08/06/2017 07:01
Matthias Maetsch
Straßenverkehrs-Ordnung
Der Deutsche Bundestag hat die Petition am 24.02.2011 abschließend beraten und
beschlossen:
Das Petitionsverfahren abzuschließen, weil dem Anliegen nicht entsprochen werden
konnte.
Begründung
Mit der Eingabe wird eine Änderung der Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) dahinge-
hend gefordert, dass künftig an Kreuzungen gleichberechtigter Straßen ausschließ-
lich die Regel Rechts vor Links gilt und somit die Vorrangregelungen in § 9 StVO
ersatzlos abgeschafft werden.
Zu dieser Thematik liegt dem Ausschuss eine öffentliche Petition mit 343 Mitzeich-
nungen und 68 Diskussionsbeiträgen vor.
Zur Begründung des Anliegens wird im Wesentlichen angeführt, dass an deutschen
Kreuzungen häufig Verunsicherung herrsche, wenn an gleichberechtigten Straßen
keine Ampel den Verkehr regele. Es bestünde ein erhebliches Unfallrisiko, da die
Vorrangregelungen in § 9 StVO den ostdeutschen Verkehrsteilnehmern meist völlig
unbekannt seien, weil sie dort schon in den 1950er Jahren abgeschafft worden
seien. Aber auch westdeutschen Kraftfahrern wären die Vorrangregelungen schon
kurz nach der Führerscheinprüfung nicht mehr geläufig. Durch die Vorrangregelun-
gen des § 9 StVO würde die in allen Köpfen präsente Rechts vor Links- Regel
außer Kraft gesetzt, was zu unnötigen Komplikationen führe. Ferner sei eine Interna-
tionalisierung des deutschen Vorfahrtsrechts anzustreben, da ausländische Kraftfah-
rer nicht mit den deutschen Vorrang-Sonderregeln rechnen würden.
Wegen weiterer Einzelheiten zum Vortrag wird auf die Petition verwiesen.
Das Ergebnis der parlamentarischen Prüfung kann unter Berücksichtigung mehrerer
Stellungnahmen des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung wie
folgt zusammengefasst werden:
Der Petitionsausschuss vermag das Anliegen aus Gründen der Verkehrssicherheit
nicht zu unterstützen.
An gleichrangigen Kreuzungen und Einmündungen gilt die Vorfahrtsregelung
Rechts vor Links, soweit die Vorfahrt nicht durch Ampeln oder Verkehrszeichen be-
sonders geregelt ist (§ 8 Absatz 1 StVO). Neben der Rechts vor Links-Regelung
des § 8 StVO müssen auch die Vorschriften des § 9 Absatz 3 und 4 StVO beachtet
werden, wonach Abbieger den Gegenverkehr durchfahren lassen müssen. Diese Re-
gelungen schließen sich nicht aus, sondern sind gleichermaßen zu beachten.
Die Vorrangregelung Abbieger müssen Gegenverkehr passieren lassen ist völker-
rechtlich im W iener Übereinkommen über den Straßenverkehr von 1968, dessen
Vertragspartei Deutschland ist, verankert. In Artikel 16 Absatz 2 des Übereinkom-
mens ist festgelegt, dass der Fahrzeugführer während des Abbiegens die Verkehrs-
teilnehmer auf der Fahrbahn oder anderen Teilen der Straße, die er verlassen will,
vorbeifahren lassen muss.
In der Petition wird zwar zutreffend darauf hingewiesen, dass die Straßenverkehrs-
Ordnung der ehemaligen DDR ein Zusammenwirken der den §§ 8 und 9 StVO ent-
sprechenden Vorschriften nicht gekannt hat. Mit der W iedervereinigung ist die bun-
desdeutsche Straßenverkehrs-Ordnung für ganz Deutschland eingeführt und dieje-
nige der ehemaligen DDR aufgehoben worden. Daraus resultierende, durchaus ver-
ständliche anfängliche Unsicherheiten der Verkehrsteilnehmer aus den neuen Bun-
desländern dürften allerdings zwischenzeitlich ausgeräumt sein. Die bundesdeutsche
Vorfahrtsregelung gehört immerhin seit nunmehr 20 Jahren auch für die Verkehrsteil-
nehmer der neuen Bundesländer zum Verkehrsalltag.
Soweit in der Petition eine Streichung der Vorrangregelungen des Gegenverkehrs in
§ 9 Absatz 3 und 4 StVO vorgeschlagen wird, ist festzustellen, dass sich die bundes-
deutsche Regelung seit über 50 Jahren in der Praxis bewährt hat. Anlass, diese Re-
gelung ersatzlos zu streichen, besteht nicht. Die für die Verkehrsteilnehmer leicht
verständliche Regelung Wer abbiegen will, muss entgegenkommende Fahrzeuge
durchfahren lassen gehört ebenso wie die vergleichbar verständliche Rechts vor
Links-Regelung zu den elementaren Verhaltensregelungen der StVO. Schwierigkei-
ten mit den Regelungen sind von den für den Vollzug und die Ahndung der Ver-
kehrsregelungen der StVO zuständigen Ländern bislang nicht mitgeteilt worden.
Auch Fahrlehrerverbände oder sonstige Straßenverkehrssicherheitsverbände haben
diesbezüglich keinen Änderungsbedarf gesehen.
Vor diesem Hintergrund ist nach Auffassung des Petitionsausschusses eine Ände-
rung der Vorrangregelungen aus Verkehrssicherheitsgründen nicht angezeigt. Viel-
mehr wäre zu befürchten, dass eine grund- und ersatzlose Streichung auf Unver-
ständnis bei den Verkehrsteilnehmern stoßen würde und zumindest in einer Über-
gangszeit zu Missverständnissen beim Abbiegen führen könnte, was sich wiede-
rum negativ auf die Verkehrssicherheit auswirken würde.
Nach den vorangegangenen Ausführungen vermag der Petitionsausschuss somit
keinen gesetzgeberischen Handlungsbedarf zu erkennen und empfiehlt, das Peti-
tionsverfahren abzuschließen.