14. 05. 2016. 04:24
Pet 3-18-11-84-018031
Entschädigung der Opfer von
Gewalttaten
Der Deutsche Bundestag hat die Petition am 28.04.2016 abschließend beraten und
beschlossen:
Das Petitionsverfahren abzuschließen, weil dem Anliegen nicht entsprochen werden
konnte.
Begründung
Der Petent setzt sich dafür ein, dass das Opferentschädigungsgesetz in Gänze
abgeschafft wird und die Opfer von Straftaten, auch die, die als Nothelfer aktiv werden
und geschädigt wurden, einem vereinfachten Stufengesetz zugeführt werden.
Der Petent hält das Opferentschädigungsgesetz (OEG) weder für zeitgemäß noch für
ausreichend, um Opfern und Helfern gerecht zu werden. Es gebe immer weniger
Gewährung von Leistungen, da zu ihrer Erlangung die Hürden sehr hoch seien. Auch
werde oft „auf Zeit gespielt“ und die Verfahren unnötig gestreckt. Aus Sicht des
Petenten ist das OEG auch nicht mehr nötig. Vielmehr reiche die Anerkennung der
Straftat durch ein Gericht aus. Wenn das Gericht die tatsächlichen Gesundheitsfolgen
durch Gewalteinwirkung bestätige, sei die Unfallkasse oder Krankenkasse zu
Leistungen der medizinischen Versorgung verpflichtet. Nach der gesundheitlichen
Stabilisierung – oder auch schon während dieser –, sei als zweite Stufe ein
Jahresgehalt als Ausgleichszahlung an das Opfer zu leisten. Damit seien Härten
abzufedern. In der dritten Stufe solle für eventuelle dauerhafte Gesundheitsstörungen
nach einer Prüfung in jeder Form die notwendige Hilfe geleistet werden. Hierbei sollten
Vorerkrankungen nicht berücksichtigt werden, da sie heute oft als „Schlupflöcher“ für
eine Leistungsverweigerung benutzt würden. Nach Einführung dieses Stufensystem
könne das OEG abgeschafft werden.
Zu weiteren Einzelheiten wird auf die Eingabe hingewiesen.
Zu dieser als öffentliche Petition zugelassenen Eingabe sind 11 Diskussionsbeiträge
und 80 Mitzeichnungen eingegangen.
Der Petitionsausschuss hat der Bundesregierung Gelegenheit gegeben, ihre Haltung
zu der Eingabe darzulegen. Das Ergebnis der parlamentarischen Prüfung lässt sich
u. a. unter Einbeziehung der seitens der Bundesregierung angeführten Aspekte
folgendermaßen zusammenfassen:
Zur Kritik des Petenten, es gebe immer weniger Leistungen nach dem OEG, weist der
Petitionsausschuss zunächst auf Folgendes hin: Im Gegensatz zur Vorstellung des
Petenten stiegt die Zahl der Menschen, die Leistungen nach dem OEG erhalten, stetig
an. Im März 2015 sind es fast 21.800 Menschen, die d a u e r n d e Rentenleistungen
nach dem OEG erhalten. Eine weit höhere, jedoch nicht genau bekannte Zahl von
Menschen erhielt weitere Leistungen nach dem OEG. Was die Dauer der Verfahren
betrifft, so hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) die
Bundesländer, die für die Durchführung des Gesetzes zuständig sind, wiederholt
gebeten, die Entschädigungsverfahren so zügig und transparent wie möglich zu
gestalten.
Den Vorschlag des Petenten, das bisherige OEG durch den von ihm entwickelten
Stufenplan komplett zu ersetzen, kann der Petitionsausschuss nicht befürworten und
dies vor folgendem Hintergrund:
Hinsichtlich der ersten Stufe des Stufenplanes des Petenten stellt sich die Frage, wie
ein Strafgericht einen sozialrechtlichen und medizinischen Sachverhalt prüfen und
entscheiden könnte. Hinzu kommt, dass bei einer Bearbeitung durch ein Strafgericht
alle diejenigen Fälle ausgeschlossen wären, in denen es überhaupt nicht zu einer
strafgerichtlichen Verhandlung kommt, weil beispielsweise keine Strafanzeige erstattet
oder das Verfahren eingestellt wurde. Dies würde eine Verschlechterung gegenüber
der bisherigen Rechtslage bedeuten. Die Krankenkassen sind aufgrund des
Versicherungsverhältnisses mit den Betroffenen ohnehin zur Erbringung von
Leistungen verpflichtet, so dass hier eine Änderung, wie sie der Petent gedacht hat,
keine Verbesserung brächte. Nach dem geltenden OEG sind sogar Leistungen
möglich, die die gesetzlichen und viele private Krankenkassen nicht erbringen (z. B.
Implantate oder Brillen).
In der zweiten Stufe des Modells des Petenten sollte der Betroffene zum Abfedern von
Härten ein Jahresgehalt erhalten. Problematisch ist dabei zweierlei: Zum einen hinge
die Höhe dieser Entschädigung von der bestehenden beruflichen und damit
wirtschaftlichen Situation des Betreffenden ab, was bedeutet, dass für einen gleichen
Schaden – z. B. den Verlust eines Beines – Menschen mit verschiedenem beruflichem
Hintergrund unterschiedliche Summen erhielten. Zum anderen würde diese berufs-
und einkommensabhängige Summe keinen Bezug zu den jeweiligen gesundheitlichen
Folgen haben, die sehr unterschiedlich sein können. Beide Aspekte zeigen, dass diese
zweite Stufe unter Gleichbehandlungsgesichtspunkten nicht vertretbar ist. Der
Gedanke der möglichst schnellen Wiedereingliederung der Betroffenen in Gesellschaft
und Beruf fehlt bei dieser zweiten Stufe ganz.
Die dritte Stufe des Modells des Petenten sieht vor, dass die bleibenden
Gesundheitsstörungen innerhalb einer bestimmten Frist und ohne die
Berücksichtigung von Vorerkrankungen und Mindestgraden von Einschränkungen zu
prüfen und festzustellen seien. Die notwendige Hilfe in jeglicher Form solle daraufhin
erbracht werden. Nicht verständlich wird hier, weshalb Vorerkrankungen, die mit der
erlittenen Gewalttat und deren Folgen nichts zu tun haben, unberücksichtigt bleiben
sollten. Bei einer Nichtberücksichtigung von Vorerkrankungen würden Steuergelder
verwendet, um allgemeine Lebensrisiken – wie eine Erkrankung – aufzufangen.
Zugleich würden Menschen, die an derselben Krankheit leiden, jedoch keiner
Gewalttat zum Opfer fielen und daher keine Entschädigung erhalten könnten,
benachteiligt. Auch die Nichtberücksichtigung von Mindestgraden von
Einschränkungen kann nicht befürwortet werden, da die aus Steuermitteln finanzierte
staatliche Opferentschädigung auf die Menschen mit gravierenden gesundheitlichen
und wirtschaftlichen Folgen konzentriert werden soll, da sie Hilfe am nötigsten haben.
Deshalb ist mindestens ein Grad der Schädigungsfolgen (GdS) von 25 notwendig, um
d a u e r n d e Geldleistungen nach dem bestehenden OEG zu bekommen. Alle
anderen Leistungen werden ohnehin unabhängig vom GdS erbracht.
Der Petitionsausschuss kann in dem vom Petenten vorgeschlagenen Modell keine
Verbesserung für die Betroffenen erkennen und daher nur empfehlen, das
Petitionsverfahren abzuschließen, weil dem Anliegen nicht entsprochen werden
konnte.
Begründung (pdf)