24/02/2017 3:22
Pet 4-18-07-4512-013734
Straftaten gegen die sexuelle
Selbstbestimmung
Der Deutsche Bundestag hat die Petition am 16.02.2017 abschließend beraten und
beschlossen:
1. Die Petition den Landesvolksvertretungen zuzuleiten, soweit es um die Erstellung
eines Maßnahmenkataloges zur HIV-Prophylaxe nach einer Vergewaltigung für
Polizei und Krankenhäuser geht,
2. das Petitionsverfahren im Übrigen abzuschließen.
Begründung
Der Deutsche Bundestag möge beschließen, dass bei einem (per DNA-Test)
überführten Vergewaltiger eine Blutabnahme zur Feststellung von bestehenden
Infektionen (HIV, Hepatitis) auch ohne richterlichen Beschluss vorgenommen werden
kann.
Die Petentin führt zur Begründung ihrer Petition aus, durch frühzeitige Blutentnahme
beim Täter könne gewährleistet werden, dass das Opfer in manchen Fällen auf eine
zum Teil mit sehr starken Nebenwirkungen verbundene Medikamenteneinnahme
verzichten könne. Da nach der derzeitigen Rechtslage eine Blutentnahme ohne
Einwilligung des Betroffenen nicht möglich sei, würde im Ergebnis den
Persönlichkeitsrechten des Täters ein größeres Gewicht gegeben als denjenigen des
Opfers. Außerdem müsse ein Maßnahmenkatalog eingeführt werden, an dem sich im
Falle einer Vergewaltigung die Strafverfolgungsbehörden und Ärzte orientieren sollten
und in den die Maßnahmen zur HIV-Prophylaxe aufzunehmen seien.Die Eingabe
wurde als öffentliche Petition auf der Internetseite des Petitionsausschusses
eingestellt. Sie wurde von 318 Mitzeichnern unterstützt. Außerdem gingen
35 Diskussionsbeiträge ein. Zudem gingen 6.411 Unterschriften zu dem Anliegen ein.
Bereits nach geltendem Recht gibt es gemäß § 81a der Strafprozessordnung (StPO)
die Möglichkeit, ohne Einverständnis des Beschuldigten eine Blutprobe zum Zwecke
eines HIV-Testes zu entnehmen. Voraussetzung ist, dass die Feststellung der HIV-
Erkrankung des Beschuldigten für das Strafverfahren von Bedeutung ist. Das ist der
Fall, wenn die Erkrankung für die Straftat selbst, die Täterschaft oder die Schuld des
Beschuldigten oder für die Rechtsfolgenentscheidung erheblich ist bzw. dafür
Beweiskraft entfaltet. Bei einer Vergewaltigung kann insofern zu klären sein, ob durch
die Tat die Gefahr der schweren Gesundheitsbeschädigung verursacht wurde (§ 177
Abs. 3 Nr. 3 des Strafgesetzbuches - StGB).
Nach § 81 a Abs. 2 StPO ist die Blutentnahme grundsätzlich durch einen Richter
anzuordnen. Es ist nicht ersichtlich, warum von dieser Anforderung in Hinblick auf die
beabsichtigte, nicht unerheblich in das Grundrecht der körperlicher Unversehrtheit
sowie der informationellen Selbstbestimmung eingreifende Entnähme und
Untersuchung des Blutes auf eine HIV-Infektion (vgl. Artikel 2 Absatz 2 Satz 1 und
Artikel 2 Absatz 1 i. V. m. Artikel 1 Absatz 1 des Grundgesetzes) abgesehen werden
sollte. Denn in den von der Petentin beschriebenen Fällen, in denen der Täter bereits
unmittelbar nach der Tat eindeutig feststeht, kann bei entsprechenden Anlass schon
jetzt zur Vermeidung zeitlicher Verzögerungen telefonisch ein richterlicher Beschluss
in mündlicher Form eingeholt werden. Diese nach bestehender Rechtslage mögliche
Vorgehensweise trägt in ausreichendem Maße dem im Strafverfahren geltenden
Beschleunigungsgrundsatz und dem Interesse des Opfers, Gewissheit über eine
ansteckende, möglicherweise tödlich verlaufende Krankheit des Täters zu erlangen,
Rechnung.
In diesem Zusammenhang sind grundlegende Kenntnisse der zeitlichen Abläufe einer
HIV-Untersuchung und der derzeit praktizierten HIV-Prophylaxe-Therapien von
Bedeutung. Nach den Leitlinien der Deutschen AIDS-Gesellschaft e. V. (DAIG) zur
Postexpositionellen Prophylaxe (PEP) der HIV-Infektion (öffentlich abrufbar über
www.daionet.de) sollte die HIV-Prophylaxe möglichst innerhalb der ersten 24 Stunden
(am besten innerhalb der ersten zwei Stunden) nach dem Kontakt beginnen und ist
schon nach Ablauf von 72 Stunden nicht mehr zu empfehlen. Da die Durchführung der
entsprechenden Tests in der Regel ein bis zwei Tage in Anspruch nimmt, wäre somit
nach einer Vergewaltigung bei entsprechender Indikation schon vor Vorliegen des
Testergebnisses des Täters beim Opfer mit der HIV-Prophylaxe zu beginnen.
Aber auch eine schnellere Nachlieferung des Testergebnisses wäre für die Frage, ob
die HIV-Prophylaxe weitergeführt werden sollte, nur von eingeschränkter Bedeutung.
Denn die derzeitig verfügbaren HIV-Tests weisen nicht das Virus selbst nach, sondern
lediglich die sich erst innerhalb von 4 bis 12 Wochen in ausreichendem Maße
gebildeten Antikörper im Blut. Der Aussagewert eines negativen Testergebnisses
bestünde daher lediglich darin, festzustellen, dass der Täter vor drei Monaten noch
nicht infiziert gewesen ist. Für das Opfer bliebe daher die Ungewissheit, ob der Täter
sich in den letzten 4 bis 12 Wochen angesteckt hat und bei der Tat sodann das durch
die Blutuntersuchung noch nicht feststellbare Virus übertragen hat.
Um absolut sicher zu gehen, alles gegen eine mögliche Ansteckung zu unternehmen,
müsste das Opfer daher konsequenterweise trotz des negativen Testergebnisses die
HIV-Prophylaxe fortsetzen. Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass es einer
weitergehenden Einschätzung des Gefahrenpotenzials des Vorfalls anhand einer
Vielzahl von Faktoren bedarf (z. B. Einordnung des Täters in eine möglicherweise
besonders HIV-gefährdete Gruppierung; bisherige Sexualpraktiken des Täters; Art und
Weise der Vergewaltigung etc.). In diesem Zusammenhang wird in den oben zitierten
Leitlinien des DAIG folgendes ausgeführt:
„Bei Opfern einer Vergewaltigung ist angesichts der epidemiologischen
Situation in Deutschland ein routinemäßiges Anbieten oder Empfehlen
einer HIV-PEP im Allgemeinen nicht gerechtfertigt. Jedoch sollte die
Abklärung, ob ein relevantes HIV-Expositionsrisiko bestehen könnte,
routinemäßiger Bestandteil der Betreuung von Vergewaltigungsopfern
sein. Bei erhöhtem Risiko und/oder begründetem Verdacht auf eine HIV-
Exposition im Rahmen einer Straftat, sollte auf die fachkompetente
Beratung und eventuell notwendige zeitgerechte Initiierung einer PEP
besonders geachtet werden.“
Die dargelegte Rechtslage trägt dem bereits in ausreichendem Maße Rechnung.
Soweit die Petentin einen Maßnahmenkatalog für Polizei und Krankenhäuser fordert,
der sicherstellt, dass die nach einer Vergewaltigung beteiligten Beamten und Ärzte
Kenntnis von den Möglichkeiten und Abläufen einer HIV-Prophylaxe haben, ist diese
Forderung nach Auffassung des Petitionsausschusses gut nachvollziehbar. Der Erlass
der dafür erforderlichen Bestimmungen fällt jedoch in die Zuständigkeit der Länder.
Aus den dargestellten Gründen empfiehlt der Petitionsausschuss, die Petition den
Landesvolksvertretungen zuzuleiten, soweit es um die Erstellung eines
Maßnahmenkataloges zur HIV-Prophylaxe nach einer Vergewaltigung für Polizei und
Krankenhäuser geht, und das Petitionsverfahren im Übrigen abzuschließen.
Begründung (PDF)