21. 01. 2017. 03:22
Pet 2-18-15-829-022570
Pflegeversicherung
Der Deutsche Bundestag hat die Petition am 15.12.2016 abschließend beraten und
beschlossen:
Das Petitionsverfahren abzuschließen, weil dem Anliegen teilweise entsprochen
worden ist.
Begründung
Der Petent möchte eine gesetzliche Regelung erreichen, dass pflegende, nicht
arbeitende Angehörige durch die Pflegekassen krankenversichert bzw. die Beiträge
zur Krankenversicherung übernommen werden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vortrags des Petenten wird auf die Unterlagen
verwiesen.
Die Eingabe war als öffentliche Petition auf der Internetseite des Deutschen
Bundestages eingestellt. Es gingen 174 Mitzeichnungen sowie
22 Diskussionsbeiträge ein.
Zu diesem Thema liegen dem Petitionsausschuss weitere Eingaben mit verwandter
Zielsetzung vor, die wegen des Zusammenhangs einer gemeinsamen
parlamentarischen Prüfung zugeführt werden. Der Ausschuss bittet daher um
Verständnis, dass nicht auf alle vorgetragenen Gesichtspunkte eingegangen werden
kann.
Der Petitionsausschuss hat zu dem Anliegen eine Stellungnahme der
Bundesregierung eingeholt. Darüber hinaus hat der Ausschuss das Verfahren nach
§ 109 Abs. 1 Satz 2 Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages (GO-BT)
eingeleitet und eine Stellungnahme des Gesundheitsausschusses eingeholt, da die
Petition einen Gegenstand der Beratung in diesem Fachausschuss betrifft. Der
Ausschuss für Gesundheit hat mitgeteilt, dass er die Petition in seiner 59. Sitzung am
11.11.2015 beraten hat.
Das Ergebnis der parlamentarischen Prüfung stellt sich unter Berücksichtigung der
Stellungnahme der Bundesregierung und der Mitteilung des Ausschusses für
Gesundheit wie folgt dar:
Die Forderung des Petenten, dass die Pflegeversicherung für Pflegepersonen die
Beiträge zur (gesetzlichen bzw. ggf. auch zur privaten) Krankenversicherung und
auch die Beiträge zur (sozialen bzw. privaten) Pflegeversicherung übernehmen oder
erstatten solle, ist durch den Gesetzgeber bewusst nur unter bestimmten
Voraussetzungen erfüllt worden.
Für Beschäftigte (auch privat kranken- und pflegeversicherte Beschäftigte), die nach
§ 3 des Pflegezeitgesetzes von der Arbeitsleistung vollständig freigestellt werden
oder deren Beschäftigung durch Reduzierung der Arbeitszeit zu einer geringfügigen
Beschäftigung wird, werden von der Pflegeversicherung des/der zu Pflegenden auf
Antrag Zuschüsse zur Kranken- und Pflegeversicherung gewährt (§ 44a Abs. 1 Elftes
Buch Sozialgesetzbuch - SGB XI).
Für die unbezahlte Freistellung von der Arbeit für die Dauer von bis zu sechs
Monaten erstattet die Pflegeversicherung den Beitrag für die Kranken- und
Pflegeversicherung bis zur Höhe des Mindestbeitrages, den freiwillig in der
gesetzlichen Krankenversicherung versicherte Personen in der Kranken- und
Pflegeversicherung zu entrichten haben. Die Beschränkung der Höhe nach beruht
darauf, dass die Betroffenen bei Unterbrechung der Beschäftigung freiwillig in der
gesetzlichen Krankenversicherung versichert bleiben und den Mindestbeitrag
entrichten müssen, wenn sie nicht über sonstige beitragspflichtige Einnahmen
verfügen (§ 44a Abs. 1 Satz 3 SGB XI).
Folgende Gründe sind für diese Regelung maßgeblich:
Mit der Einführung der sozialen Pflegeversicherung im Jahre 1995 wurde erstmals
die Möglichkeit geschaffen, das Risiko Pflegebedürftigkeit durch eine solidarisch
finanzierte Versicherung abzusichern. Vor Einführung der Pflegeversicherung waren
Pflegebedürftige und ihre Angehörigen dazu gezwungen, ausschließlich eigenes
Einkommen und Vermögen zur Sicherstellung einer adäquaten Pflege einzusetzen
oder aber bei Bedürftigkeit Leistungen der Sozialhilfeträger in Anspruch zu nehmen.
Häusliche Pflege eines Angehörigen verlangt häufig hohen Einsatz und große
Opferbereitschaft. Die pflegenden Angehörigen leisten oft noch Pflege und
Betreuung, obwohl sie körperlich, seelisch und geistig erschöpft sind, sie stellen
immer wieder eigene Wünsche und Bedürfnisse zurück. Strukturelle Belastungen
und Einschränkungen bis zur Aufgabe von Sozialkontakten im Beruf und im
Freundes- und Verwandtenkreis belasten diese Angehörigen oft zusätzlich. Diese
pflegenden Personen verdienen im hohen Maße gesamtgesellschaftliche
Anerkennung, aber auch konkrete Entlastung bei der physisch und psychisch stark
beanspruchenden Pflege.
Ein wichtiges Ziel bei der Einführung der Pflegeversicherung zum 1. Januar 1995
war, die soziale Sicherung der pflegenden Angehörigen und der sonstigen
ehrenamtlichen Pflegepersonen zu verbessern. Im Vordergrund standen dabei
Verbesserungen bei der Alterssicherung der Pflegepersonen durch die Zahlung von
Rentenversicherungsbeiträgen während der Pflegetätigkeit, die Einbeziehung der
pflegenden Personen in den Unfallversicherungsschutz sowie der Förderung der
Pflegepersonen nach Beendigung ihrer Pflegetätigkeit bei der beruflichen
Weiterbildung nach dem damaligen Arbeitsförderungsgesetz (jetzt SGB III). Durch
zahlreiche Reformgesetze wurden die Leistungen der Pflegeversicherung weiter
entwickelt und ausgebaut (Pflege-Weiterentwicklungsgesetz,
Pflegeneuausrichtungsgesetz, zuletzt Pflegestärkungsgesetz I).
Weitere Verbesserungen zur sozialen Sicherung der Pflegepersonen, wie z. B. die
von dem Petenten angesprochene Übernahme der Kranken- und Pflegebeiträge der
Pflegeperson, sind bei Einführung der Pflegeversicherung zwar in Erwägung
gezogen worden, in der politischen Diskussion jedoch verworfen worden und wurden
auch in der Folgezeit bei den durchgeführten Pflegereformen nicht als vorrangig
gegenüber jeweils anderen wichtigen Leistungsverbesserungen betrachtet.
Dabei ist zu berücksichtigen, dass Pflegepersonen zum größten Teil die
Voraussetzungen für eine beitragsfreie Familienversicherung in der gesetzlichen
Kranken- und Pflegeversicherung erfüllen. Für die übrigen Pflegepersonen gilt eine
einkommensgestaffelte Beitragserhebung: Wer nur über geringe Mittel verfügt, der
entrichtet auch nur niedrige Beiträge (ggf. den Mindestbeitrag). Das Pflegegeld, das
die Pflegeperson als Anerkennung für die Pflegetätigkeit von dem Pflegebedürftigen
weitergereicht bekommt, ist nicht beitragspflichtig.
Die Pflegeversicherung ist im Übrigen entsprechend ihrer Grundidee und rechtlichen
Ausgestaltung nur als "Kernsicherungssystem" angedacht. Die Leistungen sind
darauf ausgerichtet, insbesondere bei der häuslichen Pflege die familiäre,
nachbarschaftliche oder sonstige ehrenamtliche Pflege und Betreuung zu ergänzen.
Forderungen nach einer Ausweitung bestehender Leistungsansprüche sind auch im
Interesse der heute Pflegebedürftigen und ihrer Angehörigen verständlich. Allerdings
gilt für die Pflegeversicherung wie auch für die anderen sozialen Sicherungssysteme,
dass die erwerbstätige Generation nicht überfordert werden darf.
Der Petent fordert ferner, dass die Pflegeversicherung Beiträge zur gesetzlichen
Rentenversicherung für pflegende Angehörige übernimmt. Für die Pflegestufen I bis
III ist bereits nach geltendem Recht eine Zahlung von Rentenversicherungsbeiträgen
vorgesehen (§ 44 SGB XI). Bei der Mutter des Petenten liegt Pflegebedürftigkeit mit
Pflegestufe 0 und anerkannter erheblich eingeschränkter Alltagskompetenz vor. Für
die Pflegebedürftigen mit der Pflegestufe 0 mit anerkannter erheblich
eingeschränkter Alltagskompetenz wurden übergangsweise bis zur Einführung des
neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs bestimmte Leistungen der häuslichen Pflege
eingeführt. Die Zahlung von Rentenversicherungsbeiträgen ist in dieser
Übergangszeit nicht vorgesehen. Die begrenzten Mittel, die in der Übergangszeit zur
Verfügung standen, sollten für bestimmte als vorrangig angesehene
Leistungsverbesserungen in der häuslichen Pflege eingesetzt werden.
Der Deutsche Bundestag hat am 13.11.2015 das Zweite Gesetz zur Stärkung der
pflegerischen Versorgung und zur Änderung weiterer Vorschriften (Zweites
Pflegestärkungsgesetz - PSG II) beschlossen. Darin ist u.a. vorgesehen, dass
Pflegebedürftige mit der derzeitigen Pflegestufe 0 und anerkannter erheblich
eingeschränkter Alltagskompetenz nach Einführung des neuen
Pflegebedürftigkeitsbegriffs und des neuen Begutachtungsassessments automatisch
in den neuen Pflegegrad 2 übergeleitet werden. Für Versicherte mit Pflegegrad 2 ist
dann (ab 01.01.2017) die Zahlung von Beiträgen zur Rentenversicherung
vorgesehen. Der Forderung des Petenten wurde damit entsprochen.
Vor dem Hintergrund des Dargelegten vermag der Petitionsausschuss ein weiteres
Tätigwerden nicht in Aussicht zu stellen und empfiehlt daher, das Petitionsverfahren
abzuschließen, weil dem Anliegen teilweise entsprochen worden ist.
Der abweichende Antrag der Fraktion DIE LINKE., die Petition der Bundesregierung -
dem Bundesministerium für Gesundheit - zur Erwägung zu überweisen und den
Fraktionen des Deutschen Bundestages zur Kenntnis zu geben, wurde mehrheitlich
abgelehnt.
Begründung (PDF)