Abgabenordnung - Anerkennung der Gemeinnützigkeit von Vereinen gem. § 52 AO auch bei bürgerschaftlichem Engagement

Petent/in nicht öffentlich
Petition richtet sich an
Deutschen Bundestag
95 Unterstützende 95 in Deutschland

Der Petition wurde nicht entsprochen

95 Unterstützende 95 in Deutschland

Der Petition wurde nicht entsprochen

  1. Gestartet 2014
  2. Sammlung beendet
  3. Eingereicht
  4. Dialog
  5. Beendet

Dies ist eine Online-Petition des Deutschen Bundestags.

18.11.2015, 16:07

Pet 2-18-08-6102-013229

Abgabenordnung
Der Deutsche Bundestag hat die Petition am 07.05.2015 abschließend beraten und
beschlossen:

Das Petitionsverfahren abzuschließen, weil dem Anliegen nicht entsprochen werden
konnte. Begründung

Mit der Petition soll erreicht werden, dass § 52 der Abgabenordnung dahingehend
geändert wird, dass Organisationen auch dann als gemeinnützig anerkannt werden,
wenn sie sich politisch engagieren.
Zur Begründung wird ausgeführt, in der jüngeren Vergangenheit habe sich etwa für
die Organisation "attac", der die Gemeinnützigkeit aberkannt worden sei, gezeigt,
dass die Vorschriften der Abgabenordnung (AO) nicht mehr den gesellschaftlichen
Gegebenheiten entsprechen. Es könne nicht im Ermessen einer einzelnen
Finanzbehörde liegen, einer gesellschaftlich bedeutenden Organisation eine
wesentliche Existenzgrundlage zu entziehen. Eine diesbezügliche Entscheidung des
zuständigen Finanzamtes stehe im krassen Widerspruch zu einem der wichtigsten
Regierungsversprechen der Großen Koalition. Im Koalitionsvertrag heiße es dazu auf
Seite 105 u.a.: "Wir wollen die Informationen über politische Entscheidungen
quantitativ und qualitativ verbessern und die Beteiligungsmöglichkeiten für die
Menschen an der politischen Willensbildung ausbauen. Gerade im Vorfeld von
Entscheidungen ist früh, offen, umfassend und verständlich zu informieren." Auch
weitere Passagen enthielten Willensäußerungen dahingehend, die Bevölkerung
intensiver an der Willensbildung und der Ausgestaltung von Projekten zu beteiligen.
Auch die Partizipation Jugendlicher solle gestärkt werden.
Wenn diese Willensbekundungen ernst gemeint seien, dürften entsprechende
Aktivitäten von Bürgern nicht daran scheitern, dass einzelne Finanzbehörden den
entsprechenden Organisationen durch Aberkennung der Gemeinnützigkeit eine
wesentliche Finanzierungsgrundlage entzögen. Die Gemeinnützigkeit trage

maßgeblich dazu bei, dass das Herstellen von Öffentlichkeit für bürgerschaftliches
Engagement erst möglich werde.
Zu den Einzelheiten des Vortrages wird auf die eingereichten Unterlagen verwiesen.
Die Eingabe ist auf der Internetseite des Deutschen Bundestages veröffentlicht
worden. Es gingen 95 Mitzeichnungen sowie 11 Diskussionsbeiträge ein.
Der Petitionsausschuss hat der Bundesregierung Gelegenheit gegeben, ihre Haltung
zu der Eingabe darzulegen. Das Ergebnis der parlamentarischen Prüfung lässt sich
unter Einbeziehung der seitens der Bundesregierung angeführten Gesichtspunkte
wie folgt zusammenfassen:
Der Petitionsausschuss weist zunächst grundlegend darauf hin, dass eine
Körperschaft dann gemeinnützige Zwecke im Sinne des § 52 AO verfolgt, wenn ihre
Tätigkeit darauf gerichtet ist, die Allgemeinheit auf materiellem, geistigem, oder
sittlichem Gebiet selbstlos zu fördern. Dies macht es notwendig, den Gesetzesbegriff
"Förderung der Allgemeinheit" objektiv zu qualifizieren und zu werten. Diese
Qualifizierung und Wertung muss – entsprechend den vielfältigen, nach Gehalt und
Umfang unterschiedlichen Möglichkeiten, die Allgemeinheit zu fördern – an einer
Vielzahl von Faktoren anknüpfen.
Der Sinngehalt dieses Gesetzesbegriffs wird im Wesentlichen geprägt durch die
herrschende Staatsverfassung, wie sie in Deutschland als einem demokratischen
und sozialen Bundesstaat durch das Grundgesetz (GG) gegeben ist, auch durch die
sozial-ethischen und religiösen Prinzipien, wie sie gelehrt und praktiziert werden. Zu
berücksichtigen ist die bestehende geistige und kulturelle Ordnung, außerdem
Forschung, Wissenschaft und Technik, wie sie aufgrund ihrer Entwicklungen den
neueren Wissens- und Erkenntnisstand widerspiegeln. Außerdem spielen die
vorhandene Wirtschaftsstruktur und die wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse
sowie schließlich die Wertvorstellungen und die Anschauungen der Bevölkerung eine
Rolle. Diese Wertungskriterien ermöglichen es, den Beurteilungsspielraum
hinsichtlich des Gesetzesbegriffes "Förderung der Allgemeinheit" angemessen und
zutreffend auszufüllen (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 13. Dezember
1978, I R 39/78, BStBl II 1979, 482).
Die dementsprechend in § 52 AO enthaltenen Zwecke sind damit eine etablierte
Basis für unterschiedlichste Betätigungsfelder von Körperschaften. Politisches
Engagement kann auf dieser Grundlage insoweit als gemeinnützig einzustufen sein,
als eine Körperschaft das gesetzliche Tatbestandsmerkmal der "Allgemeinen

Förderung des demokratischen Staatswesens" (§ 52 Abs. 1 Satz 1 Nr. 24 AO) erfüllt,
indem sie sich umfassend mit den demokratischen Grundprinzipien befasst und
diese objektiv und neutral würdigt. Dieser Zweck umfasst auch die Erklärung,
Vertiefung und Auseinandersetzung mit den Grundlagen eines demokratisch
organisierten Staates, wie z.B. Meinungs-, Glaubens- oder Versammlungsfreiheit.
Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 29. August 1984, I R
203/81, BStBl II 1984, 844 und Urteil vom 23. November 1988 I R 11/88, BStBl II
1989, 391) fördert eine Körperschaft auch dann ausschließlich ihre gemeinnützigen
Satzungszwecke, wenn sie gelegentlich zu den tagespolitischen Themen Stellung
nimmt, die einen Bezug zu ihren in der Satzung abgebildeten gesetzlichen
gemeinnützigen Zwecken haben, sofern die Tagespolitik nicht Mittelpunkt der
Tätigkeit der Körperschaft ist oder wird, sondern der Vermittlung der Ziele der
Körperschaft dient.
Hingegen ist die Gemeinnützigkeit zu versagen, wenn ein politischer Zweck als
alleiniger oder überwiegender Zweck in der Satzung der Körperschaft festgelegt ist
oder die Körperschaft tatsächlich ausschließlich oder überwiegend einen politischen
Zweck verfolgt.
Das GG sieht in Art. 21 als verfassungsrechtlich notweniges Instrument der
politischen Willensbildung die Parteien vor. Sie sind politische Handlungseinheiten,
derer die Demokratie bedarf, um die Wähler zu politisch aktionsfähigen Gruppen
zusammenzuschließen und ihnen so einen wirksamen Einfluss auf das staatliche
Geschehen zu ermöglichen. Auf kommunaler Ebene wirken daneben insbesondere
die örtlich gebundenen Rathausparteien und Wählervereinigungen an der politischen
Willensbildung mit. Art. 28 Abs. 2 GG gewährleistet dabei, dass den an den
besonderen Belangen der örtlichen Gemeinschaft orientierten Wählervereinigungen
und den sie tragenden Bürgern eine chancengleiche Mitwirkung an der politischen
Willensbildung im kommunalen Bereich gewährt wird.
Nach Überzeugung des Petitionsausschusses gibt angesichts des Dargelegten das
GG für politisches Engagement klare Rahmenbedingungen vor. Er kann daher keine
Ansatzpunkte für eine Änderung und Erweiterung des § 52 AO um "politische
Zwecke" erkennen. Angesichts dessen kann der Ausschuss nicht in Aussicht stellen,
im Sinne des vorgetragenen Anliegens tätig zu werden und empfiehlt daher, das
Petitionsverfahren abzuschließen.

Der anderslautenden Antrag der Fraktionen DIE LINKE. und von
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, die Petition der Bundesregierung – dem
Bundesministerium der Finanzen – als Material zu überweisen und sie den
Fraktionen des Deutschen Bundestages zur Kenntnis zu geben, wurde mehrheitlich
abgelehnt.Begründung (pdf)


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