06.12.2016, 03:22
Pet 2-18-18-272-022868
Umwelt und Gesundheit
Der Deutsche Bundestag hat die Petition am 24.11.2016 abschließend beraten und
beschlossen:
1. Die Petition der Bundesregierung - dem Bundesministerium für Umwelt,
Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit - zu überweisen, soweit es um die
Entwicklung von einheitlichen Untersuchungsverfahren im Bereich Mikroplastik
geht,
2. das Petitionsverfahren im Übrigen abzuschließen.
Begründung
Mit der Petition werden gesetzliche Regelungen dahingehend gefordert, sämtliche
bundesdeutschten kommunalen Kläranlagen mit Filtern der Reinigungsstufe 4 zur
Absonderung von Mikroplastik und Plastikfasern aufzurüsten.
Zur Begründung seiner Eingabe führt der Petent im Wesentlichen an, Mikroplastik,
welches beispielsweise in Kosmetik- und Pflegeprodukten sowie in Fleece- und
Funktionskleidung enthalten sei, gelange vornehmlich über das Haushaltsabwasser
in die Umwelt mit negativen Folgen für Pflanzen, Tiere und auch Menschen. Die
meisten Klärwerke könnten diese Teilchen nicht aus dem Wasser filtern. Lediglich
einige wenige deutsche Klärwerke setzten bereits mit Erfolg Filter zum Aussortieren
von Mikroplastik ein, etwa Tuch- oder Membranfilter, welche als Reinigungsstufe 4
bezeichnet würden. Daher sollten sämtliche Klärwerke mit der Reinigungsstufe 4
ausgerüstet werden, flankiert durch ein entsprechendes finanzielles
Förderprogramm.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten zu dem Vorbringen des Petenten wird auf die
von ihm eingereichten Unterlagen verwiesen.
Die Petition wurde auf der Internetseite des Deutschen Bundestages veröffentlicht.
Sie wurde durch 189 Mitzeichnungen unterstützt und es gingen
10 Diskussionsbeiträge ein.
Der Petitionsausschuss hat der Bundesregierung Gelegenheit gegeben, ihre Haltung
zu der Eingabe darzulegen. Das Ergebnis der parlamentarischen Prüfung lässt sich
unter Einbeziehung der seitens der Bundesregierung angeführten Aspekte wie folgt
zusammenfassen:
Der Petitionsausschuss äußert Verständnis für das Anliegen des Petenten.
Der Petitionsausschuss bemerkt zunächst grundlegend, dass eine Kläranlage eine
technische Anlage ist, die der Reinigung von Abwasser dient, das von der
Kanalisation gesammelt und im Zuge der Abwasserbeseitigung dorthin transportiert
wird. Moderne Kläranlagen sind heute in der Regel dreistufig, da zur
Abwasserreinigung nacheinander mechanische, biologische und chemische
Verfahren eingesetzt werden. Die auch in der Eingabe thematisierte vierte
Reinigungsstufe beschreibt einen zusätzlichen Verfahrensschritt in der Kläranlage,
der zur weiteren Reinigung des behandelten Abwassers dient, beispielsweise der
Elimination von Mikroschadstoffen. Im Zusammenhang mit der vierten
Reinigungsstufe stehen Spurenstoffe und prioritäre Stoffe, die laut Definition ein
signifikantes Risiko für die aquatische Umwelt und folglich auch für das Trinkwasser
darstellen. Bei den Spurenstoffen handelt es sich um Medikamentenreste, Hormone,
Röntgenkontrastmittel und ähnliche Stoffe mit nachweislich schädlicher Wirkung. Für
die Umsetzung der vierten Reinigungsstufe gibt es verschiedene
verfahrenstechnische Ansätze. Diese lassen sich allgemein in die Verfahren
Ozonierung, Membrantrennverfahren, Adsorption und biologischer Abbau unterteilen.
Bedeutend für das Eliminationsverhalten von Spurenstoffen sind insbesondere
Molekülaufbau und -struktur, Polarität/Hydrophobie, Sorptionsverhalten und
Abbaubarkeit/Persistenz.
Der Petitionsausschuss betont, dass mittlerweile der vierten Reinigungsstufe im
Hinblick auf die Abscheidung von Mikroplastik ebenfalls ein hohes Potential
zugesprochen wird. Der Ausschuss ergänzt, dass als Mikroplastik Plastikstücke
bezeichnet werden, welche kleiner als 5 mm sind; sie sind also mit dem bloßen Auge
schwer zu erkennen. Es gibt zwei Sorten von Mikroplastik. Zum sogenannten
primären Mikroplastik gehören Basispellets, die das Grundmaterial für die
Plastikproduktion darstellen; Granulate in Kosmetik und Hygieneprodukten, wie
Peelings, Zahnpasta, Handwaschmittel; mikroskopische Partikel, die in
Reinigungsstrahlern z. B. auf Werften eingesetzt werden oder in der Medizin als
Ein-Organismus, z. B. ein Insekt, das einen Krankheitserreger von einem Wirt zum
anderen überträgt. Darüber hinaus ist Mikroplastik in Fasern zu finden. Bis zu
2.000 Kunstfasern aus Fleece-Kleidungsstücken, einem Velourstoff, der meist aus
Polyester oder Polyacryl besteht, gelangen pro Waschgang über Fließgewässer in
die Meeresumwelt, da sie von den Klärwerken – wie in der Eingabe zutreffend
bemerkt – nicht zurückgehalten werden können. Sekundäres Mikroplastik entsteht
durch physikalische, biologische und chemische Dekration von Makroplastikteilchen.
In diesem Zusammenhang gibt der Petitionsausschuss zu bedenken, dass
gesicherte Erkenntnisse, welche Mengen an Mikroplastik pro Jahr durch die
Kläranlagen hindurch in die natürlichen Gewässer abgegeben werden, bislang nicht
vorliegen. Dies gilt auch für einen möglichen Rückhalt durch die vierte
Reinigungsstufe. Wie bereits oben ausgeführt werden vierte Reinigungsstufen in
Kläranlagen nicht wie vom Petenten angeführt, im Hauptzweck zum Rückhalt von
Mikroplastik installiert, sondern vornehmlich zum Rückhalt von Spurenstoffen und
Arzneimittelrückständen.
Das Vorkommen bzw. der Rückhalt von Kunstoffen und Mikroplastik kann derzeit
wegen einer fehlenden einheitlichen Untersuchungsmethodik nicht gesichert ermittelt
werden. Vor diesem Hintergrund hält der Petitionsausschuss die Forderung des
Petenten an den Gesetzgeber nach einer vierten Reinigungsstufe zur Elimination von
Mikroplastik sowie die Forderung nach einem finanziellen Förderprogramm
gegenwärtig für nicht zielführend. Denn zunächst müssen die Grundlagen geschaffen
werden, um die Belastungssituation und die Wirksamkeit von Verfahren verlässlich
einheitlich beurteilen zu können.
Der Petitionsausschuss begrüßt, dass die Bundesregierung über das
Bundesumweltamt verschiedene Forschungs- und Entwicklungsprojekte fördert; das
Umweltbundesamt führt in diesem Bereich auch Eigenforschung durch. So sollen
unter anderem einheitliche Untersuchungsverfahren entwickelt und Eintragspfade
und Indikatorarten zur Beschreibung der Auswirkungen identifiziert werden. Auch
Forschungsprojekte zum Eintrag von Mikroplastik in Binnengewässer, zu möglichem
Vorkommen in Lebensmitteln oder zur Freisetzung aus Produkten sind geplant bzw.
werden durchgeführt. Der Ausschuss ergänzt, dass das Umweltbundesamt aktuell
Untersuchungen zu Mikroplastik in Zusammenarbeit mit der TU Berlin und der
Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung, der Universität Trier sowie der
Universität Konstanz/Landau durchführt. Insbesondere geht es um die Entwicklung
neuer Untersuchungsmethoden sowie die Entwicklung eines Konzeptes zur
Bewertung von Mikroplastik.
Der Petitionsausschuss weist an dieser Stelle auch auf die Arbeit im Rahmen der
gemeinsamen Programmplanung von Mitgliedstaaten und Europäischer Union hin,
welche vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert werden. Im
Rahmen der Förderinitiative "Healthy and Productive Seas and Oceans" sind die
Forschungsarbeiten auch auf die Entwicklung einer einheitlichen Messmethodik und
die Erfassung von Eintragspfaden und Verbreitung von Mikroplastik gerichtet. Des
Weiteren sind ebenso verschiedene Ressortforschungseinrichtungen des Bundes
damit befasst (Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung, Umweltbundesamt,
Bundesanstalt für Gewässerkunde und Bundesinstitut für Risikobewertung),
validierte analytische Nachweismethoden für die verschiedenen Matrices wie
Wasser, Boden, Luft oder Lebensmittel, in denen Kunststoffe oder Mikroplastik
vorkommen kann, zu entwickeln.
Entgegen den Befürchtungen des Petenten ist nach gegenwärtigem Wissensstand
eine Gesundheitsgefährdung für den Menschen durch die direkte Aufnahme von
Mikroplastikpartikeln über Lebensmittel eher unwahrscheinlich. Es kann davon
ausgegangen werden, dass Partikel, die größer als 0,1 mm sind und damit eine
vergleichbare Größe zu Fein-Sand haben vom Körper wieder ausgeschieden
werden. Sofern Mikroplastikpartikel als Träger für Schadstoffe in Betracht kommen,
greifen für zahlreiche Schadstoffe die rechtlich verbindlichen EU- bzw. nationalen
Höchstgehalte für Rückstände und Kontaminanten. Bei einer Überschreitung dieser
Höchstgehalte sind entsprechende Produkte nicht verkehrsfähig.
Soweit es um die grundsätzliche Problematik von Mikroplastik und ein Verbot
desselben geht, ergänzt der Petitionsausschuss, dass sich der Petent mit diesem
Anliegen bereits an den Petitionsausschuss gewandt hatte. Der 18. Deutsche
Bundestag hat die Petition beraten und am 2. Juli 2015 der begründeten
Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses folgend beschlossen: Die Petition
der Bundesregierung – dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft,
dem Bundesministerium für Gesundheit und dem Bundesministerium für Umwelt,
Naturschutz, Bau- und Reaktorsicherheit – als Material zu überweisen und sie dem
Europäischen Parlament zuzuleiten. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist
der Petitionsausschuss auf die genannte Beschlussempfehlung unter dem
Aktenzeichen Pet 2-17-18-273-055955. Die diesbezügliche Antwort der
Bundesregierung bleibt zunächst abzuwarten.
Nach alledem empfiehlt der Petitionsausschuss die Petition der Bundesregierung -
dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit - zu
überweisen, soweit es um die Entwicklung von einheitlichen Untersuchungsverfahren
im Bereich Mikroplastik geht, und das Petitionsverfahren im Übrigen abzuschließen.
Der abweichende Antrag der Fraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, die Petition
der Bundesregierung - dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und
Reaktorsicherheit - als Material zu überweisen, soweit auf die Notwendigkeit
hingewiesen wird, den Eintrag von Mikroplastik in die aquatische Umwelt zu
minimieren und notwendige Forschung und Regulierung zu beschleunigen, und das
Petitionsverfahren im Übrigen abzuschließen, wurde mehrheitlich abgelehnt.
Begründung (PDF)