01/12/2016 à 03:22
Pet 2-18-08-7613-018880
Private Krankenversicherung
Der Deutsche Bundestag hat die Petition am 24.11.2016 abschließend beraten und
beschlossen:
Das Petitionsverfahren abzuschließen, weil dem Anliegen nicht entsprochen werden
konnte.
Begründung
Mit der Petition soll erreicht werden, dass die Altersgrenze des § 6 Abs. 3a Fünftes
Buch Sozialgesetzbuch abgeschafft wird und Personen, die das 55. Lebensjahr
vollendet haben, die Möglichkeit eines Wechsels in die gesetzliche
Krankenversicherung erhalten.
Zu den Einzelheiten des Vortrags des Petenten wird auf die von ihm eingereichten
Unterlagen verwiesen.
Die Eingabe war als öffentliche Petition auf der Internetseite des Deutschen
Bundestages eingestellt. Es gingen 183 Mitzeichnungen sowie
82 Diskussionsbeiträge ein.
Zu diesem Thema liegen dem Petitionsausschuss weitere Eingaben mit verwandter
Zielsetzung vor, die wegen des Zusammenhangs einer gemeinsamen
parlamentarischen Prüfung zugeführt werden. Der Ausschuss bittet daher um
Verständnis, dass nicht auf alle vorgetragenen Gesichtspunkte eingegangen werden
kann.
Das Ergebnis der parlamentarischen Prüfung stellt sich auf der Grundlage von
Stellungnahmen der Bundesregierung wie folgt dar:
Nach Darstellung des Petenten hätten Selbständige vor Einführung der gesetzlichen
Regelung frei entscheiden können, welchem System der Absicherung sie im
Krankheitsfall jeweils angehören wollten. Selbständige, die in der privaten
Krankenversicherung (PKV) abgesichert waren, konnten zu einem späteren
Zeitpunkt in die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) zurückkehren, wenn sie ihre
selbständige Tätigkeit aufgaben und z. B. mit Aufnahme einer Beschäftigung die
Voraussetzungen der Versicherungspflicht erfüllt haben. Mit der Einführung des
Gesetzes zur Reform der gesetzlichen Krankenversicherung ab dem Jahr 2000
(GKV-Gesundheitsreform 2000) seien diese Zugangsmöglichkeiten zur GKV
beschränkt worden. Dabei habe es der Gesetzgeber nach Auffassung des Petenten
versäumt, eine Übergangsregelung zu schaffen.
Der Gesetzgeber hat mit Inkrafttreten der GKV-Gesundheitsreform 2000 in § 6
Abs. 3a Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) angeordnet, dass nicht gesetzlich
Krankenversicherte, die das 55. Lebensjahr vollendet haben, versicherungsfrei
bleiben, d.h., sie werden nicht Mitglied der GKV, auch wenn sie einen Tatbestand der
Versicherungspflicht (z. B. Aufnahme einer Beschäftigung) erfüllen, aber
- in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Versicherungspflicht zu keinem Zeitpunkt
gesetzlich krankenversichert waren (Rahmenfrist) und
- in diesen fünf Jahren zumindest zweieinhalb Jahre lang versicherungsfrei, (z. B.
als über der Jahresarbeitsentgeltgrenze verdienender Arbeitnehmer oder als
Beamter), von der Versicherungspflicht befreit oder hauptberuflich selbständig
tätig waren.
Der Gesetzgeber hat die o. g. Regelung wie folgt begründet: "Die Neuregelung dient
einer klareren Abgrenzung zwischen der gesetzlichen und privaten
Krankenversicherung und dem Schutz der Solidargemeinschaft der gesetzlich
Versicherten. Sie folgt dem Grundsatz, dass versicherungsfreie Personen, die sich
frühzeitig für eine Absicherung in der privaten Krankenversicherung entschieden
haben, diesem System auch im Alter angehören sollen. Dieser Grundsatz, der
bereits in den für eine Pflichtmitgliedschaft als Rentner (§ 5 Abs. 1 Nr. 11) oder für
einen freiwilligen Beitritt (§ 9 Abs. 1 Nr. 1) gesetzlich geforderten
Vorversicherungszeiten zum Ausdruck kommt, wird mit der Neuregelung gestärkt.
Nach geltendem Recht können diese Personen z. B. durch Veränderungen in der
Höhe ihres Arbeitsentgelts, durch Übergang von Voll- in Teilzeitbeschäftigung oder
von selbständiger Tätigkeit in eine abhängige Beschäftigung oder durch Bezug einer
Leistung der Arbeitslosenversicherung auch dann Pflichtmitglied in der gesetzlichen
Krankenversicherung werden, wenn sie vorher zu keinem Zeitpunkt einen eigenen
Beitrag zu den Solidarlasten geleistet haben. Auf diesem Wege wechselten im
Zeitraum von 1992 bis 1997 immerhin 943 000 Personen von der privaten in die
gesetzliche Krankenversicherung. Da die Leistungsausgaben für ältere Versicherte
ihre Beiträge im Regelfall erheblich übersteigen, werden die Beitragszahler durch
diesen Wechsel zwischen den Versicherungssystemen unzumutbar belastet. Mit der
Festsetzung der Altersgrenze auf 55 Jahre wird dem Rechnung getragen.
Für einen Wechsel zwischen den Krankenversicherungssystemen besteht bei dem
betroffenen Personenkreis regelmäßig auch keine sozialpolitische Notwendigkeit,
weil ein soziales Schutzbedürfnis wegen des seit langem bestehenden privaten
Krankenversicherungsschutzes nicht gegeben ist. Die Prämienkalkulationen der
privaten Krankenversicherungsunternehmen berücksichtigen
Alterungsrückstellungen, die den Privatversicherten im Alter zugute kommen….
Ebenfalls von der Neuregelung nicht erfaßt werden Mitglieder, die zum Zeitpunkt des
Inkrafttretens der Neuregelung bereits 55 Jahre alt und versicherungspflichtig sind
[...] (Bundestags-Drucksache 14/1245 vom 23.06.1999)."
Der Gesetzgeber ist im Rahmen seines weiten Gestaltungsspielraums berechtigt,
den Zugang zur GKV an bestimmte Voraussetzungen zu knüpfen und den Kreis der
Versicherungspflichtigen nach dem Gesichtspunkt der Schutzbedürftigkeit der
Betroffenen und der Begründung einer leistungsfähigen Solidargemeinschaft
abzugrenzen. Die Sicherung dieser Leistungsfähigkeit macht es dabei auch
erforderlich, dass nicht jeder Bürger jederzeit einen Zugang zur GKV erhalten kann.
Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass bei typisierender Betrachtungsweise
mindestens einmal im Leben die Möglichkeit des Beitritts zur GKV und der
bewussten Entscheidung zwischen gesetzlicher und privater Krankenversicherung
besteht. Die Entscheidung zwischen der GKV und der PKV ist von den Betroffenen
eigenverantwortlich unter Abwägung der mittel- und langfristigen Konsequenzen zu
treffen. Der Gesetzgeber darf dabei davon ausgehen, dass Personen, die sich
einmal privat krankenversichert haben, auch im Alter die Verantwortung dafür
übernehmen, ihre Prämien zur PKV fristgemäß aus ihren Einkünften oder ihrem
Vermögen zu bezahlen.
Die o. g. Regelung führt nicht zu einer verfassungswidrigen Ungleichbehandlung und
es bedurfte auch keiner Übergangsregelung (Landessozialgericht Baden-
Württemberg Urteil vom 28. Juli 2004, L 11 KR 5300/03, Landessozialgericht für das
Saarland Beschluss vom 2. Juli 2014, L 2 KR 24/14). Dadurch, dass die Regelung
des § 6 Absatz 3a SGB V bewusst nicht diejenigen Personen erfasst, die zum
Zeitpunkt des Inkrafttretens der Norm bereits 55 Jahre alt und zu diesem Zeitpunkt
schon versicherungspflichtig in der GKV waren (s. o. Begründung zu § 6 Absatz 3a
SGB V), greift die Regelung auch nicht in bestehende Rechte ein, denen der
Gesetzgeber ggf. mit einer Übergangsvorschrift hätte begegnen müssen.
Soweit der Petent die allgemeine Beitragsentwicklung in der PKV einschließlich des
Basistarifs beanstandet und gesetzgeberische Maßnahmen für erforderlich hält, wies
die Bundesregierung gegenüber dem Petitionsausschuss auf Folgendes hin:
Im Gegensatz zur GKV, bei der sich die Versicherungsbeiträge weitgehend nach
dem Einkommen der Versicherten richten, müssen die Prämien in der PKV
entsprechend dem Wert des Versicherungsschutzes risikogerecht festgesetzt
werden. Da der Versicherer das Risiko des Einzelnen jedoch nur in einer
Gefahrengemeinschaft versichern kann, werden die Beiträge aus dem
durchschnittlichen Leistungsbedarf aller Versicherten einer Tarif-, Alters- und
Personengruppe errechnet (Äquivalenzprinzip: Beiträge müssen den Leistungen
entsprechen).
Bei der Entwicklung der Beiträge in der gesetzlichen und der privaten
Krankenversicherung ist zu berücksichtigen, dass im Vergleich zu den
Lebenshaltungskosten die Schadenleistungen der Versicherer überproportional
steigen. Die Ursache hierfür ist nicht nur in dem allgemeinen Anstieg der
Behandlungskosten zu finden. Vielmehr wirken sich die Verbesserungen und
Intensivierung der Behandlungsmethoden sowie die häufigere Inanspruchnahme
ärztlicher Leistungen, aber auch die verlängerte Lebensdauer kostensteigernd aus.
Der Versicherer ist nicht Vertragspartner der Krankenhäuser und Ärzte und hat auf
die Kostenentwicklung keinen unmittelbaren Einfluss und sie ist im Vorfeld auch nicht
kalkulierbar. So haben auch Kostendämpfungsmaßnahmen wie vom Petenten
angegeben nicht den erhofften Erfolg. Der Versicherer muss sein im
Versicherungsvertrag gegebenes Leistungsversprechen einhalten. Sofern die
Ausgaben über den ursprünglich kalkulierten Werten liegen, muss das Unternehmen
zwangsläufig die entstehenden Fehlbeträge ausgleichen. Dieser Ausgleich kann nur
durch eine Neukalkulierung des Tarifs und Anpassung der Beiträge an die
gestiegenen Ausgaben erreicht werden.
Die privaten Krankenversicherungsunternehmen können Beitragsanpassungen nicht
willkürlich vornehmen. Grundlage der Beitragserhöhungen sind die
Beitragsanpassungsklauseln in den Versicherungsbedingungen, die wiederum auf
Regelungen im Versicherungsvertragsgesetz (§ 203 VVG) und im
Versicherungsaufsichtsgesetz (§ 155 VAG) aufbauen. Die
Versicherungsunternehmen sind gesetzlich verpflichtet, jeden ihrer Tarife zumindest
jährlich mit den erforderlichen Versicherungsleistungen zu vergleichen. Ergibt diese
Gegenüberstellung für einen Tarif eine Abweichung von mehr als 10%, hat das
Unternehmen alle Prämien dieses Tarifs zu überprüfen und gegebenenfalls
anzupassen. Eine Beitragsänderung ist jedoch erst möglich, wenn das Unternehmen
die Notwendigkeit und die Höhe einem unabhängigen Treuhänder nachgewiesen hat
und dieser Treuhänder der Anpassung zustimmt (§ 155 VAG).
Für jeden Versicherten besteht die Möglichkeit, in einen anderen Tarif seines
Versicherers zu wechseln. Nach der im Dezember 2007 in Kraft getretenen VVG-
Informationspflichtenverordnung muss der Versicherer auf die Wechselmöglichkeit
hinweisen. Bei Versicherten, die das 60. Lebensjahr vollendet haben, muss er von
sich aus die konkret in Frage kommenden Tarife und die dort zu zahlende Prämie
benennen.
Für Versicherte, die sich den Beitrag für die PKV nicht mehr leisten können, besteht
seit dem 1. Januar 2009 die Möglichkeit, in den neuen Basistarif der PKV zu
wechseln. Ab diesem Zeitpunkt sind die Krankenversicherungsunternehmen
verpflichtet, einen Basistarif anzubieten, dessen Vertragsleistungen in Art, Umfang
und Höhe mit den Leistungen der GKV vergleichbar sind. Für den Basistarif besteht
ein Annahmezwang. Die Versicherer dürfen daher niemanden zurückweisen, der
sich in diesem Tarif versichern darf. Risikozuschläge oder Leistungsausschlüsse sind
nicht erlaubt. Der Beitrag im Basistarif darf den Höchstbeitrag in der GKV nicht
überschreiten. Der individuelle Beitrag wird bei finanziell Hilfebedürftigen für die
Dauer der Hilfebedürftigkeit auf Nachweis halbiert. Falls notwendig, beteiligt sich der
Träger von ALG II bzw. der Sozialhilfe am Beitrag. In diesem Zusammenhang ist zu
berücksichtigen, dass durch die Begrenzung des Beitrages im Basistarif dieser von
anderen Tarifen subventioniert werden muss, denn hier findet keine risikogerechte
Kalkulation statt. Eine weitere Absenkung des Beitrages zu Lasten der anderen
Versicherten ist nicht vertretbar.
Es besteht keine Verpflichtung, sich im Basistarif zu versichern. Möglicherweise
haben einige Anbieter kostengünstigere "Normaltarife" im Angebot. Hier gilt jedoch
kein Annahmezwang. In der PKV kommen - wie bei anderen privatrechtlichen
Rechtsgeschäften auch - Verträge nach dem Grundsatz der Vertragsfreiheit
zustande. Danach können die Versicherer selbst entscheiden, ob und ggf. unter
welchen Voraussetzungen sie Anträge annehmen wollen.
Der Petitionsausschuss vermag sich diesen Ausführungen nicht zu verschließen.
Vor dem Hintergrund des Dargestellten vermag der Petitionsausschuss ein weiteres
Tätigwerden nicht in Aussicht zu stellen und empfiehlt daher, das Petitionsverfahren
abzuschließen.
Begründung (PDF)