31/05/2017 à 04:22
Pet 1-18-09-751-015759
Energiewirtschaft
Der Deutsche Bundestag hat die Petition am 18.05.2017 abschließend beraten und
beschlossen:
Das Petitionsverfahren abzuschließen, weil dem Anliegen teilweise entsprochen
worden ist.
Begründung
Mit der Petition wird gefordert, Kohlekraftwerke für einen Übergangszeitraum von 30
bis 40 Jahren durch Gaskraftwerke zu ersetzen und dann synthetisches Gas, das
sogenannte Power-to-Gas, zu nutzen.
Zu dieser Petition, die auf der Internetseite des Deutschen Bundestages veröffentlicht
wurde, liegen dem Petitionsausschuss 108 Mitzeichnungen und
18 Diskussionsbeiträge vor. Es wird um Verständnis gebeten, dass nicht auf jeden
Gesichtspunkt gesondert eingegangen werden kann.
Zur Begründung des Anliegens wird im Wesentlichen vorgetragen, dass die meisten
deutschen Kohlekraftwerke (KKW) alt seien und einen sehr schlechten Wirkungsgrad
sowie einen hohen Schadstoffausstoß, insbesondere von Quecksilber, aufwiesen.
Außerdem seien der Flächenverbrauch und die Gewässerverschlechterung durch den
Braunkohletagebau im Vergleich zu anderen Stromerzeugungsarten unannehmbar
hoch. Für Auslegung und Betrieb des deutschen bzw. europäischen
Stromverbundnetzes seien Gaskraftwerke (GKW) sehr vorteilhaft, weil für die
Brennstoffversorgung bereits ein Erdgasnetz als Infrastruktur bestehe. Überschüsse
aus Sonnen- und Windstrom sollten mittels Elektrolyse zum Erzeugen von Wasserstoff
bzw. Methan (synthetischem Erdgas) verwendet werden. Der Wirkungsgrad sei nicht
schlechter als der alter KKW und das Erzeugnis sei speicherbar. Für regionale oder
lokale Stromnetze hätten sich kleinere GKW in Verbindung mit Biogasanlagen schon
über Jahre bewährt. Sie seien bei Anwendung der Kraft-Wärme-Kopplung (KWK)
besonders sinnvoll.
In der politischen Diskussion zum derzeitigen deutschen und europäischen
Kraftwerkspark sei das stärkste Argument die Wirtschaftlichkeit der Anlagen. Im
Prinzip sei ein GKW im Vergleich zum KKW die günstigere Anlage, weil Gas mit
weniger technischem Aufwand zu handhaben sei als feste oder flüssige Brennstoffe.
Das Argument werde aus einem kaufmännischen Blickwinkel vorgetragen, da alle
neuen Kraftwerke, nicht nur die GKW, einige Jahre lang ihre Herstellungskosten
abtragen müssen, die alten KKW dagegen nicht.
Power-to-Gas-Anlagen sollten dort gebaut werden, wo sich Anlagen zur Wind- bzw.
Sonnenstromerzeugung häufen und Erdgasleitungen in der Nähe liegen. GKW in
Nachbarländern, wie den z. B. den Niederlanden, sollten bei der Standortwahl
berücksichtigt werden, um deren Auslastung zu verbessern, dies führe zu einem
günstigeren Strompreis. Die Arbeitsplätze könnten höchstwahrscheinlich größtenteils
von den KKW in die GKW verlagert werden.
Wegen weiterer Einzelheiten zu dem Vorbringen und zur Vermeidung von
Wiederholungen wird auf die mit der Eingabe eingereichten Unterlagen verwiesen.
Der Petitionsausschuss hat der Bundesregierung Gelegenheit gegeben, ihre Ansicht
zu der Eingabe darzulegen. Zudem hat der Ausschuss gemäß § 109 Absatz 1 Satz 2
der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages (GOBT) eine Stellungnahme des
Ausschusses für Wirtschaft und Energie des Deutschen Bundestages eingeholt, dem
der Gesetzentwurf der Bundesregierung „Entwurf eines Gesetzes zur
Weiterentwicklung des Strommarktes (Strommarktgesetz, Drucksache 18/7317) sowie
der Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. „Zukunft des Strommarktes - Mit
ökologischem Flexibilitätsmarkt klimafreundliche Kapazitäten anreizen und
Kohleausstieg einleiten“, (Drucksache 18/7369) zur Beratung vorlagen. Das
Strommarktgesetz ändert als sogenanntes Mantelgesetz weitere Gesetze und
Verordnungen, so unter anderem das Energiewirtschaftsgesetz (EnWG), das
Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) und die Reservekraftwerksverordnung. Es
wurde am 8. Juli 2016 vom Deutschen Bundestag in geänderter Fassung beschlossen.
Alle Drucksachen sowie die dazugehörigen Protokolle der Plenardebatten
(Drucksachen 18/153 und 18/179) können unter www.bundestag.de eingesehen
werden.
Das Ergebnis der parlamentarischen Prüfung lässt sich unter Einbeziehung der seitens
der Bundesregierung und der des Wirtschaftsausschusses angeführten
Gesichtspunkte wie folgt zusammenfassen:
Einführend weist der Petitionsausschuss darauf hin, dass sich die Energiepolitik am
energiepolitischen Zieldreieck orientiert und dabei anstrebt, Bezahlbarkeit,
Versorgungssicherheit und Umweltverträglichkeit der Stromversorgung miteinander in
Einklang zu bringen.
Der Umbau der Stromversorgung hin zu erneuerbaren Energien wird den heutigen
nationalen Energiemix deutlich verändern. Der Anteil fossiler Energieträger wird
dadurch immer stärker sinken. Dies wird auch zu einer entsprechenden Senkung der
Betriebsstunden fossiler Kraftwerke und damit der CO2-Emissionen führen.
Die Entscheidung über Investitionen in konventionelle Kraftwerke und über ihren
Einsatz ist in erster Linie eine unternehmerische. Eine Umstellung der neben den
erneuerbaren Energien verbleibenden konventionellen Stromerzeugung auf Erdgas
würde zwei Ziele des energiepolitischen Zieldreiecks – Bezahlbarkeit und
Versorgungssicherheit – vernachlässigen.
Anders als in der Petition argumentiert wird, ist die Stromerzeugung auf Basis von
Erdgas unter anderem aufgrund der höheren Brennstoffkosten derzeit nicht günstiger
als die Stromerzeugung auf Basis von Kohle. Darüber hinaus erscheint eine
Diversifizierung der konventionellen Stromversorgung hinsichtlich der eingesetzten
Brennstoffe auch vor dem Hintergrund der Versorgungssicherheit sinnvoll.
Ob und in welchem Umfang langfristig synthetisches Gas, das sogenannte Power-to-
Gas, zum Einsatz kommen wird, kann heute noch nicht abgesehen werden. Derzeit
und voraussichtlich auch auf absehbare Zeit ist das Verfahren aufgrund der damit
verbundenen hohen Kosten im Vergleich zu anderen Optionen unwirtschaftlich. Auch
nach Einschätzung der Wissenschaft wird der Bedarf nach Speicherlösungen wie
Power-to-Gas erst bei einem sehr hohen Anteil erneuerbarer Energien an der
Stromerzeugung erforderlich. Im EEG 2017 wurde der weitere Ausbau erneuerbarer
Energien im Norden Deutschlands mit dem Ausbau der Übertragungsnetze
synchronisiert. Ansonsten wären die Kosten für abgeregelten, aber zu vergütenden
Strom sowie die Kosten der Redispatch-Maßnahmen nicht mehr vertretbar. Es ist
davon auszugehen, dass der Netzausbau mit dem Vorrang für Erdverkabelung
nunmehr zügiger als in der Vergangenheit voranschreitet.
Die Emissionen in der konventionellen Stromerzeugung werden durch den
europäischen Emissionshandel begrenzt. Der europäische Emissionshandel muss
auch in Zukunft das zentrale Steuerungsinstrument für die Begrenzung der CO2-
Emissionen in der konventionellen Stromerzeugung bleiben. Dafür ist eine Reform des
Emissionshandels notwendig, denn die aktuellen Zertifikatspreise setzen keine
ausreichenden Anreize für zusätzliche Investitionen in emissionsarme Technologien.
Deutschland setzt sich deshalb auf europäischer Ebene für eine rasche und
nachhaltige Stärkung des europäischen Emissionshandels ein. Als kurzfristige
Maßnahme hat die EU-Kommission das Zurückhalten von Auktionsmengen zu Beginn
und Rückführung am Ende der 3. Handelsperiode (so genanntes „Backloading“)
beschlossen). Außerdem unterstützt die Bundesregierung den Vorschlag der EU-
Kommission zur Einführung einer Marktstabilitätsreserve, die durch Anpassung der
Auktionsmengen das Angebot im Hinblick auf Nachfrageschwankungen flexibilisiert
und für Stabilität sorgen soll.
Der Petitionsausschuss fügt hinzu, dass die Bundesregierung am 3. Dezember 2014
das Aktionsprogramm Klimaschutz 2020 beschlossen hat. Darin wurde eine Reihe von
Maßnahmen beschlossen, mit denen sichergestellt werden soll, dass Deutschland
sein nationales Klimaschutzziel erreicht. Das Klimaschutzziel sieht eine 40-Prozent-
Reduktion der CO2-Emissionen gegenüber dem Jahr 1990 bis zum Jahr 2020 vor.
Darin wurde hergeleitet und dargestellt, dass zur Schließung der Klimaschutzlücke
zusätzlich zu den Maßnahmen in allen anderen relevanten Sektoren 22 Millionen
Tonnen CO2 unter besonderer Berücksichtigung des Stromsektors und des
europäischen Zertifikatehandels zu erbringen sind.
Das BMWi hat mit dem o. g. Strommarktgesetz und der Sicherheitsbereitschaft in
§ 13g Strommarktgesetz klare Maßnahmen umgesetzt, um diese zusätzlichen
22 Mio. t CO2 bis 2020 im Stromsektor einzusparen.
Mit der Sicherheitsbereitschaft werden Braunkohlekraftwerksblöcke in einem Umfang
von 2,7 GW schrittweise in eine Sicherheitsbereitschaft überführt und dann nach 4
Jahren stillgelegt werden. Dies entspricht 13% der in Deutschland installierten
Braunkohleleistung. Hierdurch werden im Jahr 2020 11 bis 12,5 Mio. Tonnen CO
eingespart. Parallel wurde das Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz reformiert. Darin wird
die Umstellung von Kohle- auf Gaskraftwerke gefördert. Weitere Anstrengungen im
Bereich Energieeffizienz wurden vor allem im Gebäudebereich unternommen. Der
Nationale Aktionsplan Energieeffizienz (NAPE) ist eine umfassende Strategie, um
deutschlandweit den Verbrauch von Energie nachhaltig zu senken. Er verbindet die
Interessen von Verbrauchern, Unternehmen und Kommunen. Ziel ist es, die
Energieeffizienz im Gebäudebereich voranzubringen, Energieeffizienz als Rendite und
Geschäftsmodell zu etablieren und die Eigenverantwortlichkeit für Energieeffizienz zu
erhöhen.
Um dem Zieldreieck Versorgungssicherheit, Umweltverträglichkeit und
Wirtschaftlichkeit gerecht zu werden, erfolgt die Umsetzung der Pläne in Schritten im
Rahmen eines festgelegten Zeitkorridors.
Vor diesem Hintergrund empfiehlt der Petitionsausschuss, das Petitionsverfahren
abzuschließen, weil dem Anliegen teilweise entsprochen worden ist.
Begründung (PDF)