24/11/2016, 03:22
Pet 4-18-11-81503-012524
Arbeitslosengeld II
Der Deutsche Bundestag hat die Petition am 10.11.2016 abschließend beraten und
beschlossen:
Das Petitionsverfahren abzuschließen, weil dem Anliegen teilweise entsprochen
worden ist.
Begründung
Mit der Petition wird gefordert, dass die Absolvierung einer Ausbildung und der
Leistungsbezug nach dem Sozialgesetzbuch II sich nicht mehr gegenseitig
ausschließen.
Zur Begründung wird im Wesentlichen vorgetragen, nach § 7 des Zweiten Buches
Sozialgesetzbuch (SGB II) würden insbesondere Menschen mit grundsätzlichem
Anspruch auf Berufsausbildungsbeihilfe (BaB) oder nach dem
Berufsausbildungsförderungsgesetz (BAföG) vom Sozialleistungsbezug
ausgeschlossen. An dieser Regelung scheiterten viele Ausbildungen. Die
Förderinstrumente für Ausbildungen seien intransparent, in verschiedenen
Vorschriften geregelt, schlössen sich gegen-seitig aus und würden zu verschiedenen
Zeitpunkten ausgezahlt. Grundsätzlich beste-he die Notwendigkeit, die Regelungen
zu reformieren und auf die aktuelle gesell-schaftliche Situation von Auszubildenden
anzupassen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten zu dem Vorbringen wird auf die Petition Bezug
genommen.
Die Eingabe wurde als öffentliche Petition auf der Internetseite des Deutschen
Bundestages eingestellt und dort diskutiert. Sie wurde von 619 Mitzeichnern
unterstützt, und es gingen 18 Diskussionsbeiträge ein.
Der Petitionsausschuss hat der Bundesregierung Gelegenheit gegeben, ihre Haltung
zu der Eingabe darzulegen. Das Ergebnis der parlamentarischen Prüfung lässt sich
unter anderem unter Einbeziehung der seitens der Bundesregierung angeführten
Aspekte wie folgt zusammenfassen:
Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des BAföG oder der BaB bzw.
Ausbildungsgeld dem Grunde nach förderungsfähig ist, hatten nach § 7 Abs. 5 SGB II
keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Sie erhielten bei
Vorliegen der Voraussetzungen einen Zuschuss zu den ungedeckten Aufwendungen
für Unterkunft und Heizung.
Der Gesetzgeber hatte sich für die Ausschlussregelung in § 7 Abs. 5 SGB II
entschieden, weil er mit den Regelungen im BAföG, der Förderung der BAB und den
Vorschriften im Dritten Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) eigene Regelungen
geschaffen hat, die auf die besondere Lebenssituation der Auszubildenden
zugeschnitten sind. Eine Ausnahme galt für Kosten für Unterkunft und Heizung, die im
Einzelfall nicht ausreichend durch die pauschal bemessene Förderung nach dem
BAföG abgedeckt werden konnten.
Der Gesetzgeber hat mit den Vorschriften zur Ausbildungsförderung und den
Vorschriften zur Grundsicherung zwei unterschiedliche Lebensbereiche regeln wollen.
Das BAföG (§ 1) verfolgt den Zweck, eine individuelle Ausbildungsförderung nach
Neigung, Eignung und Leistung zu ermöglichen, wenn der Auszubildende hierzu nicht
die erforderlichen Mittel hat. Es soll Schülern und Studierenden ermöglichen, einer
Ausbildung und daran anschließend einer qualifizierten Erwerbstätigkeit
nachzugehen. Abgedeckt werden sollen hierbei auch die Kosten der Ausbildung
selbst.
Die Grundsicherung nach dem SGB II (§ 1) hat eine andere Aufgabe. Sie hilft
Arbeitssuchenden, die in einer Notlage sind und ihr Existenzminimum nicht mehr aus
eigenen Mitteln bestreiten können. Dafür verpflichtet es sie auch, die Notlage
schnellstmöglich wieder zu beenden. Dieser Unterschied der Regelungsbereiche
spiegelt sich auch in dem Umstand wider, dass der gesellschaftliche Status von
Schülern oder Studenten ein anderer als der von Erwerbslosen ist. Auszubildende
genießen die Perspektive, nach Abschluss einer Ausbildung materiell besser gestellt
zu sein und erhalten deshalb geringere Leistungen zur Lebenshaltung als
Erwerbslose, die durch den Verlust ihres Arbeitsplatzes materielle Verluste hinnehmen
müssen. Es begegnet deshalb unter dem Gesichtspunkt des Gebots der
Gleichbehandlung keinen Bedenken, beide Gruppen unterschiedlich zu behandeln.
Die Lebenssituation ist nicht vergleichbar.
Die beschriebene Rechtskonstruktion war nach Auffassung der im Jahr 2013 aufgrund
eines Beschlusses der Konferenz der Ministerinnen und Minister, Senatorinnen und
Senatoren für Arbeit und Soziales (ASMK) eingerichteten Bund-Länder-Arbeitsgruppe
zur Vereinfachung des passiven Leistungsrechts im SGB II aber sehr kompliziert und
führte insbesondere beim Übergang von Leistungen der Grundsicherung für
Arbeitsuchende in die Ausbildungsförderung zu Problemen bei der Sicherung des
Lebensunterhalts. Daher wurden Änderungen an der Schnittstelle zwischen dem SGB
II und der Ausbildungsförderung vorgeschlagen, um Sicherungs- und Förderlücken zu
vermeiden.
Zum 1. August 2016 wurde § 7 Absätze 5 und 6 SGB II durch das Neunte Gesetz zur
Änderung des SGB II – Rechtsvereinfachung – sowie zur vorübergehenden
Aussetzung der Insolvenzantragspflicht (9. SGB II-ÄndG) dahingehend geändert, dass
der Leistungsausschluss für Auszubildende weitgehend abgeschafft wurde:
- Auszubildende in einer betrieblichen oder außerbetrieblichen Ausbildung sind
von den Leistungen nicht mehr ausgeschlossen, selbst wenn sie keine
Leistungen der Ausbildungsförderung nach dem SGB III beziehen. Ein
Leistungsausschluss gilt nur noch für Auszubildende, die während der
Ausbildung in einem Internat oder ähnlichen Einrichtung bei voller Verpflegung
untergebracht sind.
- Auszubildende in schulischer Ausbildung sind leistungsberechtigt, wenn sie
tatsächlich Leistungen nach dem BAföG erhalten oder nur deswegen nicht
erhalten, weil die zuständige BAföG-Stelle über einen BAföG-Antrag noch nicht
entschieden hat oder Einkommen und/oder Vermögen auf das BAföG
angerechnet wird. Hinzu kommen die bisher ohnehin schon
leistungsberechtigten Personenkreise (z. B. Schülerinnen und Schüler von
Gymnasien ab Klasse 10 im Haushalt der Eltern). Weiterhin ausgeschlossen
von Leistungen nach dem SGB II sind Studierende außerhalb des
Elternhaushalts.
Vor diesem Hintergrund empfiehlt der Ausschuss, das Petitionsverfahren
abzuschließen, weil dem Anliegen teilweise entsprochen worden ist.
Der von den Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gestellte Antrag,
die Petition der Bundesregierung – dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales –
als Material zu überweisen, und den Fraktionen des Deutschen Bundestages zur
Kenntnis zu geben, ist mehrheitlich abgelehnt worden.
Begründung (PDF)