19.01.2017 03:22
Pet 3-18-05-04-024617
Vereinte Nationen (UNO)
Der Deutsche Bundestag hat die Petition am 15.12.2016 abschließend beraten und
beschlossen:
Die Petition der Bundesregierung – dem Auswärtigen Amt – zu überweisen.
Begründung
Der Petent möchte erreichen, dass die Zerstörung präislamischer, antiker Stätten im
Einflussgebiet des "Islamischen Staates im Irak und in Syrien" als Kriegsverbrechen
geächtet wird.
Der Petent führt im Einzelnen aus, dass der so genannte „Islamische Staat im Irak und
in Syrien“ (ISIS) in seinem Einflussgebiet systematisch Bauwerke aus vorislamischer
Zeit zerstöre, die von der UNESCO als Weltkulturerbe anerkannt seien. Dieser
kriegerische Akt habe keinerlei militärisches Ziel, sondern stelle einen Angriff auf zivile
und nicht verteidigte Gebäude dar. Dieses Vorgehen diene zudem der Vernichtung
des kulturellen Erbes der ortsansässigen – teilweise nichtmuslimischen – Bevölkerung
wie auch der Menschheit insgesamt. Beide Tatsachen erfüllten nach Auffassung des
Internationalen Strafgerichtshofes den Tatbestand eines Kriegsverbrechens nach
Art. 8 Abs. 2b des Römischen Statuts. Der Deutsche Bundestag solle daher diese
Tatbestände als Kriegsverbrechen ächten und ein Konzept zu dessen Unterbindung
auf der Basis eines UN-Mandates erwirken.
Zu dieser als öffentliche Petition zugelassenen Eingabe sind 7 Diskussionsbeiträge
und 151 Mitzeichnungen eingegangen.
Der Petitionsausschuss hat zu dem Anliegen eine Stellungnahme des Auswärtigen
Amtes (AA) und der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien
eingeholt. Unter Berücksichtigung der Stellungnahmen sieht das Ergebnis der
parlamentarischen Prüfung folgendermaßen aus:
Der Internationale Strafgerichtshof allein vergewissert sich, dass er in jeder bei ihm
anhängig gemachten Sache Gerichtsbarkeit hat, und trifft eine Entscheidung über die
Zulässigkeit der Sache.
Bei der Feststellung der strafrechtlichen Schuld für ein in einem internationalen
bewaffneten Konflikt begangenes Kriegsverbrechen nach Artikel 8 Abs. 2
Buchstabe b Nr. (ix) des Römischen Statuts oder für in einem nichtinternationalen
bewaffneten Konflikt begangenes Kriegsverbrechen nach Artikel 8 Abs. 2
Buchstabe e Nr. (iv) des Römischen Statuts handelt es sich nicht um die abstrakte
Bewertung einer Situation, sondern immer um die Frage der Strafbarkeit einer
natürlichen Person. Neben dem rein objektiven Geschehen sind dabei auch die
subjektive Tatseite und die individuelle strafrechtliche Verantwortlichkeit zu
berücksichtigen.
Deutschland könnte durch eine Entschließung zum Ausdruck bringen, dass die
Zerstörung antiker Stätten entsprechend der von Deutschland und dem Irak
eingebrachten Resolution der Generalversammlung der Vereinten Nationen 69/281
vom 28. Mai 2015 zum Schutz des irakischen Kulturgutes sowie der Bonner Erklärung
zum Welterbe vom 29. Juni 2015 nach seiner Einschätzung die Bewertung nahelegt,
dass durch diese Handlungen die Voraussetzungen für die Erfüllung des objektiven
Tatbestands eines Kriegsverbrechens nach Artikel 8 Abs. 2 Buchstabe b Nr. (ix) bzw.
nach Artikel 8 Abs. 2 Buchstabe e Nr. (iv) des Römischen Statuts erfüllt worden sein
können, und Deutschland Unterstützung bei der Strafverfolgung leistet, sofern die
Anklagebehörde oder der Internationale Strafgerichtshof hierum nachsuchen. Diese
Anfrage ist bisher offensichtlich nicht erfolgt.
Der Petitionsausschuss weist in diesem Zusammenhang auf die Resolutionen des
Sicherheitsrates der Vereinten Nationen 2199/2015 vom 12. Februar 2015 sowie
2253/2015 vom 17. Dezember 2015 hin. Beide Resolutionen verurteilen ausdrücklich
die Zerstörung des kulturellen Erbes durch den ISIS in Irak und Syrien.
Wie bereits oben ausgeführt wurde, sind vorsätzliche Angriffe auf Gebäude, die dem
Gottesdienst, der Erziehung, der Kunst, der Wissenschaft oder der Wohltätigkeit
gewidmet sind, Kriegsverbrechen im Sinne des Römischen Statuts des Internationalen
Strafgerichtshofes vom 17. Juli 1998. Ob die Zerstörung kultureller Güter
beispielswese in Mali während des dort ausgetragenen bewaffneten Konfliktes diesen
Tatbestand erfüllt, ist derzeit Gegenstand eines Verfahrens vor dem Internationalen
Strafgerichtshof. Dieses Verfahren kann Präzedenzwirkung für ähnlich gelagerte Fälle
entfalten.
Ende April 2016 hat eine offizielle Expertenmission des Welterbezentrums der
UNESCO nach Palmyra stattgefunden, um die Schäden vor Ort zu begutachten. Der
Bericht über die Mission und die daraus abzuleitenden dringendsten
Nothilfemaßnahmen werden dem Welterbekomitee der UNESCO auf seiner
40. Sitzung in Istanbul vorn 10. bis 20. Juli 2016 vorgestellt.
Darin werden auch die Ergebnisse der gemeinsam von der UNESCO und vom
Auswärtigen Amt in Kooperation mit dem Deutschen Archäologischen Institut (DAI)
und der Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK) organisierten Expertenkonferenz zum
Erhalt des syrischen Kulturerbes vom 2. bis 4. Juni 2016 in Berlin einfließen. In ihren
Stellungnahmen unterstreicht die Bundesregierung, dass sie ihre Bemühungen
fortsetzen werde, das kulturelle Erbe in ganz Syrien zu dokumentieren, zu erhalten
und erfahrbar zu machen.
Der Petitionsausschuss begrüßt ausdrücklich die Anstrengungen der
Bundesregierung und seiner europäischen Partner, das kulturelle Erbe in ganz Syrien
zu erhalten. Inwieweit die Zerstörung kultureller Güter den juristischen Tatbestand
eines Kriegsverbrechens darstellen könnte, müssen die zuständigen Gerichte – hier
der internationale Gerichtshof – klären. Der Ausgang der bisher geführten Präzedenz-
Verfahren sollte daher abgewartet werden.
Der Petitionsausschuss empfiehlt daher, die Petition der Bundesregierung – dem
Auswärtigen Amt – zu überweisen, um die weitere Entwicklung in diesem Bereich zu
beobachten.
Begründung (PDF)