Pet 2-17-15-8291-031600
Pflegeversicherung - Leistungen -
Der Deutsche Bundestag hat die Petition am 18.12.2014 abschließend beraten und
beschlossen:
Das Petitionsverfahren abzuschließen, weil dem Anliegen nicht entsprochen werden
konnte.
Begründung
Mit der Petition wird gefordert, dass die soziale Sicherung der Pflegeperson auch
unterhalb der 14stündigen Pflege pro Woche durchzuführen ist.
Zur Begründung wird ausgeführt, derzeit erhalte eine Pflegeperson nur dann
Leistungen der sozialen Sicherung, wenn sie wenigstens 14 Stunden wöchentlich
eine pflegebedürftige Person pflege. Pflegestufe I würde schon ab 10,5 Stunden
wöchentlicher Pflege gewährt. Daher sei auch die soziale Sicherung schon ab
10,5 Stunden wöchentlicher Pflege gerechtfertigt.
Zu den Einzelheiten des Vortrags der Petentin wird auf die von ihr eingereichten
Unterlagen verwiesen.
Die Eingabe war als öffentliche Petition auf der Internetseite des Deutschen
Bundestages eingestellt. Es gingen 222 Mitzeichnungen sowie
95 Diskussionsbeiträge ein.
Der Petitionsausschuss hat zu dem Anliegen eine Stellungnahme der
Bundesregierung eingeholt. Darüber hinaus hat der Ausschuss das Verfahren nach
§ 109 Abs. 1 Satz 2 Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages (GO-BT)
eingeleitet und eine Stellungnahme des Gesundheitsausschusses eingeholt, da die
Petition einen Gegenstand der Beratung in diesem Fachausschuss betrifft. Der
Ausschuss für Gesundheit hat mitgeteilt, dass er die Petition in seiner 82. Sitzung am
27.06.2012 beraten hat.
Das Ergebnis der parlamentarischen Prüfung stellt sich unter Berücksichtigung von
Stellungnahmen der Bundesregierung und der Mitteilung des Ausschusses für
Gesundheit wie folgt dar:
Der Petitionsausschuss weist grundsätzlich darauf hin, dass die mit der Petition
kritisierte Regelung, dass für eine Pflegeperson erst ab 14 Stunden wöchentlicher
Pflegezeit Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung entrichtet werden, auf der
gesetzgeberischen Entscheidung beruht, dass Pflegetätigkeiten nicht
erwerbsmäßiger Pflegepersonen erst ab einem nennenswerten, ins Gewicht
fallenden Umfang rentenversicherungsrechtlich begünstigt werden sollen. Dieser
Umfang wurde nach Aussage der Bundesregierung gegenüber dem
Petitionsausschuss nach übereinstimmender Auffassung mit 14 Stunden, d. h.
durchschnittlich 2 Stunden am Tag, festgelegt. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass
die Rentenversicherungsbeiträge, die die Pflegekassen zugunsten der Pflegeperson
eines Pflegebedürftigen der Pflegestufe I abzuführen haben, auf der Basis eines
fiktiven Entgeltes von 700 bzw. 737 Euro monatlich (Wert 2012/2014 - alte
Bundesländer) berechnet werden.
Der Petitionsausschuss weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass es den
Beitragszahlern schwer vermittelbar wäre, diese Beitragsleistung bereits bei einer
Pflegetätigkeit von weniger als 14 Stunden wöchentlich vorzusehen; zumal eine nicht
erwerbsmäßig ausgeübte Pflegetätigkeit in einem solchen zeitlichen Umfang in der
Regel nicht dazu führt, dass die Pflegeperson völlig auf die Ausübung eines Berufs
verzichtet, und dadurch bedingt Fehlzeiten in der Rentenbiografie in Kauf nimmt.
Der Petitionsausschuss gibt zu bedenken, dass ein wichtiges Ziel bei der Einführung
der Pflegeversicherung im Jahr 1995 war, die soziale Sicherung der pflegenden
Angehörigen und der sonstigen ehrenamtlichen Pflegepersonen zu verbessern. Im
Vordergrund standen Verbesserungen bei der Alterssicherung der Pflegepersonen,
die Einbeziehung der pflegenden Personen in den Unfallversicherungsschutz sowie
die Förderung der Pflegepersonen nach Beendigung ihrer Pflegetätigkeit bei der
beruflichen Weiterbildung nach dem Arbeitsförderungsrecht (Drittes Buch
Sozialgesetzbuch - SGB III). Mit dem Gesetz zur strukturellen Weiterentwicklung der
Pflegeversicherung (Pflege-Weiterentwicklungsgesetz) vom 28.05.2008 und dem
dort in Artikel 3 geregelten Gesetz über die Pflegezeit (Pflegezeitgesetz - PflegeZG)
ist zudem seit Juli 2008 ein Anspruch auf längstens sechs Monate unbezahlte
Freistellung von der Arbeit (Pflegezeit), bei der u.a. ggf. die Pflegeversicherung den
Beitrag für die Krankenversicherung bis zur Höhe des Mindestbeitrags erstattet,
sowie ein kurzfristiger Freistellungsanspruch von bis zu 10 Arbeitstagen bei einer
akut auftretenden Pflegesituation eingeführt worden.
Durch das Gesetz zur Neuausrichtung der Pflegeversicherung (Pflege-
Neuausrichtungsgesetz - PNG) wurde die bisherige Regelung in § 19 Elftes Buch
Sozialgesetz-buch (SGB XI) mit Wirkung vom 01.01.2013 modifiziert. § 19 (Begriff
der Pflegepersonen) bestimmte: "Pflegepersonen im Sinne dieses Buches sind
Personen, die nicht erwerbsmäßig einen Pflegebedürftigen im Sinne des § 14 in
seiner häuslichen Umgebung pflegen. Leistungen zur sozialen Sicherung nach § 44
erhält eine Pflegeperson nur dann, wenn sie eine pflegebedürftige Person
wenigstens 14 Stunden wöchentlich pflegt. "
Durch das PNG wurden in § 19 Satz 2 die Wörter "pflegebedürftige Person" durch
die Wörter "oder mehrere pflegebedürftige Personen" ersetzt. Ausweislich der
Gesetzesbegründung (Bundestags-Drucksache 17/9369 vom 23.04.2012, S. 19,40)
liegen der o. g. Regelung folgende Erwägungen zugrunde:
"Rentenversicherungsbeiträge für Pflegepersonen werden dann entrichtet, wenn für
den jeweiligen Pflegebedürftigen mindestens 14 Stunden Pflege wöchentlich
geleistet werden. Eine Addition von rentenrechtlich wirksamen Zeiten bei Pflege von
gleichzeitig zwei oder mehreren Pflegebedürftigen ist bisher nicht vorgesehen. Wer
zwei (oder mehrere) Pflegebedürftige gleichzeitig jeweils unter 14 Stunden pro
Woche pflegt, erhält für die Pflege bisher keine Verbesserung seiner Alterssicherung,
auch wenn er insgesamt mehr als 14 Stunden wöchentlich pflegt. Um die Pflege von
zwei (oder mehreren) Pflegebedürftigen und die daraus resultierende Belastung der
Pflegeperson ausreichend zu würdigen, werden zukünftig bei der Pflege von zwei
oder mehreren Pflegebedürftigen gleichzeitig rentenrechtlich wirksame Pflegezeiten
addiert, wenn bei den Pflegebedürftigen mindestens die Pflegestufe I anerkannt ist."
Mit ergänzender Stellungnahme vom Juni 2014 teilte die Bundesregierung (erneut)
mit, dass die Regelung, dass für eine Pflegeperson erst ab 14 Stunden wöchentlicher
Pflegezeit Beiträge zur Rentenversicherung entrichtet werden, auf der
gesetzgeberischen Entscheidung beruht, dass Pflegetätigkeiten nicht
erwerbsmäßiger Pflegepersonen erst ab einem nennenswerten – ins Gewicht
fallenden – Umfang rentenversicherungsrechtlich begünstigt werden sollen. Für die
Fortgeltung der 14-Stunden-Grenze spricht, dass Pflegepersonen mit unter zwei
Stunden Pflege pro Tag nicht unbedingt ihre Berufstätigkeit einstellen oder
reduzieren müssen.
Grundsätzlich ist eine untere Grenze auch unter dem Gesichtspunkt, dass die
Pflegeversicherung nur eine Grundsicherung darstellt, gerechtfertigt. Diese
Untergrenze muss nicht zwingend identisch sein mit der Untergrenze von
10,5 Stunden, die bei der Begutachtung von Pflegebedürftigkeit für die Feststellung
von Pflegestufe I maßgeblich ist.
Im Zusammenhang mit der Einführung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs noch
in dieser Legislaturperiode und der Abschaffung der sogenannten "Minutenzählerei"
bei der Begutachtung von Pflegebedürftigkeit wird auch die kritisierte Zeitgrenze
überprüft werden müssen, weil in einem neuen Begutachtungsverfahren für die
Einstufung in Pflegestufen oder Bedarfsgrade keine Pflegezeiten mehr festgestellt
werden müssen. Nach Einführung eines neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs kann die
derzeitige Anknüpfung an den Zeitaufwand der pflegenden Angehörigen für
Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung voraussichtlich nicht aufrecht
erhalten werden. Im Rahmen des vorgesehenen zweiten Pflegestärkungsgesetzes
muss daher nach einer sinnvollen Lösung gesucht werden.
Vor dem Hintergrund des Dargelegten vermag der Petitionsausschuss ein weiteres
Tätigwerden nicht in Aussicht zu stellen und empfiehlt daher, das Petitionsverfahren
abzuschließen.
Begründung (PDF)