19/01/2017 03:22
Pet 3-18-10-7125-010125
Verbraucherschutz
Der Deutsche Bundestag hat die Petition am 15.12.2016 abschließend beraten und
beschlossen:
Die Petition dem Europäischen Parlament zuzuleiten.
Begründung
Der Petent möchte eine Kennzeichnungspflicht für das Fleisch von betäubungslos
geschlachteten Tieren, insbesondere für importiertes Fleisch, erreichen.
Er führt aus, dass es durch die EU-Verordnung 1099/2009 EU-Mitgliedstaaten
ermöglicht werde, nicht nur in religiösen Ausnahmefällen betäubungslos zu
schlachten, sondern dieses Verfahren industriell anzuwenden. Es gebe Studien,
dass dies in mehreren Ländern der EU praktiziert werde. Durch Fleischimporte aus
diesen Ländern würde das im Grundgesetz verankerte Staatsziel Tierschutz
unterlaufen. Es bestehe auch der Verdacht, dass weit über den religiösen Bedarf
hinaus betäubungslos geschlachtet werde, da der Verzicht auf eine Betäubung der
Tiere eine Zeit- und Kostenersparnis zur Folge habe. Die Kennzeichnungspflicht für
das Fleisch unbetäubt getöteter Tiere würde daher zu einer verbesserten
Transparenz führen. Sie würde die Entscheidungsfreiheit der Verbraucherinnen und
Verbraucher stärken und den Tierschutz verbessern.
Es handelt sich um eine öffentliche Petition, die auf den Internetseiten des
Deutschen Bundestages veröffentlicht und diskutiert wurde. 302 Mitzeichnende
haben das Anliegen unterstützt. Der Petitionsausschuss hat im Rahmen seiner
parlamentarischen Prüfung der Bundesregierung Gelegenheit gegeben, ihre Haltung
zu dem Anliegen darzulegen. Die Prüfung des Petitionsausschusses hatte das im
Folgenden dargestellte Ergebnis:
Für eine Pflichtkennzeichnung spricht, dass die Kennzeichnung von Fleisch, das von
geschächteten Tieren stammt, vor allem für tierschutzinteressierte Verbraucherinnen
und Verbraucher eine wichtige Information bei der Kaufentscheidung darstellt. Nach
Darstellung der Bundesregierung ist jedoch auch zu berücksichtigen, dass eine
derartige Kennzeichnung von den betroffenen Religionsgemeinschaften auch als
eine diskriminierend wirkende „Negativ-Kennzeichnung“ angesehen werden kann.
Weiterhin kann sie auch von anderer Seite zu diskriminierenden Zwecken benutzt
werden.
Die Frage einer Kennzeichnung von Fleisch hinsichtlich der Betäubung von Tieren
spielte im Rahmen der Verhandlungen zur so genannten Lebensmittel-
Informationsverordnung (Verordnung (EU) Nr. 1169/2011), die am 12. Dezember
2011 in Kraft getreten ist, eine Rolle. Diese Lebensmittel-Informationsverordnung ist
größtenteils ab dem 13. Dezember 2014 anzuwenden. Das Europäische Parlament
hatte eine Forderung, die eine Kennzeichnungspflicht betraf, gestellt. Eine derartige
Pflichtkennzeichnung wurde aber im Ergebnis zunächst nicht in die Lebensmittel-
Informationsverordnung aufgenommen.
Im Rahmen einer durch Europäischen Kommission veranlassten Studie, die seit
Februar 2015 vorliegt, wurde untersucht, ob es zweckmäßig ist, den
Verbraucherinnen und Verbrauchern einschlägige Informationen über die Betäubung
von Tieren vor der Schlachtung bereitzustellen. Nach den Ausführungen des
Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) wurden u.a. hierzu
Telefon-Interviews mit 13.500 Verbraucherinnen und Verbrauchern geführt, 500 aus
jedem der im Studienzeitraum 27 Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Die
Befragten sollten spontan bis zu drei Kriterien nennen, die für sie beim Kauf von
Fleisch entscheidend sind. Merkmale der Fleischqualität wie z. B. Haltbarkeit und
Nährwert wurden von 56 % der Befragten genannt. Der Preis war für 24 % der
Befragten von entscheidender Bedeutung, die Herkunft für 15 % der Befragten.
Diese Kriterien wurden wesentlich häufiger genannt als die Art der Herstellung
(3,4 %), Tierschutz (0,7 %) und religiöse Aspekte (0,3 %).
Von den befragten Personen haben nach den Ausführungen des BMEL 80 %
angegeben, mit der bestehenden Kennzeichnung der von ihnen erworbenen
Produkte zufrieden zu sein. 72 % der Befragten interessierten sich für begleitende
Informationen bei Kauf von Fleisch im Hinblick auf die Betäubung der Tiere bei der
Schlachtung. 45 % der Befragten äußerten sich zustimmend dahingehend, dass
Fleisch von betäubungslos geschlachteten Tieren gekennzeichnet werden solle.
23 % äußerten sich ablehnend. 23 % waren hierzu indifferent.
Die Studie kommt daher zu der Schlussfolgerung, dass eine große Mehrheit der
Verbraucherinnen und Verbraucher sich erst dann für die Betäubung bei Schlachtung
interessiert, wenn sie für die Thematik sensibilisiert ist. Ob durch eine spezielle
Kennzeichnung von Fleisch das Kaufverhalten beeinflusst wird, ist nach dem
Ergebnis der Studie offen geblieben. Für eine Minderheit handle es sich hier um
einen entscheidenden Faktor beim Kauf.
Nach den Ausführungen des BMEL soll die Kennzeichnung der Betäubung bei
Schlachtung sowohl das Fleisch von betäubten als auch von nicht betäubten Tieren
umfassen. Mit Verweis auf die Gefahr einer Stigmatisierung bestimmter
gesellschaftlicher Gruppen wird die praktikablere Lösung, ggf. nur Fleisch von
betäubungslos geschlachteten Tieren zu kennzeichnen, als nicht sinnvoll angesehen.
Bei der Kennzeichnungsform soll ein Fließtext bevorzugt werden. Das BMEL hat
weiterhin ausgeführt, dass für Bereiche wie Gastronomie und verarbeitete
Erzeugnisse höhere Hürden gesehen werden als für Frischfleisch.
Weiterhin ungewiss ist nach den Ausführungen des BMEL, ob die Verbraucherinnen
und Verbraucher gewillt sind, sich an den Mehrkosten einer etwaigen Kennzeichnung
zu beteiligen. Letztlich bliebe es abzuwarten, welche Schlüsse die Europäische
Kommission aus der Studie zieht. Das BMEL sieht zzt. keinen konkreten
Handlungsbedarf. Es weist auch darauf hin, dass ein Dialog von Interessenträgern
im Rahmen der genannten Studie nahe gelegt habe, dass ein unbeabsichtigter
Verzehr von Fleisch betäubungslos geschlachteter Tiere in Deutschland sehr
unwahrscheinlich sei. Das Fleisch betäubungslos geschlachteter Tiere werde über
spezialisierte jüdische und muslimische Metzger vertrieben. Zudem stelle der
genehmigungspflichtige Verzicht auf eine Betäubung bei der Schlachtung in
Deutschland den absoluten Ausnahmefall dar.
Die überwältigende Mehrheit von in Deutschland mit einer „Halal“-Kennzeichnung
vertriebenem Fleisch von Tieren stammt nach den Ausführungen des BMEL zudem
aus einer Schlachtung, bei der betäubt wurde.
Da das Anliegen die Forderung des Europäischen Parlamentes nach einer
Kennzeichnungspflicht betrifft, empfiehlt der Petitionsausschuss, die Petition dem
Europäischen Parlament zuzuleiten.
Begründung (PDF)