31. 05. 2016. 04:25
Pet 3-17-11-2171-043784
Hilfe für Behinderte
Der Deutsche Bundestag hat die Petition am 12.05.2016 abschließend beraten und
beschlossen:
1. Die Petition der Bundesregierung – dem Bundesministerium für Arbeit und
Soziales und dem Bundesministerium für Gesundheit – zu überweisen, soweit
wissenschaftliche Erkenntnisse über die Wirkung des Einsatzes von
Assistenzhunden angefordert werden sollen und es um eine Regelung für die
Ausbildung von Assistenzhunden sowie um einen Zugang zu öffentlichen
Einrichtungen geht,
2. das Petitionsverfahren im Übrigen abzuschließen.
Begründung
Mit der Petition soll erreicht werden, dass Assistenzhunde unabhängig von ihrem
spezifischen Aufgabengebiet generell als Hilfsmittel anerkannt werden. Der Deutsche
Bundestag solle daher entsprechende gesetzliche Regelungen sowohl für die
Gleichstellung und Anerkennung aller Assistenzhunde als Hilfsmittel als auch für die
Assistenzhunde-Ausbildung und das Assistenzhunde-Umfeld erlassen.
In der Petition wird dargelegt, dass durch bisher fehlende gesetzliche Regelungen für
den Bereich des Assistenzhundewesens - einschließlich der tiergestützten Therapie -
eine Grauzone entstanden sei, in der die betroffenen Menschen mit Behinderung nur
schwer ihre berechtigten diesbezüglichen Ansprüche verwirklichen könnten. Daher
sei dringend Rechtssicherheit durch bundeseinheitliche gesetzliche Regelungen
notwendig. Dies betreffe u. a. die rechtliche Gleichstellung aller Arten von
Assistenzhunden, ihre Anerkennung als Hilfsmittel, Vorgaben zur Ausbildung der
Assistenzhunde und zur Qualifikation der Ausbilder, die Kostenübernahme für einen
Assistenzhund durch den zuständigen Träger und das Recht auf ständige Begleitung
durch einen Assistenzhund.
Zu weiteren Einzelheiten wird auf die Eingabe hingewiesen.
Zu der als öffentliche Petition zugelassenen Eingabe sind 25 Diskussionsbeiträge
und 1.425 Mitzeichnungen eingegangen. Den Petitionsausschuss erreichte zudem
eine sachgleiche Petition, die in die parlamentarische Prüfung einbezogen wird. Es
wird um Verständnis gebeten, wenn nicht auf alle der vorgetragenen Aspekte
eingegangen werden kann.
Der Petitionsausschuss hat der Bundesregierung Gelegenheit zu Stellungnahmen
gegeben. Unter Berücksichtigung der von der Bundesregierung vorgetragenen
Aspekte sieht das Ergebnis der parlamentarischen Prüfung folgendermaßen aus:
Der Petitionsausschuss unterstützt den Grundgedanken der Petition, Assistenzhunde
generell als Hilfsmittel anzuerkennen und alle Arten von Assistenzhunden
gleichzustellen.
Bisher war diese Anerkennung – vergleichbar der für Blindenführhunde – nicht
möglich und dies vor folgendem Hintergrund: Blindenführhunde ermöglichen blinden
oder stark sehbehinderten Menschen eine gefahrlose Orientierung und gleichen
damit eine bestehende Behinderung aus. Daher sind sie Hilfsmittel im Sinne von
§ 33 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V). Nach bisheriger ständiger
Rechtsprechung des Bundessozialgerichts hängt die Leistungspflicht der
Krankenkassen bei Hilfsmitteln zum Behinderungsausgleich davon ab, ob die
Versorgung mit einem solchen Hilfsmittel Grundbedürfnisse des täglichen Lebens
erfüllt. Daher wird jeweils geprüft, ob der Behinderungsausgleich mit dem konkreten
Hilfsmittel die allgemeine Lebensbetätigung im Rahmen der Grundbedürfnisse betrifft
oder nur bestimmte Lebensbereiche (z. B. Beruf oder Freizeit). Nur dann, wenn die
allgemeine Lebensbetätigung im Rahmen der Grundbedürfnisse betroffen ist und
nicht nur ein bestimmter Lebensbereich, ist die Krankenkasse zur Leistung
verpflichtet. Blindenhunde gleichen eine bestehende Behinderung aus u n d dienen
der Erfüllung von Grundbedürfnissen des täglichen Lebens im Rahmen der
allgemeinen Lebensbetätigung. Auf Assistenzhunde trifft dies jedoch so nicht zu: Sie
leisten in der Regel keinen hinreichenden Beitrag zur Befriedigung der
Grundbedürfnisse des täglichen Lebens im Rahmen der allgemeinen
Lebensbetätigung. Soweit sie dies teilweise leisten können, ging man bisher davon
aus, dass es wirtschaftlichere Alternativen gibt. Daher waren auch Vorgaben für eine
gesetzliche bundeseinheitliche Regelung der Assistenzhundeausbildung
beziehungsweise der Qualifikation der Hundeausbilder, wie sie die Petentin wünscht,
bisher nicht erforderlich.
Der Petitionsausschuss macht jedoch darauf aufmerksam, dass es in einigen
Bundesländern bereits Bestrebungen gibt, eine Gleichstellung von Assistenzhunden
mit Blindenführhunden zu erreichen, allerdings bisher ohne konkrete Ergebnisse.
Teilweise wurden im Landesrecht die rechtlichen Rahmenbedingungen für den
barrierefreien Zutritt dieser Hunde in alle öffentlichen Bereiche und Einrichtungen des
alltäglichen Lebens geschaffen.
Auch sind in den Beihilfeverordnungen der Länder weiterhin die Assistenzhunde
nicht als beihilfefähig anerkannt, da die Studien zu ihrer medizinischer Notwendigkeit
und ihrem medizinischen Nutzen noch nicht als ausreichend angesehen werden.
Der Petitionsausschuss erkennt hier die Notwendigkeit weiterer wissenschaftlicher
Erkenntnisse über die Wirkung des Einsatzes von Assistenzhunden und über eine
geeignete bundeseinheitliche Ausbildung dieser Hunde, um den berechtigten
Ansprüchen der Menschen mit Behinderung hinsichtlich der Assistenzhunde besser
gerecht werden zu können.
Die Petentin beklagt weiterhin, dass Assistenzhunde für die Halter mit höheren
Kosten verbunden seien, da nicht die Steuerermäßigung gelte wie für
Blindenführhunde. Für Lieferungen und Einfuhren von Blindenführhunden, sofern sie
erfolgreich an einer Spezialausbildung zum Führen blinder Menschen teilgenommen
haben, gilt in der Tat ein ermäßigter Umsatzsteuersatz von 7 Prozent (gemäß § 12
Absatz 2 Nummer 1 und 2 Umsatzsteuergesetz i. V. m. Nummer 1 Buchstabe k der
Anlage 2 zum Umsatzsteuergesetz). Die Absenkung des Umsatzsteuersatzes auf
7 Prozent auch für die Assistenzhunde sieht der Petitionsausschuss jedoch nicht als
geeignetes Mittel an, die hohen Kosten für einen Assistenzhund zu senken, da nicht
sicher gestellt werden kann, dass die Steuersenkung über einen abgesenkten Preis
an den Hundehalter weiter gegeben würde. Eine solche Weitergabe stünde allein im
Ermessen des Unternehmers. Die Petentin hatte selbst darauf hingewiesen, dass
das Assistenzhundewesen häufig von kommerziellen Interessen dominiert wäre.
Eine Preissenkung nach einer Umsatzsteuersenkung erscheint daher nicht
wahrscheinlich.
Die Petentin hat sich weiterhin für die Gleichstellung von Assistenzhunden mit
Behindertenbegleithunden bei der unentgeltlichen Beförderung im öffentlichen
Personenverkehr eingesetzt. Dem ist Rechnung getragen worden, nicht zuletzt
angestoßen durch eine diesbezügliche Petition der Petentin in der 16. Wahlperiode.
Da es noch keine gängige Definition für Behindertenbegleithunde, keine genaue
Aufgabenbeschreibung oder Nennung von Fähigkeiten für sie gibt, wird nun allen
schwerbehinderten Menschen mit Merkzeichen „B“ im Schwerbehindertenausweis,
die (gemäß § 145 Abs. 2 Nr. 1 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch – SGB IX) kostenlos
eine Begleitperson im öffentlichen Personenverkehr mitnehmen dürfen, das Recht
zugebilligt wird, auch einen Hund, d. h. jeden Hund, kostenlos mitzunehmen. Diesem
Wunsch der Petentin ist also bereits entsprochen worden.
Hinsichtlich der Forderungen der Petentin zur rechtlichen Gleichstellung und der
Anerkennung der Assistenzhunde als Hilfsmittel sieht der Petitionsausschuss
Handlungsbedarf und empfiehlt daher, die Petition der Bundesregierung – dem
Bundesministerium für Gesundheit – zu überweisen, soweit wissenschaftliche
Erkenntnisse über die Wirkung des Einsatzes von Assistenzhunden angefordert
werden sollen und es um eine Regelung für die Ausbildung von Assistenzhunden
sowie um einen Zugang zu öffentlichen Einrichtungen geht, und das
Petitionsverfahren im Übrigen abzuschließen.
Der von den Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gestellte
Antrag, die Petition der Bundesregierung - dem Bundesministerium für Gesundheit,
dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales und dem Bundesministerium für
Bildung und Forschung - als Material zu überweisen, ist mehrheitlich abgelehnt
worden.
Begründung (pdf)