Basissicherung oberhalb der Grundsicherung in der
gesetzlichen Rentenversicherung oder durch private Vorsorge erbracht wird.
Im Ergebnis sind für den weitaus größten Teil der Bevölkerung bereits adäquate
Alterssicherungssysteme vorhanden. Die geforderte verpflichtende Einbeziehung
aller Bürger in die gesetzliche Rentenversicherung hätte im Ergebnis nicht nur
erhebliche Auswirkungen für das Alterssicherungssystem der gesetzlichen
Rentenversicherung, sondern auch für die anderen öffentlich-rechtlichen
Alterssicherungssysteme. Die Einbeziehung aller Erwerbstätigen in die gesetzliche
Rentenversicherung würde zwar kurz und mittelfristig zu einer Verbesserung der
Finanzgrundlage der Rentenversicherung führen. Langfristig entstehen jedoch auch
entsprechende Ansprüche im System mit entsprechenden Belastungen.
Beispielsweise ist bei der Überlegung der Einbeziehung der Beamten in die
gesetzliche Rentenversicherung, die eine Grundgesetzänderung erforderlich macht,
zu berücksichtigen, dass einerseits bereits erworbene Pensionsansprüche bedient
werden und andererseits die Gebietskörperschaften Beiträge in die gesetzliche
Rentenversicherung für die zukünftig dann dort versicherten Beamten leisten
müssten. Bei einer möglichen Einbeziehung der Beamten in die gesetzliche
Rentenversicherung müsste daher eine Lösung gefunden werden, die eine solche
Doppelbelastung der Gebietskörperschaften vermeidet. Wenn zur Vermeidung einer
Doppelbelastung der Gebietskörperschaften auch die Rentenversicherung in einem
bestimmten Umfang bereits bestehende Versorgungsverpflichtungen zu übernehmen
hätte, würde die durch die Einbeziehung von Beamten angestrebte Verbesserung
der Finanzgrundlage der Rentenversicherung in Frage gestellt. Unabhängig davon
lässt sich das für alle Alterssicherungssysteme gleichermaßen bestehende
demografische Problem, dass es künftig immer weniger Beitragszahler und immer
mehr, zudem älter werdende Leistungsbezieher geben wird, durch eine Ausweitung
des versicherungspflichtigen Personenkreises nicht beseitigen.

Dies wird auch nicht durch die Aufhebung der Beitragsbemessungsgrenze
ermöglicht. Zu den Grundprinzipien, die die gesetzliche Rentenversicherung von
Anfang an geprägt haben, gehört die Begrenzung des in der Rentenversicherung
versicherbaren Verdienstes. Die Beitragsbemessungsgrenze hat vor allem für die
Renten- und Arbeitslosenversicherung eine sozialversicherungsspezifische Funktion.
Sie wirkt als Beitrags- und auch als Leistungsbemessungsgrenze. Entsprechend
dem Versicherungsprinzip entstehen Leistungsansprüche daraus folgend nur bis zur
Höhe der geleisteten Beiträge. Gegen eine Aufhebung der
Beitragsbemessungsgrenze, die entsprechend der Entwicklung der Bruttolohn- und –
gehaltssumme jährlich fortgeschrieben wird, spricht vor allem, dass dies die
Einnahmen der gesetzlichen Rentenversicherung nur vorübergehend erhöhen
würde. Dieser Vorteil wäre jedoch nicht von Dauer, da eine Ausweitung der
Beitragsbemessungsgrundlage und der damit verbundene Aufbau höherer
Rentenanwartschaften in der vom Prinzip der Äquivalenz von Beiträgen und
Leistungen geprägten gesetzlichen Rentenversicherung auch höhere
Rentenzahlungen zur Folge hätte. Eine Erhöhung der Ausgaben der
Rentenversicherung bedeutet jedoch ein zunehmendes Risiko für die Erhaltung der
bestehenden Beitragssatzziele und kann zu einer Belastung der Lohnnebenkosten
führen.
Die Finanzierung der gesetzlichen Rentenversicherung erfolgt nach dem
Generationenvertrag im Umlageverfahren. Danach werden die Beitragszahlungen
der Versicherten für die Rentenzahlungen an die derzeitigen Rentner verwandt. Die
Versicherten erhalten im Gegenzug einen Anspruch auf den Bezug einer Rente im
Alter. Es gibt keinen Grund anzunehmen, dass eine Rentenzahlung aus der
gesetzlichen Rentenversicherung künftig nicht mehr gewährleistet sein soll. Mit den
Reformen der letzten Jahre wurde die künftige Finanzierung der gesetzlichen
Rentenversicherung auf eine solide Grundlage gestellt.
Nach den vorangegangenen Ausführungen sieht der Petitionsausschuss keine
Möglichkeit, das Anliegen der Petition zu unterstützen. Er empfiehlt deshalb, das
Petitionsverfahren abzuschließen, weil dem Anliegen nicht entsprochen werden
konnte.
Der von der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN gestellte Antrag, die Petition der
Bundesregierung – dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales – zur Erwägung
zu überweisen und den Fraktionen des Deutschen Bundestages zur Kenntnis zu

geben, soweit die Petition auf die Notwendigkeit der Einführung einer solidarischen
Bürgerversicherung aufmerksam macht, ist mehrheitlich abgelehnt worden.Begründung (pdf)


Helfen Sie mit, Bürgerbeteiligung zu stärken. Wir wollen Ihren Anliegen Gehör verschaffen und dabei weiterhin unabhängig bleiben.

Jetzt fördern