10-06-2016 04:24
Pet 4-18-11-81503-011302
Arbeitslosengeld II
Der Deutsche Bundestag hat die Petition am 02.06.2016 abschließend beraten und
beschlossen:
Das Petitionsverfahren abzuschließen, weil dem Anliegen nicht entsprochen werden
konnte.
Begründung
Mit der Petition wird gefordert, zusätzliche Leistungsanreize für den Hinzuverdienst
zum Arbeitslosengeld II zu schaffen.
Zur Begründung wird im Wesentlichen vorgetragen, Empfänger von Leistungen nach
dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) dürften bis zu einem Einkommen von
800 Euro nur 100 Euro als Grundfreibetrag hinzuverdienen. Dies schaffe kaum
Leistungsanreize. Deshalb sei es womöglich sinnvoll und gerechter, den
Grundfreibetrag gegen eine prozentuale Abgabe zu ersetzen, so dass der, der mehr
arbeite oder erwirtschafte, auch mehr davon habe.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten zu dem Vorbringen wird auf den Vortrag des
Petenten verwiesen.
Die Eingabe wurde als öffentliche Petition auf der Internetsete des Deutschen
Bundestages eingestellt und dort diskutiert. Sie wurde von 122 Mitzeichnern
unterstützt, und es gingen 18 Diskussionsbeiträge ein.
Der Petitionsausschuss hat der Bundesregierung Gelegenheit gegeben, ihre Haltung
zu der Eingabe darzulegen. Das Ergebnis der parlamentarischen Prüfung lässt sich
unter anderem unter Einbeziehung der seitens der Bundesregierung angeführten
Aspekte wie folgt zusammenfassen:
Das Arbeitslosengeld II als passive Leistung des Systems der Grundsicherung für
Arbeitsuchende nach dem SGB II ist eine aus Steuermitteln finanzierte reine
Fürsorgeleistung zur Sicherung des Lebensunterhaltes erwerbsfähiger
Hilfebedürftiger und der mit ihnen in Bedarfsgemeinschaft zusammenlebenden
Angehörigen. Mit ihr wird der Staat seiner Verpflichtung gerecht, die
Mindestvoraussetzungen für ein menschenwürdiges Dasein (Existenzminimum) zu
schaffen (Artikel 1, 20 Abs. 1 Grundgesetz [GG]). Die Hilfe nach dem SGB II ist
grundsätzlich nachrangig.
Es ist dabei das vorrangige Ziel der Grundsicherung für Arbeitsuchende, dazu
beizutragen, dass erwerbsfähige Hilfebedürftige ihren Lebensunterhalt unabhängig
von der Grundsicherung aus eigenen Mitteln und Kräften bestreiten können (§ 1
SGB II). Dieser Personenkreis soll in seiner Eigenverantwortung gestärkt werden und
muss alle Möglichkeiten zur Beendigung oder Verringerung der Hilfebedürftigkeit
ausschöpfen (§ 2 Abs. 1 SGB II). Hilfebedürftig ist, wer seinen Lebensunterhalt nicht
oder nicht ausreichend aus eigenen Mitteln, vor allem nicht aus dem zu
berücksichtigenden Einkommen und Vermögen sichern kann (§ 9 SGB II). Zur
Sicherung seines Lebensunterhalts hat ein erwerbsfähiger Hilfsbedürftiger
insbesondere seine Arbeitskraft einzusetzen. Nach den Grundsätzen der
Nachrangigkeit und von „Fördern und Fordern“ besteht die Verpflichtung des
erwerbsfähigen Hilfebedürftigen zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit. Hierbei ist dem
erwerbsfähigen Hilfebedürftigen jede Arbeit zuzumuten, es sei denn, einer der in
§ 10 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 SGB II vorgesehenen Ausnahmetatbestände liegt vor.
In der Konsequenz müsste der Leistungsanspruch nach dem SGB II in Höhe des
erzielten Einkommens gemindert werden. Sollte dabei der Leistungsberechtigte mit
Erwerbseinkommen aber das gleiche verfügbare Einkommen erhalten wie der
Leistungsberechtigte ohne Erwerbseinkommen, so würde dies den
Gerechtigkeitsvorstellungen der Mehrheit entgegenstehen.
Auch wäre weder ein Anreiz zu einer Beschäftigungsaufnahme noch im unteren
Lohnbereich ein Anreiz zur Ausdehnung der Erwerbsbeteiligung in Richtung Existenz
sicherndes Einkommen gegeben. Zum anderen wäre auch aus Sicht der
Gemeinschaft ein falsches Signal an die Bezieher von Grundsicherungsleistungen
gegeben, weil Arbeit nicht hinreichend lohnend wäre.
Im Rahmen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II werden daher
gemäß § 11b SGB II bei der Berücksichtigung von Einkommen, insbesondere von
Erwerbseinkommen, Absetz- und Freibeträge eingeräumt, mit denen zum einen ein
Anreiz für die Aufnahme oder Beibehaltung einer Erwerbstätigkeit geschaffen wird
und zum anderen diejenigen Kosten, die nur durch die Ausübung der
Erwerbstätigkeit verursacht werden, Berücksichtigung finden können.
Allerdings steht die Höhe der einzuräumenden Freibeträge damit stets in einem
Spannungsverhältnis, dass mit steigenden Freibeträgen auch die - von Größe und
Zusammensetzung der Bedarfsgemeinschaft abhängigen - jeweiligen
Bedürftigkeitsschwellen umso höher liegen. D.h. es würde ein größerer Kreis von
Erwerbstätigen für die Grundsicherung für Arbeitsuchende anspruchsberechtigt
werden und die fiskalischen Aufwendungen für die Fürsorgeleistungen würden somit
steigen. Nicht zuletzt stellen allzu hohe Freibeträge in der Grundsicherung für
Arbeitsuchende die Grundidee in Frage, dass Haushalte mit hinreichender
Erwerbsbeteiligung eigentlich nicht von einer nachrangigen Fürsorgeleistung,
sondern allenfalls von vorrangigen Sozialtransfers abhängig sein sollten, die ihrer
spezifischen Bedarfslage (Wohnkosten, Familienlasten) besser entsprechen.
Eine gerechte Regelung zu finden, die zum einen die Allgemeinheit finanziell
entlastet und die gleichzeitig einen Anreiz zur Arbeitsaufnahme und zum
Aufrechterhalten von nicht vollständig Existenz sichernder Beschäftigung für den
Bezieher von Leistungen bietet, ist letztlich nur in der Abwägung der oben skizzierten
Erwägungen zu finden.
Eine Erhöhung des anrechnungsfreien Einkommens von bisher 100 Euro um die mit
der Petition vorgeschlagenen prozentualen Freibetragsregelungen ist mit dem
Charakter einer nachrangigen Fürsorgeleistung nicht zu vereinbaren und auch
gegenüber dem Steuerzahler nicht zu rechtfertigen.
Dabei ist auch festzustellen, dass es nicht nur um Anreize zur Aufnahme
geringfügiger Beschäftigungen gehen kann, sondern Zielstellung der Grundsicherung
für Arbeitsuchende die Integration in existenzsichernde Beschäftigungen ist.
Der Ausschuss hält die geltende Rechtlage für sachgerecht und vermag sich nicht für
eine Gesetzesänderung im Sinne der Petition auszusprechen. Der
Petitionsausschuss empfiehlt daher, das Petitionsverfahren abzuschließen, weil dem
Anliegen der Petition nicht entsprochen werden konnte.
Begründung (pdf)