05/01/2017 03:22
Pet 2-18-15-8272-024661
Gesetzliche Krankenversicherung
- Beiträge -
Der Deutsche Bundestag hat die Petition am 15.12.2016 abschließend beraten und
beschlossen:
Das Petitionsverfahren abzuschließen, weil dem Anliegen nicht entsprochen werden
konnte.
Begründung
Mit der Petition wird die Beitragseinstufung von freiwillig versicherten Mitgliedern der
gesetzlichen Krankenversicherung während des Bezuges von Elterngeld kritisiert.
Es wird vorgeschlagen, dass die Versicherten während des Elterngeldbezuges in die
Pflichtversicherung wechseln können oder nur deren tatsächliches Einkommen
berücksichtigt oder die Beitragsfreiheit auf ein Einkommen in Höhe von 1/3 der
Bezugsgröße erweitert wird.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vortrags des Petenten wird auf die Unterlagen
verwiesen.
Die Eingabe war als öffentliche Petition auf der Internetseite des Deutschen
Bundestages eingestellt. Es gingen 94 Mitzeichnungen sowie 23 Diskussionsbeiträge
ein.
Zu diesem Thema liegen dem Petitionsausschuss weitere Eingaben mit verwandter
Zielsetzung vor, die wegen des Zusammenhangs einer gemeinsamen
parlamentarischen Prüfung zugeführt werden. Der Ausschuss bittet daher um
Verständnis, dass nicht auf alle vorgetragenen Gesichtspunkte eingegangen werden
kann.
Das Ergebnis der parlamentarischen Prüfung stellt sich auf der Grundlage einer
Stellungnahme der Bundesregierung wie folgt dar:
Nach § 192 Abs. 1 Nr. 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) bleibt die
Mitgliedschaft Versicherungspflichtiger erhalten, solange nach gesetzlichen
Vorschriften Elterngeld bezogen oder Elternzeit in Anspruch genommen wird. Auch
die Mitgliedschaft freiwillig Versicherter besteht während des Bezuges dieser
Leistung oder während der Elternzeit weiter fort, wenn sie nicht aus den in § 191
SGB V genannten Gründen (z. B. durch Kündigung) beendet wird.
Die verbreitete Annahme, dass während des Bezuges von Elterngeld oder der
Inanspruchnahme von Elternzeit generell Beitragsfreiheit in der GKV besteht,
entspricht nicht der geltenden Rechtslage.
Aus der maßgeblichen Rechtsnorm des § 224 SGB V ergibt sich nicht eine völlige
Beitragsfreiheit; vielmehr ist in dieser Regelung ausdrücklich festgelegt, dass sich die
Beitragsfreiheit nur auf das Elterngeld erstreckt. Konkret bedeutet dies, dass für das
Elterngeld keine Beiträge zu zahlen sind und es sich auch nicht erhöhend auf aus
anderen Rechtsgründen bestehende Beitragspflichten auswirkt. Entsprechendes gilt
u. a. für Kranken- und Mutterschaftsgeld (§ 224 Abs. 1 SGB V).
Zur Beitragseinstufung freiwilliger Mitglieder ist in diesem Zusammenhang Folgendes
anzumerken:
Die GKV sieht für alle Versicherten - unabhängig von der Höhe der gezahlten
Beiträge - den gleichen umfassenden Versicherungsschutz vor. Niedrige Beiträge
können jedoch nicht kostendeckend sein; der Versicherungsschutz muss in diesen
Fällen immer von der Gemeinschaft aller Beitragszahler solidarisch mitgetragen
werden. Dies gilt grundsätzlich auch für freiwillige Mitglieder, die für ihren
umfassenden Versicherungsschutz angemessene Beiträge zu entrichten haben.
Gemäß § 240 Abs. 1 SGB V wird die Beitragsbemessung für freiwillige Mitglieder
einheitlich durch den Spitzenverband Bund der Krankenkassen geregelt. Dabei ist
sicherzustellen, dass die Beitragsbelastung die "gesamte wirtschaftliche
Leistungsfähigkeit" des freiwilligen Mitglieds berücksichtigt.
Die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit eines nicht bzw. nur geringfügig Erwerbstätigen
freiwilligen Mitglieds ohne eigenes bzw. mit geringem Einkommen wird auch durch
die Einnahmen des privat versicherten Ehegatten bestimmt. Diese Verfahrensweise
wurde durch das Bundessozialgericht (BSG) in mehreren Urteilen bestätigt (Urteil
des BSG vom 26.03.1996, Az. 12 RK 8/94). Ein Verstoß gegen Verfassungs- und
Gemeinschaftsrecht liegt nach der Entscheidung des BSG nicht vor. Danach ist bei
kinderlosen Ehepaaren dem freiwilligen Mitglied ohne eigenes Einkommen die Hälfte
des Bruttoeinkommens des privat versicherten Ehegatten als beitragspflichtige
Einnahmen zuzurechnen, weil insoweit dem Grunde nach ein Unterhaltsanspruch
besteht. Bei Ehepaaren mit Kindern ist das Bruttogehalt des Ehegatten je Kind ggf.
um einen Freibetrag zu kürzen.
Die gesetzlichen Krankenkassen wenden diese höchstrichterliche Rechtsprechung,
die u. a. Eingang in die "Einheitlichen Grundsätze zur Beitragsbemessung freiwilliger
Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung und weiterer Mitgliedergruppen
sowie zur Zahlung und Fälligkeit der von Mitgliedern selbst zu entrichtenden Beiträge
(Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler)" vom 27.10.2008 gefunden hat, bei der
Beitragsbemessung aller freiwilligen Mitglieder an.
Verfahrenstechnisch werden danach zunächst etwaige Freibeträge für Kinder von
den Einnahmen des privat versicherten Ehegatten abgezogen. Für die
Beitragsbemessung werden die eigenen Einnahmen des Mitglieds und die
Einnahmen des Ehegatten addiert. Beitragsrechtlich berücksichtigt wird dann die
Hälfte dieser Summe, maximal bis zur Hälfte der monatlichen
Beitragsbemessungsgrenze (2015: 2.062,50 Euro). Durch diese Berechnungsweise
wird der ergangenen Rechtsprechung, die hinsichtlich der Berücksichtigung des
Ehegatteneinkommens auf einen dem Grunde nach bestehenden
Unterhaltsanspruch abstellt, Rechnung getragen.
Ferner ist gesetzlich die Erhebung eines Mindestbeitrages für Personen
vorgeschrieben, die über kein oder nur ein geringes Einkommen verfügen (§ 240
Abs. 4 SGB V). Als beitragspflichtige Einnahmen gilt für den Kalendertag mindestens
der neunzigste Teil der monatlichen Bezugsgröße (§ 240 Abs. 4 Satz 1 SGB V
i. V. m. § 18 Viertes Buch Sozialgesetzbuch - SGB IV). Ausgehend von dieser
Bemessungsgrundlage (2015: 945 Euro) werden Beiträge zur GKV und zur sozialen
Pflegeversicherung berechnet.
Die Mindestbemessungsgrundlage wird durch die Anbindung an die sogenannte
Bezugsgröße der Entwicklung aller beitragspflichtigen Einnahmen jährlich angepasst.
Die Bezugsgröße entspricht dem Durchschnittsentgelt der gesetzlichen
Rentenversicherung im vorvergangenen Kalenderjahr. Diese Dynamik ist notwendig,
um den steigenden Kosten im Gesundheitswesen gerecht zu werden und den
medizinischen Fortschritt zu finanzieren.
Der Petitionsausschuss weist darauf hin, dass gegen die gesetzliche
Mindestbemessungsgrundlage des § 240 Abs. 4 Satz 1 SGB V keine
verfassungsrechtlichen Bedenken vom BSG gesehen werden. Auch das in § 240
Abs. 1 festgelegte Gebot der Berücksichtigung der gesamten wirtschaftlichen
Leistungsfähigkeit des freiwilligen Mitgliedes berechtigt die Krankenkasse nicht, den
mindestbeitragspflichtigen Betrag nach § 240 Abs. 4 Satz 1 SGB V zu unterschreiten
(Urteil vom 07.11.1991 - 12 RK 37/90).
Durch Urteil des BSG vom 26.05.2004 (B 12 P 6/03 R) wurde im Übrigen
entschieden, dass in der gesetzlichen Krankenversicherung freiwillig versicherte
Bezieher von Erziehungsgeld wegen der ihnen zuzurechnenden
Mindestbemessungsgrundlage nicht beitragsfrei versichert sind. "Die
unterschiedliche Regelung der beitragspflichtigen Einnahmen bei freiwillig
Versicherten und Pflichtversicherten verstößt grundsätzlich nicht gegen die Art 3 und
6 GG und steht auch nicht im Widerspruch zum Gemeinschaftsrecht."
Eine Änderung der dargestellten Rechtslage wurde von der Bundesregierung nicht in
Aussicht gestellt.
Vor dem Hintergrund des Dargelegten vermag der Petitionsausschuss ein weiteres
Tätigwerden nicht in Aussicht zu stellen und empfiehlt daher, das Petitionsverfahren
abzuschließen.
Begründung (PDF)