06. 07. 2016. 12:15
Pet 1-18-12-9213-022085
Straßenverkehrs-Ordnung
Der Deutsche Bundestag hat die Petition am 09.06.2016 abschließend beraten und
beschlossen:
1. Die Petition der Bundesregierung – dem Bundesministerium für Verkehr und
digitale Infrastruktur – als Material zu überweisen, soweit der Handlungsbedarf zur
Steigerung der Helmtragequote bei der Zielgruppe der jungen Erwachsenen und
weitere Maßnahmen zur Vermeidung von Unfallursachen angesprochen sind und
2. das Petitionsverfahren im Übrigen abzuschließen.
Begründung
Mit der Eingabe wird die Einführung einer Helmtragepflicht für Radfahrende
gefordert.
Zu dieser Petition, die auf der Internetseite des Deutschen Bundestages
veröffentlicht wurde, liegen dem Petitionsausschuss 100 Mitzeichnungen und
197 Diskussionsbeiträge vor. Darüber hinaus liegen dem Ausschuss weitere
sachgleiche Eingaben vor, die wegen des Sachzusammenhangs einer gemeinsamen
parlamentarischen Prüfung unterzogen werden. Es wird um Verständnis gebeten,
dass nicht auf alle angeführten Aspekte gesondert eingegangen werden kann.
Zur Begründung des Anliegens wird im Wesentlichen ausgeführt, dass die
Radfahrerzahlen insbesondere in den Großstädten seit Jahren anstiegen. Die
Fahrräder würden immer schneller und robuster, die Radfahrerin und der Radfahrer
blieben jedoch das Sicherheitsrisiko. Das Tragen eines Fahrradhelmes sei daher von
großer Bedeutung, da es bei Unfällen, die in der Stadt meistens mit Autos
passierten, zu schweren oder sogar tödlichen Kopfverletzungen kommen könne.
Gerade unter jungen Menschen herrsche ein gesellschaftlicher Druck keinen Helm
zu tragen, da es vermeintlich dem Aussehen, der „Coolness“, schade. Mit der
Einführung einer gesetzlichen Helmpflicht würde diese Haltung keine Rolle mehr
spielen, gleichzeitig werde aber die Sicherheit im Straßenverkehr erhöht. Bei Kindern
werde bereits sehr darauf geachtet, dass diese einen Helm trügen. Außerdem solle
die Helmpflicht Bestandteil der Verkehrserziehung werden. In anderen Ländern, z. B
Neuseeland, habe sich die gesetzliche Helmpflicht etabliert.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten zu dem Vorbringen und zur Vermeidung von
Wiederholungen wird auf die eingereichten Unterlagen verwiesen.
Der Petitionsausschuss hat der Bundesregierung Gelegenheit gegeben, ihre Ansicht
zu der Eingabe darzulegen. Das Ergebnis der parlamentarischen Prüfung lässt sich
unter Einbeziehung der seitens der Bundesregierung angeführten Gesichtspunkte
wie folgt zusammenfassen:
Der Petitionsausschuss begrüßt das Engagement für die Verbesserung der
Sicherheit im Straßenverkehr, in diesem Fall insbesondere für die der Radfahrenden.
Einführend stellt der Ausschuss fest, dass die in § 21a Absatz 2 Satz 1
Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) geregelte Helmtragepflicht für Fahrer, Mitfahrer
und Beifahrer von Krafträdern oder offenen drei- oder mehrrädrigen Kraftfahrzeugen
mit einer bauartbedingten Höchstgeschwindigkeit von über 20 km/h gilt. Diese Pflicht
besteht nicht beim Fahren mit sogenannten Leichtmofas und beim Radfahren.
Der Ausschuss hebt hervor, dass die Bundesregierung den Radverkehr als
zukunftsträchtige und nachhaltige Verkehrsform sicherer machen und seine
Attraktivität weiter steigern möchte. Daher soll darauf hingewirkt werden, dass
deutlich mehr Radfahrende Helm tragen. Ob die Einführung einer Helmtragepflicht
das geeignete Mittel darstellt, wird seit vielen Jahren kontrovers diskutiert und die
Vor- und Nachteile vorgetragen.
Der Ausschuss weist darauf hin, dass das Bundesministerium für Verkehr und
digitale Infrastruktur (BMVI) weiterhin auf das Prinzip der Freiwilligkeit setzt und die
Stärkung der Eigenverantwortlichkeit der Verkehrsteilnehmenden betont. Hierzu wird
in Zusammenarbeit mit den Interessengruppen der Radfahrenden und den
Verkehrssicherheitsverbänden das Helmtragen mit gezielter Öffentlichkeitsarbeit
beworben, um die Tragequoten zu steigern und so zu erreichen, dass die
Radfahrenden mehr Verantwortung in eigenen Belangen übernehmen. Der
Ausschuss weist z. B. auf die gemeinsame Kampagne des BMVI und des Deutschen
Verkehrssicherheitsrates (DVR) „Runter vom Gas“ hin, in deren Rahmen im Jahr
2015 mit Plakatserien in deutschen Innenstädten, u. a. mit der Star-Wars-Figur
„Darth Vader“ sowie mit Prominenten im Rahmen der Plakatstrecke „Hut ab – Helm
auf“, für das Helmtragen beim Radfahren geworben wurde (vgl.
www.bmvi.de/SharedDocs/DE/Pressemitteilungen/2015/038-dobrindt-der-helm-
sei-mit-dir.html
und
www.bmvi.de/SharedDocs/DE/Pressemitteilungen/2014/079-reiche-
hutabhelmauf.html).
Darüber hinaus unterstützt das BMVI viele Kampagnen zur Steigerung der
Helmtragequoten. Beispielsweise führt die Deutsche Verkehrswacht seit 2011 zur
Erhöhung der Helmtragequote im Auftrag des BMVI die bundesweite Aktion „Ich trag‘
Helm“ durch. Dabei werden die Vorteile des freiwilligen Tragens von Fahrradhelmen
thematisiert und jährlich wechselnde Schwerpunkte entwickelt, um alle
Bevölkerungsgruppen zu erreichen. Die Aktion zählt zu den Bausteinen des
Bundesprogramms „Fahr Rad… aber sicher!“, welches die örtlichen
Verkehrswachten bei Verkehrssicherheitstagen umsetzen. Im Jahr 2013 wurden
insgesamt 713 Aktionstage durchgeführt, an denen über 600.000 Menschen
teilgenommen haben. Spezielle Zielgruppenprogramme richteten sich direkt an
Kinder oder Senioren, um hier u. a. das Helmtragen zu einer Selbstverständlichkeit
werden zu lassen.
Der Ausschuss merkt an, dass die Entwicklung der Tragequote von Schutzhelmen
bei Zweiradfahrern von der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) jährlich
beobachtet wird. Danach ist bislang eine stetig positive Entwicklung der
Helmtragequoten zu verzeichnen. Allerdings hängen die Helmtragequoten stark vom
Alter der Radfahrenden ab: Radfahrende Kinder „bis 5 Jahre“ tragen den Helm zu
82 %, in der Altersgruppe „6 bis 10 Jahre“ beträgt die Quote 69 %. Die niedrigsten
Quoten sind in den Altersgruppen „17 bis 21 Jahre“ und „22 bis 30 Jahre“ mit jeweils
7 % zu verzeichnen. In den Altersgruppen „31 bis 40 Jahre“, „41 bis 60 Jahre“ und ab
„61 Jahre“ betragen die Helmtragequoten jeweils 16 %. Bezogen auf alle
Radfahrenden ergibt sich für das Jahr 2014 eine Quote von 17 % (2013: 15 %, 2012:
13 %).
Der Ausschuss stellt fest, dass die Helmtragequoten bislang Jahr für Jahr insgesamt
gestiegen sind. Dies deutet darauf hin, dass das Maßnahmenbündel der
Bundesregierung hinsichtlich der Stärkung der Eigenverantwortung der
Verkehrsteilnehmenden und der Steigerung der Tragequoten auf freiwilliger Basis
zielführend sind. Allerdings macht der Ausschuss darauf aufmerksam, dass gerade
die in einer der Eingaben ausdrücklich angesprochene Zielgruppe der jungen
Erwachsenen auch nach der Statistik die niedrigsten Quoten aufweist, sodass hier
tatsächlich verstärkter Handlungsbedarf besteht. Vor diesem Hintergrund begrüßt der
Ausschuss, dass die Bundesregierung dieses Problem erkannt hat und im Rahmen
der Halbzeitbilanz des Verkehrssicherheitsprogramms 2011 – 2020 (abrufbar unter:
www.bmvi.de/SharedDocs/DE/Publikationen/LA/halbzeitbilanz-
verkehrssicherheitsprogramm.pdf?__blob=publicationFile) die Intensivierung der
Aufklärungsarbeit der erwachsenen Radfahrenden über die Schutzwirkung der
Helme als Schwerpunkt für die zweite Halbzeit des Programms herausgestellt hat.
Ferner weist der Ausschuss darauf hin, dass, neben der Eindämmung von
Unfallfolgen durch die Werbung für das freiwillige Tragen eines Helmes,
insbesondere die Unfallursachen bekämpft werden müssen. So können Unfallzahlen
reduziert und die Verkehrssicherheit verbessert werden. Insoweit begrüßt der
Ausschuss das von der Bundesregierung ebenfalls gesetzte Ziel, im Rahmen des
Verkehrssicherheitsprogramms 2011 - 2020 die Sicherheit im Straßenverkehr zu
verbessern und die Zahl der Verkehrstoten im Programmzeitraum um 40 % zu
senken. Bei der Verkehrssicherheitsarbeit stellen die Radfahrenden eine
Schwerpunktgruppe dar.
Der Ausschuss hebt abschließend hervor, dass für die Zukunft noch offene Fragen
nach dem Umfang der Schutzwirkung durch Helme beantwortet werden müssen.
Dies gilt auch mit Blick auf die vermehrte Nutzung von Elektrofahrrädern. Zudem
bedarf es der Weiterentwicklung der Helme durch die Industrie und es gilt den nicht
immer ausreichenden Tragekomfort zu verbessern.
Vor dem Hintergrund der Ausführungen unterstützt der Petitionsausschuss das von
der Bundesregierung verfolgte Prinzip der Freiwilligkeit, um die Eigenverantwortung
der Verkehrsteilnehmenden zu stärken und so zur Steigerung der Helmtragequote
der Radfahrenden beizutragen. Der Ausschuss hält die geltende Rechtslage für
sachgerecht und vermag sich nicht für die vom Petenten geforderte Helmtragepflicht
für Radfahrende auszusprechen. Gleichwohl erachtet er das Thema aus den
dargestellten Gründen als sehr wichtig. Vor diesem Hintergrund empfiehlt der
Petitionsausschuss daher, die Petition der Bundesregierung – dem
Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur – als Material zu
überweisen, soweit der Handlungsbedarf zur Steigerung der Helmtragequote bei der
Zielgruppe der jungen Erwachsenen und weitere Maßnahmen zur Vermeidung von
Unfallursachen angesprochen sind und das Petitionsverfahren im Übrigen
abzuschließen.
Begründung (pdf)