14.05.2016, 04:23
Pet 3-18-11-8210-022461
Regelungen über die Zugehörigkeit zur
gesetzlichen Rentenversicherung
Der Deutsche Bundestag hat die Petition am 28.04.2016 abschließend beraten und
beschlossen:
Das Petitionsverfahren abzuschließen, weil dem Anliegen nicht entsprochen werden
konnte.
Begründung
Der Petent fordert, dass eine gesetzliche Regelung für Ärzte im nicht kurativen
Bereich, für die Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen
Rentenversicherung geschaffen wird.
Zur Begründung trägt der Petent vor, dass für eine Vielzahl von Ärzten die Möglichkeit
bestünde, sich von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung
befreien zu lassen, um in ein berufsständisches Versorgungswerke zu wechseln. Bei
außerhalb von Krankenhäusern tätigen Ärzten - beispielsweise bei Ärzten in der
Pharmaindustrie - bestünde diese Möglichkeit in aller Regel nicht. Nach seiner
Erfahrung werde einer Befreiung durch die Deutsche Rentenversicherung Bund (DRV
Bund) sehr restriktiv gehandhabt. Für bestimmte Ärztegruppen werde durch die DRV
Bund nur in Ausnahmefällen Anträgen auf Befreiung von der
Rentenversicherungspflicht stattgegeben. Für Ihn sei es nicht nachvollziehbar, dass
sich einerseits eine Vielzahl von Ärzten von der Versicherungspflicht befreien könnten,
andererseits eine Befreiung für Ärzte, die in der Pharmaindustrie beschäftigt sind,
regelmäßig verwehrt werde. Dies stelle eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung
dar. Die dieser Situation zugrundeliegenden Gesetze müssten daher geändert werden.
Die Eingabe wurde als öffentliche Petition auf der Internetseite des Deutschen
Bundestages eingestellt und dort diskutiert. Sie wurde von 12 Mitzeichnern unterstützt,
und es gingen 12 Diskussionsbeiträge ein.
Der Petitionsausschuss hat der Bundesregierung Gelegenheit gegeben, ihre Haltung
zu der Eingabe darzulegen.
Das Ergebnis der parlamentarischen Prüfung lässt sich unter anderem unter
Einbeziehung der seitens der Bundesregierung angeführten Aspekte wie folgt
zusammenfassen:
Einer der Hauptgrundsätze der gesetzlichen Rentenversicherung ist, dass alle
abhängig Beschäftigten - ungeachtet ihres Verdienstes und ihrer Ausbildung - in der
gesetzlichen Rentenversicherung pflichtversichert sind. Von diesem Grundsatz gibt es
nur wenige, in der Sache zu rechtfertigende Ausnahmen.
Eine Ausnahme hiervon ist das Recht der Pflichtmitglieder berufsständischer
Versorgungswerke, sich von der Versicherungspflicht zur gesetzlichen
Rentenversicherung befreien zu lassen. Berufsständische Versorgungswerke sichern
die Alters-, Erwerbsminderungs- und Hinterbliebenenversorgung für kammerfähige
freie Berufe. Berufsständische „Versorgungswerke sind öffentlich-rechtliche
Versorgungseinrichtungen der verkammerten freien Berufe, die unter Anknüpfung an
den jeweiligen Berufsstand sowohl die selbständig Tätigen als auch die Beschäftigten
in die Versicherung einbeziehen“ (Bundestags-Drucksache 13/2590).
Nach § 6 Absatz 1 Nummer 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) in
Verbindung mit § 231 SGB VI können sich Beschäftigte und Selbständige auf Antrag
für die jeweilige Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit von der
Rentenversicherungspflicht bei Vorliegen der Voraussetzungen befreien lassen. Mit
dieser Regelung wird sowohl eine doppelte Belastung des Einzelnen, aber auch eine
doppelte Versorgung bei Berufsunfähigkeit, Alter und für Hinterbliebene vermieden.
Die Möglichkeit der Befreiung gilt für die Tätigkeit, in der sie aufgrund einer durch
Gesetz angeordneten oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung Mitglied einer
öffentlich-rechtlichen Versorgungseinrichtung oder eine berufsständischen
Versorgungseinrichtung sind. Neben der Pflichtmitgliedschaft in einer Berufskammer
ist die Pflichtmitgliedschaft in einer berufsständischen Versorgungseinrichtung der
entsprechenden Berufsgruppe erforderlich.
Hintergrund für diese Regelung ist, dass auf die gewachsenen Strukturen
berufsständischer Versorgungswerke Rücksicht genommen wird und deshalb den
Pflichtmitgliedern der Versorgungswerke keine doppelte Pflichtmitgliedschaft
zugemutet werden soll. Sie haben ein Befreiungsrecht von der gesetzlichen
Rentenversicherungspflicht, weil und soweit sie wegen derselben Beschäftigung
sowohl in der gesetzlichen Rentenversicherung pflichtversichert als auch
Pflichtmitglied in einem Versorgungswerk sind und damit einer doppelten
Beitragszahlungspflicht unterliegen.
Voraussetzung für die Befreiung von Ärzten von der Rentenversicherungspflicht in der
gesetzlichen Rentenversicherung ist daher die Ausübung einer Berufstätigkeit, die
notwendig eine Kammerzugehörigkeit voraussetzt. Damit ist klar- und sichergestellt,
dass eine Befreiung nicht personen-, sondern immer tätigkeitsbezogen wirkt. Sie wird
daher nicht einmalig aufgrund der Zugehörigkeit einer Person zu einem
Versorgungswerk erteilt und wirkt dann für alle von dieser Person ausgeübten
Tätigkeiten. Vielmehr kann sie jeweils nur für eine konkrete Beschäftigung oder
Tätigkeit beantragt und im Einzelfall zuerkannt werden.
Das Bundessozialgericht hat in seiner Entscheidung vom 31. Oktober 2012 (Az. B 12
R 3/11 R, B 12 R 5/10 R sowie B 12 R 8/10 R) die dieser Bewertung zugrundeliegenden
Maßstäbe aufgezeigt und insoweit die Verwaltungspraxis der DRV Bund bestätig bzw.
präzisiert.
Wegen des Tätigkeitsbezuges einer Befreiung ergibt sich demnach die Notwendigkeit,
dies für jede einzelne konkret ausgeübte Beschäftigung oder Tätigkeit zu prüfen. Dazu
müssen die einzelnen Tätigkeitsmerkmale vor dem Hintergrund des jeweiligen
Berufsbildes des Kammerberufes überprüft und bewertet werden. Nur wenn
Beschäftigungen oder Tätigkeiten ausgeübt werden, die eine Kammerzugehörigkeit
voraussetzen, liegen die Voraussetzungen für eine Befreiung vor. Ob dies der Fall ist,
lässt sich nicht generell für alle Berufsgruppen und Arbeitsmarktausprägungen
generell festlegen.
Vertreter des Heilkundeberufes sind in jedem Fall zu befreien, wenn sie in einem der
klassischen Berufsfelder ihrer Berufsgruppe tätig sind. Dazu zählt für Ärzte die
Wahrnehmung ärztlicher Aufgaben in einer Praxis oder in einem Krankenhaus. Über
diese klassischen Berufsfelder hinaus ist bei Ärzten die Ausübung einer für den
Kammerberuf typischen Berufstätigkeit auch in anderen Bereichen möglich. Das
ärztliche Berufsbild ist charakterisiert durch die Ausübung der Heilkunde, das heißt
durch die Verhütung, Erkennung und Behandlung von Krankheiten. Tätigkeiten mit
einem derartigen Profil lassen sich auch in der allgemeinen Berufswelt finden.
Auch in der Pharmaindustrie ist für Ärzte (oder auch Apotheker) eine berufsspezifische
Tätigkeit außerhalb des klassischen Arbeitsfeldes denkbar, sofern das Berufsbild
geprägt ist durch die Verhütung, Erkennung und Behandlung von Krankheiten oder die
Entwicklung, Herstellung, Prüfung oder Abgabe von Arzneimitteln. Erfüllt eine
Beschäftigung diese Merkmale und kann sie nach objektiven Maßstäben wegen der
spezifischen Ausbildung ausschließlich von einem Arzt (oder Apotheker) ausgeübt
werden, dann kann eine Befreiung erteilt werden. Ob und inwieweit jeweils eine
ausgeübte Tätigkeit, für die eine Befreiung begehrt wird, diese Merkmale erfüllt, kann
jedoch nur anhand des Einzelfalles bestimmt werden.
Ärzte haben - wie bereits oben erwähnt - ein Befreiungsrecht in der gesetzlichen
Rentenversicherung, weil und soweit sie wegen derselben Beschäftigung ebenfalls
Pflichtmitglied in einem Versorgungswerk sind. Dies ist die Rechtfertigung für dieses
besondere Befreiungsrecht, die auch unter Gleichbehandlungsgesichtspunkten mit
anderen Versicherten verfassungsrechtliche Relevanz besitzt.
Würden die rentenrechtlichen Regelungen mit dem Ziel geändert, Ärzte auch bei
Wechseln zu Tätigkeiten, die aufgrund eines geänderten Tätigkeitsbildes für sich
betrachtet keine Pflichtmitgliedschaft im zuständigen Versorgungswerk auslösen, von
der Rentenversicherungspflicht zu befreien, würde dies zu einer wesentlichen
Änderung der Natur des Befreiungsrechts führen. Ein solches von der ausgeübten
Tätigkeit abgelöstes Befreiungsrecht würde über den Zweck, doppelte
Pflichtbeitragszahlungen in verschiedenen Alterssicherungssystemen zu verhindern,
hinausreichen und wäre damit auch im Hinblick auf den verfassungsrechtlichen
Gleichbehandlungsgrundsatz problematisch.
Die Forderung des Petenten würde ferner die Befreiung in jeder Weise von einer
konkret ausgeübten Beschäftigung abkoppeln und ist daher abzulehnen. Es ginge
damit quasi um eine generelle Befreiung von Personen mit einer ärztlichen Ausbildung
von einer abstrakten Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung.
Eine solche abstrakte Rentenversicherungspflicht/Pflichtmitgliedschaft gibt es aber
weder in der gesetzlichen Rentenversicherung noch in der berufsständischen
Versorgung.
Der Petitionsausschuss hält die geltende Rechtslage für insgesamt sachgerecht.
Daher empfiehlt der Petitionsausschuss, das Petitionsverfahren abzuschließen, weil
dem Anliegen des Petenten nicht entsprochen werden konnte.
Begründung (pdf)