29/08/2017, 10:49
Pet 1-17-06-1110-032123Wahlen
Der Deutsche Bundestag hat die Petition am 13.03.2014 abschließend beraten und
beschlossen:
Das Petitionsverfahren abzuschließen, weil dem Anliegen nicht entsprochen werden
konnte.
Begründung
Mit der Petition wird eine Änderung des Artikels 54 Grundgesetz dahingehend
gefordert, dass der Bundespräsident direkt vom Volk und nicht durch die
Bundesversammlung gewählt wird.
Zu dieser Thematik liegen dem Petitionsausschuss eine auf der Internetseite des
Deutschen Bundestages veröffentlichte Petition mit 1.568 Mitzeichnungen und
98 Diskussionsbeiträgen sowie zahlreiche weitere Eingaben mit verwandter
Zielsetzung vor, die wegen des Sachzusammenhangs einer gemeinsamen
parlamentarischen Prüfung unterzogen werden. Es wird um Verständnis gebeten,
dass nicht auf alle der vorgetragenen Aspekte im Einzelnen eingegangen werden
kann.
Zur Begründung des Anliegens wird im Wesentlichen vorgetragen, die
Bundesversammlung werde nicht dem Ziel gerecht, die Wahl eines geeigneten
Bundespräsidenten sicherzustellen. Die Rücktritte der letzten beiden
Bundespräsidenten, insbesondere das Verhalten des letzten Bundespräsidenten,
hätten dem Ansehen der Bundesrepublik Deutschland und seinen Bürgerinnen und
Bürgern erheblich geschadet. Die Direktwahl des Bundespräsidenten durch das Volk
würde einer sich abzeichnenden Politikverdrossenheit entgegenwirken und die
deutsche Demokratie stärken. Da der „Erste Mann im Staat“ als „identitätsstiftende
moralische Instanz“ eine integrative Vorbildfunktion innehabe und unabhängig
agieren müsse, würde die Stellung des Bundespräsidenten durch eine Direktwahl
gefestigt und eine größere Akzeptanz dieses Amtes erreicht. Hierdurch könne das
Amt des Bundespräsidenten zudem dem Einfluss der politischen Parteien entzogen
werden. Da die Wahl des Bundespräsidenten durch die Bundesversammlung erfolge,
sei seine Wahl, zumal wenn er selbst Mitglied einer politischen Partei sei, abhängig
von den Interessen der Parteivertreter. Politische Unabhängigkeit lasse sich jedoch
nicht mit Parteimitgliedschaft vereinbaren. Ferner könne ein vom Volk gewählter
Bundespräsident vor Ablauf der Dienstzeit durch ein einfaches Volksbegehren neu
gewählt werden.Über eine überparteiliche Wahlkommission sollte ein neues,
basisdemokratisches und transparentes Verfahren zur Wahl des Bundespräsidenten
gefunden werden.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten zu dem Vorbringen wird auf den Inhalt der
Akten verwiesen.
Der Petitionsausschuss hat der Bundesregierung Gelegenheit gegeben, ihre Ansicht
zu der Eingabe darzulegen. Das Ergebnis der parlamentarischen Prüfung lässt sich
unter Einbeziehung der seitens der Bundesregierung angeführten Aspekte wie folgt
zusammenfassen:
Der Petitionsausschuss weist darauf hin, dass der Parlamentarische Rat, der im
Jahre 1949 das Grundgesetz (GG) erarbeitete, sich von den Erfahrungen der
Weimarer Reichsverfassung leiten ließ. Vor diesem Hintergrund sind auch die
Ausgestaltung des Amtes des Bundespräsidenten sowie das Wahlverfahren zu
seiner Wahl im Grundgesetz zu verstehen. In der Weimarer Republik wurde der
Reichspräsident direkt gewählt. Er hatte weitreichende Befugnisse (unter anderem
Parlamentsauflösungsrecht, Oberbefehl über die Streitkräfte,
Notverordnungskompetenz und Regierungsernennung und -entlassung).
Der Ausschuss merkt an, dass das Grundgesetz dem Bundespräsidenten keine
derart weitreichende Stellung zuerkennen wollte. Die Möglichkeit einer politischen
Machtposition sollte ihm verwehrt werden. Aufgrund seiner Stellung als
Staatsoberhaupt und seiner Aufgaben, zu denen vor allem die Repräsentation des
Staates, die Kontrolle der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes, die Vertretung der
Bundesrepublik Deutschland auf völkerrechtlicher Ebene gegenüber anderen
Staaten und das Begnadigungsrecht nach Artikel 60 Abs. 2 GG zählen,kommt ihm
für das Staatswesen im Inneren eine integrative Funktion zu. Um dieser Funktion
nachkommen zu können, bedarf es vor allem der Wahrung parteipolitischer
Neutralität und Distanz zum politischen Alltagsgeschehen. Durch diese Neutralität
wird es dem Bundespräsidenten ermöglicht, das gesamte Volk zu repräsentieren und
Stimmungen innerhalb der Gesellschaft aufzunehmen, um sie an die Politik
heranzutragen. Dieser Funktion kann er nur nachkommen, wenn er nicht durch einen
Wahlkampf gezwungen wird, ein bestimmtes politisches Profil zur Schau zu stellen.
Damit würde er seine parteipolitische Neutralität verlieren.
Der Petitionsausschuss stellt fest, dass die Entscheidung zur Einführung einer Wahl
des Bundespräsidenten durch die Bundesversammlung bewusst in Abkehr zur
Regelung der Weimarer Reichsverfassung getroffen wurde. Das Grundgesetz geht
insgesamt von dem Modell der repräsentativen Demokratie aus. Nur der Deutsche
Bundestag wird gemäß Artikel 38 Abs. 1 GG direkt vom Volk gewählt. Dies entspricht
der besonderen Stellung des Deutschen Bundestages, seiner Bedeutung als Organ
der Gesetzgebung und vor allem seiner Aufgabe zur Regierungsbildung. Bei einer
Direktwahl des Bundespräsidenten hätte dieser eine höhere demokratische
Legitimation als beispielsweise der Bundeskanzler, der „nur" durch den Bundestag
gemäß Artikel 63 GG gewählt wird. Dies würde der Stellung des Bundeskanzlers im
Verhältnis zum Bundespräsidenten im Staatsgefüge nicht entsprechen.
Vor diesem Hintergrund sollte der Bundespräsident nach Ansicht des Ausschusses
nicht direkt vom Volk gewählt werden. Im Hinblick auf seine Stellung als
Staatsoberhaupt und Repräsentant der Bundesrepublik Deutschland in einem
föderalen Staat wird der Bundespräsident folgerichtig von der Bundesversammlung
gemäß Artikel 54 Abs. 1 Satz 1 GG gewählt, die jeweils zur Hälfte aus den
Mitgliedern des Deutschen Bundestages und Vertretern der Länder, die ihrerseits
von den Landtagen gewählt werden, besteht (Artikel 54 Abs. 3 GG).
Der Petitionsausschuss hält die geltende Rechtslage für sachgerecht und vermag
sich im Ergebnis nicht für die mit der Petition begehrte Änderung des Grundgesetzes
auszusprechen.
Vor diesem Hintergrund empfiehlt der Petitionsausschuss, das Petitionsverfahren
abzuschließen, weil dem Anliegen nicht entsprochen werden konnte.
Begründung (PDF)