2016. 12. 13. 3:22
Pet 4-18-07-4013-025395
Reisevertragsrecht
Der Deutsche Bundestag hat die Petition am 01.12.2016 abschließend beraten und
beschlossen:
1. Die Petition
a) der Bundesregierung – dem Bundesministerium der Justiz und für
Verbraucherschutz – als Material zu überweisen,
b) den Fraktionen des Deutschen Bundestages zur Kenntnis zu geben,
soweit es um die nationale Umsetzung von Vorgaben der Europäischen Union
geht,
2. das Petitionsverfahren im Übrigen abzuschließen.
Begründung
Mit der Petition wird gefordert, dass die Kosten für Änderungen von Daten bei bereits
durchgeführten Reisebuchungen entweder vereinheitlicht oder ganz abgeschafft
werden.
Zur Begründung wird im Wesentlichen vorgetragen, dass bei der Änderung von
Daten bereits gebuchter Tickets häufig horrende und je nach Anbieter auch
unterschiedliche Gebühren anfielen. Es sei insbesondere nicht nachvollziehbar,
weshalb bei Änderung eines falsch geschriebenen Namens eines Fluggastes
mitunter der ganze Flug storniert werden müsse. Die Änderung von Daten, welche
falsch eingegeben oder übermittelt wurden, sollte kostenlos bleiben bzw. für eine
geringe Gebühr vorgenommen werden können.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten zu dem Vorbringen wird auf die eingereichten
Unterlagen verwiesen.
Die Eingabe wurde als öffentliche Petition auf der Internetseite des Deutschen
Bundestages eingestellt und dort diskutiert. Sie wurde von 51 Mitzeichnern
unterstützt, und es gingen 10 Diskussionsbeiträge ein.
Der Petitionsausschuss hat der Bundesregierung Gelegenheit gegeben, ihre Haltung
zu der Eingabe darzulegen. Das Ergebnis der parlamentarischen Prüfung lässt sich
unter Einbeziehung der seitens der Bundesregierung angeführten Aspekte wie folgt
zusammenfassen:
Rechtlich muss zwischen Pauschalreisen und reinen Beförderungsverträgen
unterschieden werden.
Bei der Buchung einer Pauschalreise kommen die besonderen Regelungen zum
Reisevertragsrecht gemäß §§ 651a ff. des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) zur
Anwendung. Hierbei wird zwischen dem Reisenden und dem Reiseveranstalter ein
sogenannter Reisevertrag geschlossen (§ 651a Absatz 1 Satz 1 BGB). Der
Veranstalter verpflichtet sich dabei, dem Reisenden eine Gesamtheit von
Reiseleistungen (Reise) zu erbringen. Der Reisende ist wiederum verpflichtet, dem
Reiseveranstalter den vereinbarten Reisepreis zu zahlen.
Beförderungsverträge hingegen sind nach allgemeiner Ansicht dem
Werkvertragsrecht zuzuordnen. Für Werkverträge gelten grundsätzlich die
Vorschriften der §§ 631 ff. BGB. § 631 Absatz 1 BGB verpflichtet den Unternehmer
(Beförderer) zur Herstellung und Verschaffung eines versprochenen Werkes, das
heißt eines bestimmten Erfolgs (Beförderung des Gastes und seines Gepäcks), und
den Besteller (Gast) im Gegenzug zur Bezahlung der vereinbarten Vergütung.
Bei Buchungsfehler in der Sphäre des Unternehmers weist der Ausschuss auf
Folgendes hin:
Unabhängig von der Frage, ob bei der Buchung einer Reise der Reisevermittler wie
etwa das Reisebüro oder aber stets der Reiseveranstalter für Fehler einzustehen hat,
ist jedenfalls in Literatur und Rechtsprechung unbestritten, dass der Reisende nicht
für Fehler innerhalb der Sphäre des Reisebüros und Übermittlungsfehler zwischen
Reisebüro und Reiseveranstalter einzustehen hat (vgl. hierzu auch Münchener
Kommentar zum BGB, 6. Auflage, § 651a Rz. 56).
Der Reisevertrag kommt durch übereinstimmende Willenserklärungen des
Reiseveranstalters und des Reisenden über den Gegenstand der „Reise“ und den
Reisepreis zustande, also durch das Angebot des Reisenden und die
Annahmeerklärung des Reiseveranstalters (§§ 145 ff. BGB). Das „Angebot“ ist die
auf den Abschluss des Reisevertrags gerichtete Willenserklärung („Buchung“) des
Kunden.
Es gehört zu den Pflichten des Reisebüros bzw. des Reiseveranstalters, den
Reisewunsch des Kunden durch eine fehlerfreie Buchung zu realisieren. Das
Vertragsangebot des Reisenden hat hierbei den Inhalt, den es hatte, als es in die
Sphäre des Unternehmers gelangte; nicht entscheidend ist, ob es auf seinem
weiteren Weg etwa zum Reiseveranstalter durch Übertragungsfehler verändert
wurde. In diesem Sinne äußerte sich bereits 1981 der Bundesgerichtshof (Urteil vom
19.11.1981, AZ: VII ZR 238/80) zu Fehlern bei einer Reisebuchung. Danach sei für
den Inhalt des Vertragsangebots „die eindeutige, im Reisebüro auch richtig
verstandene Erklärung des Anmelders maßgeblich“. Für nachfolgende Fehler habe
der Reiseveranstalter, gegebenenfalls auch das Reisebüro einzustehen (vgl. auch
LG Hamburg, Urteil vom 23.04.2002, AZ: 309 S 134/01; zur Haftung des Reisebüros
vgl. AG Karlsruhe, Urteil vom 29.06.1993, AZ: 3 C 211/93 sowie AG Menden, Urteil
vom 05.04.2006, AZ: 4 C 103/05).
Für das Falschausfüllen von Anmeldungen oder die fehlerhafte Eingabe von durch
den Reisenden richtig angegeben Daten in das Computersystem haftet demnach das
Unternehmen. Der Reisende hat – sofern der Fehler rechtzeitig vor Antritt der Reise
bemerkt wird – grundsätzlich einen Anspruch auf kostenfreie Berichtigung oder aber
Anspruch auf Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens (vgl. hierzu unter
anderem Führich, Reiserecht, 7. Auflage, § 28 Rz. 11).
Auch auf europäischer Ebene wird es künftig eine Regelung zur Haftung für
Buchungsfehler geben. Nach Artikel 21 Satz 1 der demnächst in Kraft tretenden
Richtlinie über Pauschalreisen und verbundene Reiseleistungen, zur Änderung der
Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 und der Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen
Parlaments und des Rates sowie zur Aufhebung der Richtlinie 90/314/EWG des
Rates haben die Mitgliedstaaten sicherzustellen, dass ein Unternehmer für Fehler
aufgrund technischer Mängel im Buchungssystem, die diesem Unternehmer
zuzurechnen sind, haftet. Hat er sich bereit erklärt, die Buchung einer Pauschalreise
oder von Reiseleistungen, die Teil sogenannter „verbundener Reiseleistungen“ sind,
zu veranlassen, soll er auch für Fehler haften, die er während des
Buchungsvorgangs macht.
Hat der Vertrag lediglich eine reine Transportleistung zum Gegenstand (z. B.
Bahnfahrt oder Flug), ist das Reisevertragsrecht nicht anwendbar. Anwendung findet
vielmehr – wie eingangs dargestellt – das für die jeweilige Transportleistung
einschlägige Recht. Gleichwohl hat auch hier für Buchungsfehler, die der Beförderer
zu verantworten hat, nicht der Gast einzustehen. So entschied beispielsweise das
Landgericht Frankfurt (Urteil vom 15. Januar 1988, AZ: 2/1 S 363/86), dass bei der
Buchung eines innerspanischen Fluges einer spanischen Fluggesellschaft über ein
deutsches Reisebüro die Fluggesellschaft dem Kunden haftet, wenn der Flug
tatsächlich nicht existiert und die Ursache der Fehlbuchung nicht feststeht (Panne
beim Agenten oder bei den zwischengeschalteten deutschen Computersystemen).
Soweit es um die nationale Umsetzung von EU-Vorgaben geht, empfiehlt der
Ausschuss daher, die Eingabe der Bundesregierung – dem Bundesministerium der
Justiz und für Verbraucherschutz – als Material zuzuleiten und die Petition den
Fraktionen des Deutschen Bundestages zur Kenntnis zu geben. Im Übrigen ist dem
Anliegen insoweit durch das geltende Recht entsprochen worden.
Bei Buchungsfehlern in der Sphäre des Reisenden gilt Folgendes:
Wenn dem Reisenden ein Fehler bei der Buchung unterlaufen ist und er nachträglich
eine Korrektur wünscht, wird er regelmäßig selbst die Kosten für die nachträgliche
Korrektur der Daten tragen müssen. Denn nach allgemeinen Vertragsgrundsätzen ist
der Kunde grundsätzlich an seine Buchung gebunden (§ 145 BGB). Nach Zugang
der Buchung beim Reiseveranstalter bzw. Beförderungsunternehmen kann diese
nicht mehr ohne weiteres durch den Reisewilligen widerrufen werden (vgl. § 130
Absatz 1 Satz 2 BGB).
In diesem Sinne soll künftig auch nach Artikel 21 Satz 2 des Entwurfs einer Richtlinie
über Pauschalreisen und verbundene Reiseleistungen, zur Änderung der
Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 und der Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen
Parlaments und des Rates sowie zur Aufhebung der Richtlinie 90/314/EWG ein
Unternehmer nicht für Buchungsfehler haften, die dem Reisenden zuzurechnen sind.
Gleiches soll gelten, wenn die Buchungsfehler durch unvermeidbare,
außergewöhnliche Umstände verursacht werden.
Unter welchen Voraussetzungen dem Reisenden eine nachträgliche Änderung des
Vertragsinhalts – so etwa eine Namensänderung – möglich ist, ergibt sich
grundsätzlich aus den vertraglichen Vereinbarungen zwischen dem
Reiseveranstalter bzw. dem Beförderungsunternehmen und dem Reisenden. Dies
gilt auch im Hinblick auf die von dem Petenten angesprochene Korrektur von
Passagiernamen in Flugtickets.
Geringfügige Fehler im Passagiernamen, die den Namen nicht wesentlich
verfälschen oder verändern, werden zum Teil von den Luftfahrtunternehmen toleriert,
insbesondere wenn es sich um innerdeutsche- oder auch innereuropäische Flüge
handelt. So sind einige Fluggesellschaften auch bereit, zum Beispiel Tippfehler im
Passagiernamen bis zu 3 Buchstaben durch Änderungen im elektronisch
gespeicherten Datensatz – dem sogenannten Passenger Name Record (PNR) –
kostenlos oder auch gegen ein geringes Entgelt zu korrigieren. Die üblichen
Reservierungs- bzw. Buchungssysteme wie etwa Amadeus oder Gallileo lassen ein
sogenanntes „name update“, also Namenskorrekturen bei gleicher Personenidentität
ohne gleichzeitige Stornierung zu – von einem „name update“ sind echte
Personenänderungen zu unterscheiden, die unter den Begriff „name change“ fallen.
Je weiter die Flugreise, desto strenger agieren die Luftfahrtunternehmen im
Allgemeinen, wohl auch aus sicherheitsrelevanten Gründen und strengen
Einreisebestimmungen von Ländern wie etwa den USA, China und Israel.
Im Übrigen hat die Europäische Kommission einen Vorschlag zur Überarbeitung der
EU-Verordnung (EG) Nr. 261/2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs-
und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei
Annullierung oder großer Verspätung von Flügen – der sogenannten
Fluggastrechteverordnung – und der Verordnung (EG) Nr. 2027/97 über die Haftung
von Luftfahrtunternehmen bei der Beförderung von Fluggästen und deren Gepäck
vorgelegt. Dieser Vorschlag sieht unter anderem vor, dass Fluggäste bis 48 Stunden
vor dem Abflug unentgeltlich die Berichtigung falscher Namensschreibungen
verlangen können. Die International Air Transport Association (IATA) –
internationaler Dachverband der Fluggesellschaften, welcher mittlerweile 260 Airlines
weltweit repräsentiert – hat sich im Rahmen der Beratungen über den Vorschlag
ebenfalls dafür ausgesprochen, die (kostenfreie) Korrektur von Schreibfehlern
während des Buchungsvorgangs einzuführen.
Ist der Name, das Reisedatum oder gar das Reiseziel komplett falsch, hat der Kunde
in den meisten Fällen eine Umbuchungsgebühr zu bezahlen. Diese Vorgehensweise
der Luftfahrtunternehmen ist auch nachvollziehbar. Anderenfalls könnte jeder
Fluggast jedes noch so günstig erworbene Flugticket mit dem Hinweis, es handele
sich um eine versehentliche Falschangabe, ändern lassen. Dies widerspräche dem
im BGB geltenden Grundsatz, dass abgeschlossene Verträge grundsätzlich
einzuhalten und zu erfüllen sind. Dieses Prinzip dient unter anderem der
Rechtssicherheit und damit der Funktionsfähigkeit des Rechtsverkehrs.
Vertragspartner sollen sich darauf verlassen können, dass die andere Partei sich an
die Vereinbarungen hält. Dies gilt in den angesprochenen Fällen umso mehr, als die
Luftfahrtgesellschaft kaum eine Möglichkeit hätte herauszufinden, ob es sich
tatsächlich um eine Falscheingabe handelte oder aber sich zum Beispiel schlicht die
Reisepläne des Fluggastes geändert haben.
Über die in den EU-Regelungen vorgesehenen Änderungen hinaus sieht der
Petitionsausschuss insoweit keinen Handlungsbedarf und vermag dem Anliegen
nicht zu entsprechen.
Zur Vereinheitlichung von Gebühren ergibt die Prüfung Folgendes:
Der vom Petenten begehrten Vereinheitlichung von Gebühren für nach der Buchung
veranlasste Änderungen von Daten stehen zum einen die Unterschiede in den
Beförderungsarten und hiermit zusammenhängende Sicherheitsfragen entgegen;
zum anderen würde eine gesetzliche Deckelung derartiger Kosten oder die Vorgabe
einer einheitlichen Gebühr einen Eingriff in die Vertragsfreiheit der Beteiligten
darstellen und bedürften einer besonderen Rechtfertigung, die aus den bereits
dargelegten Gründen nicht ersichtlich ist. Dem besonderen Schutzbedürfnis von
Verbrauchern bei der Verwendung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB)
wird durch die §§ 305 ff. BGB angemessen Rechnung getragen.
In aller Regel sind die Bedingungen für Vertragsänderungen und Stornierungen in
den AGB des jeweiligen Unternehmens enthalten. Dies ist grundsätzlich zulässig,
setzt aber bei Buchungen durch Verbraucher zunächst voraus, dass die AGB der
Unternehmen gemäß § 305 Absatz 2 BGB förmlich in den Vertrag einbezogen
werden. Die AGB werden nur in dem Umfang Vertragsinhalt, in welchem sie dem
Reisenden bei Vertragsschluss verfügbar sind.
Außerdem unterliegen vorformulierte Regelungen über die Kosten für
Vertragsänderungen oder Stornierungen in den AGB des jeweiligen Unternehmens
der Inhaltskontrolle nach den §§ 307 ff. BGB. Nach § 307 Absatz 1 BGB sind
Bestimmungen in AGB unwirksam, wenn sie den Vertragspartner entgegen Treu und
Glauben unangemessen benachteiligen. In diesem Sinne erklärte das Landgericht
München I (Urteil vom 26.09.2013, AZ: 12 O 5413/13) die in den AGB eines
Reiseveranstalters enthaltene Klausel für unwirksam, wonach bei
Namensänderungen Mehrkosten von bis zu 100 % des Reisepreises oder mehr
anfallen. Eine derartige Klausel benachteilige den Verbraucher unangemessen,
weiche vom Grundgedanken des § 651b Absatz 2 BGB ab und gefährde wesentliche
Rechte und Pflichten des Reiseteilnehmers.
Soweit es um die nationale Umsetzung von EU-Vorgaben geht, empfiehlt der
Ausschuss daher im Ergebnis, die Eingabe der Bundesregierung – dem
Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz – als Material zuzuleiten,
damit sie bei zukünftiger Gesetzgebung in die Überlegungen mit einbezogen wird,
und die Petition den Fraktionen des Deutschen Bundestages zur Kenntnis zu geben,
da sie als Anregung für eine parlamentarische Initiative geeignet erscheint. Im
Übrigen empfiehlt der Ausschuss, das Petitionsverfahren abzuschließen, weil dem
Anliegen teilweise entsprochen worden ist.
Begründung (PDF)