Der Deutsche Bundestag möge beschließen, daß Opfer eines Justizirrtums nach lebensnahen Grundsätzen angemessen entschädigt werden, sowie die Folgen, welche in der persönlichen Lebensführung für das Justizopfer auftreten, durch den Staat direkt und unmittelbar ausgeglichen werden.
Indoklás:
Für zu Unrecht verbüßte Haft z.B. soll eine Mindestentschädigung von EUR 500 pro Hafttag gewährt werden (Verlust von Lebenszeit), für einen verlorenen Job ist zusätzlicher unmittelbarer Schadensersatz zu leisten.Das aktuelle Justizsystem sieht Justizirrtümer im Prinzip nicht vor. Es fehlen lebensnahe, sinnvolle Regeln, wie im Fall eines dennoch auftretenden Justizirrtums (kein System ist vollkommen, natürlich auch nicht unseres!) mit dem Geschädigten umgegangen wird. Dieses gilt sowohl für die materielle als auch die verfahrenstechnische Seite der Aufarbeitung des erlittenen Unrechts gegenüber dem Geschädigten. Wenn z.B eine Person zu Unrecht in Haft gerät und nach einem Urteil eine Haftstrafe verbüsst, das Urteil im Nachhinein jedoch aufgehoben wird, wird eine Entschädigung von EUR 25 pro Tag der zu Unrecht abgesessenen Haft ausgezahlt. Diese Summe ist im internationalen Vergleich lachhaft und wird von Seiten der Justiz damit gerechtfertigt, dass "kein Geld der Welt das erlittene Unrecht heilen kann". Oft müssen Geschädigte selbst diese Summen auch erst in einem separaten Verfahren einklagen. Es sollte sichergestellt werden, daß es üppig pauschalierte Summen für zu Unrecht erlittene Haft gibt (Stichwort: verlorene Lebenszeit!), sowie daß deren Auszahlung unmittelbar durch das erkennende Gericht, welches die zu Unrecht erlittene Haft durch korrigierendes Urteil beendet, zugesprochen werden MUSS. Auch fehlen für Opfer von Justizirrtümern Regeln und Hilfestellungen, wie deren Resozialisierung unterstützt werden kann. Oder anders ausgedrückt: wie der Staat das durch ihn zugefügte Leid gegenüber dem Opfer tilgt. Offensichtlich besteht hier eine Regelungslücke, da man - im Gegensatz zu Straftätern, welche die verhängte Strafe verbüßt haben - keine "Resozialisierung" nötig zu halten scheint. Dennoch sind für die Gesellschaft auch Opfer von Justizirrtümern zunächst "Ex-Knackis", welche genauso behandelt werden. Die Probleme im Alltagsleben (Probleme im Finden von Wohnung, Job, ...) liegen auf der Hand und führen zu einer stärkeren Belastung als bei "echten" Straftätern - diese konnten sich im Laufe der Haft mit der eigenen Situation abfinden - Justizopfern gelingt das in aller Regel nicht. Besondere psychologische Betreuung und begleitende Unterstützung scheint angemessen zu sein. Ein zentraler Bestandteil der Beseitigung des erlittenen Unrechts ist es, das Justizopfer so zu stellen, wie es vor seiner fälschlicherweise erfolgten Verurteilung dastand. Dazu gehört zunächst die Sicherstellung eines entsprechenden langfristigen Erwerbs, sowie eine vergleichbare Wohnung (wie vor der Verurteilung), weiterhin aktive Untersützung bei der Wiedererlangung des vorherigen Status. Selbst Beamte müssen in aller Regel auf Wiedererlangung des vorherigen Status klagen.
Haftentschädigung
Der Deutsche Bundestag hat die Petition am 27.11.2014 abschließend beraten und
beschlossen:
Die Petition
a) der Bundesregierung - dem Bundesministerium der Justiz und für
Verbraucherschutz - als Material zu überweisen,
b) den Landesvolksvertretungen zuzuleiten. Begründung
Der Petent fordert, dass Opfer eines Justizirrtums nach lebensnahen Grundsätzen
angemessen entschädigt und die Folgen, welche in der persönlichen Lebensführung
für das Justizopfer auftreten, durch den Staat direkt und unmittelbar ausgeglichen
werden.
Zur Begründung trägt der Petent im Wesentlichen vor, das aktuelle Justizsystem
sehe Justizirrtümer im Prinzip nicht vor. Es fehlten lebensnahe, sinnvolle Regeln, wie
im Fall eines dennoch auftretenden Justizirrtums mit Geschädigten umgegangen
werden solle. Dieses gelte sowohl für die materielle als auch die verfahrenstechni-
sche Seite der Aufarbeitung des erlittenen Unrechts gegenüber den Geschädigten.
Insbesondere sei die bestehende Haftentschädigung viel zu niedrig.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten zu dem Vorbringen wird auf die vom Petenten
eingereichten Unterlagen verwiesen.
Die Eingabe wurde als öffentliche Petition auf der Internetseite des Deutschen
Bundestages eingestellt und dort diskutiert. Sie wurde von 450 Mitzeichnern
unterstützt, und es gingen 66 Diskussionsbeiträge ein.
Zu diesem Thema liegen dem Petitionsausschuss mehrere Eingaben mit verwandter
Zielsetzung vor, die wegen des Sachzusammenhangs einer gemeinsamen
parlamentarischen Prüfung unterzogen werden. Es wird um Verständnis gebeten,
dass nicht auf alle der vorgetragenen Aspekte im Einzelnen eingegangen werden
kann.
Der Petitionsausschuss hat der Bundesregierung Gelegenheit gegeben, ihre Haltung
zu der Eingabe darzulegen. Das Ergebnis der parlamentarischen Prüfung lässt sich
unter anderem unter Einbeziehung der seitens der Bundesregierung angeführten
Aspekte wie folgt zusammenfassen:
Trotz der hohen Anforderungen sowohl an die Anordnung von Untersuchungshaft als
auch an die spätere Verurteilung sind einzelne Fehlentscheidungen von Gerichten
nicht vollständig auszuschließen. Insbesondere der Entzug der Freiheit, der einen
schwerwiegenden Eingriff in die Grundrechte des Betroffenen darstellt, kann
erhebliche Auswirkungen auf das Leben eines Einzelnen haben. Eine angemessene
Entschädigung zu finden, ist eine schwierige Aufgabe. Inwieweit jemand für eine
Freiheitsentziehung, die im Nachhinein betrachtet letztlich zu Unrecht erfolgte, würdig
entschädigt werden kann, ist kaum zu bemessen.
Der Gesetzgeber hat mit dem Gesetz über die Entschädigung für
Strafverfolgungsmaßnahmen (StrEG) vom 8. März 1971 (BGBI I S. 157), zuletzt
geändert durch Gesetz vom 30. Juli 2009 (BGBl. I, S. 2478), eine möglichst faire
Lösung für diese Fälle gesucht. Das Gesetz sieht Entschädigung für
Strafverfolgungsmaßnahmen vor, wenn die Verurteilung in einem Strafverfahren
fortfällt oder gemildert wurde, das Verfahren eingestellt oder die Eröffnung des
Hauptverfahrens abgelehnt wurde.
Die Entschädigung umfasst zunächst den vollen durch die
Strafverfolgungsmaßnahme verursachten Vermögensschaden. Das ist jede in Geld
bewertbare Einbuße, die der Berechtigte an seinem Vermögen oder an seinen
sonstigen rechtlichen Gütern erleidet. Zu den typischen Vermögensschäden infolge
von Strafverfolgungsmaßnahmen zählen der Ausfall des Arbeitslohnes oder des
Einkommens, entgangener Urlaub, sozialversicherungsrechtliche Nachteile, Kosten
für die Wiederherstellung einer durch eine Haft beeinträchtigten Gesundheit, Kosten
der Verteidigung gegen die Strafverfolgungsmaßnahmen, Verlust des Arbeitsplatzes
und Mindereinkommen infolge des Berufes oder des Arbeitsplatzes.
Die Entschädigung für eine erlittene Freiheitsentziehung erfasst zusätzlich den
Ausgleich für immaterielle Schäden in Form einer Pauschale. Mit dem Zweiten
Gesetz zur Änderung des StrEG vom 30. Juli 2009 (BGBl. I S. 2478) wurde diese
Pauschale mehr als verdoppelt. Sie beträgt seit dem 5. August 2009 nunmehr
25 Euro für jeden angefangenen Tag der Freiheitsentziehung.
Soweit der Petent diesen Betrag im internationalen Vergleich für deutlich zu gering
hält, ist anzumerken, dass die Mitgliedstaaten der EU recht unterschiedliche und
daher kaum vergleichbare Entschädigungskonzepte verfolgen. Viele Mitgliedstaaten
sehen bei der Zumessung der Entschädigung ein Ermessen vor und beziehen in die
Entscheidung etwa die soziale Stellung, den psychischen Schaden oder den
Verdienstausfall ein. Zum Teil wird nicht zwischen Vermögens- und
Nichtvermögensschäden oder zwischen rechtmäßiger und unrechtmäßiger
Strafverfolgung unterschieden.
Die Erhöhung der auf 25 Euro pro Tag der Freiheitsentziehung in Deutschland war
ein wichtiger Schritt. Aber auch in der Zukunft wird zu überprüfen sein, ob die
Entschädigung nach ihrer Struktur und Höhe noch ein angemessenes Äquivalent für
die auszugleichenden Schäden ergibt. Hier werden auch die vom Petenten
aufgeworfenen Fragen, insbesondere die nach Unterstützung und Betreuung nach
der Haftentlassung, einzubeziehen sein.
Die Bundesregierung hat in ihrer Stellungnahme darauf hingewiesen, dass die
Justizministerinnen und Justizminister der Bundesländer, an deren Treffen auch das
Bundesministerium der Justiz teilnimmt, sich auf ihrer Frühjahrskonferenz im Juni
2013 dahin verständigt haben, zunächst mit Hilfe einer Studie klären zu lassen, wie
die Entschädigung/Restitution und Rehabilitation der Betroffenen derzeit praktisch
erfolgt und inwiefern Maßnahmen zur Beschleunigung und Optimierung ergriffen
werden können. Der Petitionsausschuss hält die Petition für geeignet, um auf die
bestehenden Probleme aufmerksam zu machen.
Der Ausschuss empfiehlt daher, die Eingabe der Bundesregierung - dem
Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz - als Material zuzuleiten,
damit sie in die anstehenden Untersuchungen mit einbezogen wird, sowie den
Landesvolksvertretungen zuzuleiten, weil deren Zuständigkeit berührt ist.
Der von der Fraktion DIE LINKE. und der Fraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
gestellte Antrag, die Petition der Bundesregierung – dem Bundesministerium der
Justiz und für Verbraucherschutz – zur Erwägung zu überweisen und den Fraktionen
des Deutschen Bundestages zur Kenntnis zu geben, ist mehrheitlich abgelehnt
worden.Begründung (pdf)
Für viele Dinge des alltags, welche sicherlich geringer wiegen als der Verlust der Freiheit hat man einen deutlich höheren Entschädigungsanspruch als 25,00 €. Man darf nicht vergessen das ein unschuldig Inhaftierter in der Regel auch sein gesamtes Hab und Gut verloren hat. Auch hier ist die gültige Rechtsprechung alles andere als Opfer freundlich und zieht sich gewöhnlich sehr lange hin. Hier ist eine Entschädigung von 100,00 € und mehr das Mindestmaß, was man einem Justizopfer zusprechen muss, damit wenigstens ein halbwegs Menschenwürdiger Neustart nicht am Geld scheitert.