18/10/2016, 04:23
Pet 4-18-11-810-016340
Arbeitsmarktpolitik
Der Deutsche Bundestag hat die Petition am 22.09.2016 abschließend beraten und
beschlossen:
Das Petitionsverfahren abzuschließen, weil dem Anliegen teilweise entsprochen
worden ist.
Begründung
Mit der Petition wird die Durchführung von Reformen in der Arbeitsmarktpolitik und der
Grundsicherung für Arbeitsuchende gefordert.
Zur Begründung wird im Wesentlichen vorgetragen, Langzeitarbeitslosen müssten
Perspektiven eröffnet werden. Dazu gehörten eine Verbesserung der
Arbeitsvermittlung und eine öffentlich geförderte Beschäftigung, um
Langzeitarbeitslose wieder schrittweise an den Arbeitsprozess heranzuführen. Sie
könnten in den Kommunen im Dienstleistungssektor tätig werden, um hier personelle
Engpässe auszugleichen und das Dienstleistungsangebot für den Bürger zu erhöhen.
Dazu müssten die Möglichkeiten der sozialen Projekte und Vereine gestärkt werden,
um die Bürgernähe zu verbessern.
Zudem wird eine Erhöhung der Regelsätze gefordert und vorgetragen, dass die
bisherige Praxis der Arbeitslosenstatistik realitätsfremd sei.
Dem Petitionsausschuss liegen zu diesem Thema mehrere Eingaben mit verwandter
Zielsetzung vor, die wegen des Sachzusammenhangs einer gemeinsamen
parlamentarischen Prüfung unterzogen werden. Es wird um Verständnis gebeten,
dass nicht auf alle der vorgetragenen Aspekte im Einzelnen eingegangen werden
kann.
Die Eingabe wurde als öffentliche Petition auf der Internetseite des
Petitionsausschusses eingestellt. Sie wurde von 110 Mitzeichnern unterstützt.
Außerdem gingen 48 Diskussionsbeiträge ein.
Der Petitionsausschuss hat der Bundesregierung Gelegenheit gegeben, ihre Haltung
zu der Eingabe darzulegen. Das Ergebnis der parlamentarischen Prüfung lässt sich
unter anderem unter Einbeziehung der seitens der Bundesregierung angeführten
Aspekte wie folgt zusammenfassen:
Der Petitionsausschuss unterstreicht die Bedeutung des Ziels, Langzeitarbeitslosen
eine Perspektive zu eröffnen und sie wieder in den Arbeitsmarkt zu integrieren.
Die Bundesregierung unternimmt in diesem Bereich vielfältige Bemühungen. Mit dem
Konzept „Chancen eröffnen – soziale Teilhabe sichern“ hat sie zur gezielten
Unterstützung von Langzeitarbeitslosen verschiedene Wege entwickelt.
Bestandteile des Konzepts zum Abbau von Langzeitarbeitslosigkeit sind eine
Betreuungsoffensive im Regelgeschäft, die als einen Baustein die Einrichtung von
Netzwerken für Aktivierung, Beratung und Chancen enthält, das neue ESF-
Bundesprogramm zur Eingliederung langzeitarbeitsloser Leistungsberechtigter des
Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II), sowie das Programm zur Schaffung von
Chancen zur sozialen Teilhabe für Menschen, die gegenwärtig keine Chance auf
ungeförderte Beschäftigung haben. In den Netzwerken für Aktivierung, Beratung und
Chancen soll eine verbesserte Betreuungsintensität in den Jobcentern umgesetzt
werden. Hier können Leistungsberechtigte gebündelte Unterstützungsleistungen, mit
denen verschiedene Problemlagen angegangen werden können, etwa soziale,
psychische und gesundheitliche Vermittlungshemmnisse, fehlende Schul- oder
Berufsabschlüsse bzw. Grundbildungsdefizite sowie die Verbesserung der Kompetenz
und Motivation zur Bewältigung von Alltagsherausforderungen, erhalten.
Maßnahmen der öffentlich geförderten Beschäftigung stellen einen wichtigen Baustein
zur Integration langzeitarbeitsloser Menschen in den Arbeitsmarkt dar. Im Rahmen der
öffentlich geförderten Beschäftigung können beispielsweise erwerbsfähige
Leistungsberechtigte zur Erhaltung oder Wiedererlangung ihrer
Beschäftigungsfähigkeit, die für eine Eingliederung in Arbeit erforderlich ist, in
Arbeitsgelegenheiten zugewiesen werden, § 16d SGB II. Außerdem können
Arbeitgeber für die Beschäftigung von langzeitarbeitslosen erwerbsfähigen
Leistungsberechtigten mit mindestens zwei weiteren Vermittlungshemmnissen, die
keine Chance haben, einen Arbeitsplatz zu finden, durch Zuschüsse zum
Arbeitsentgelt gefördert werden, § 16e SGB II.
Für die aus öffentlich geförderter Beschäftigung ausscheidenden erwerbsfähigen
Leistungsberechtigten hält das SGB II darüber hinaus weitere vielfältige Instrumente
und Möglichkeiten für die Aktivierung und Integration bereit. So besteht beispielsweise
für Langzeitarbeitslose, deren berufliche Eingliederung auf Grund von
schwerwiegenden Vermittlungshemmnissen besonders erschwert ist, die Möglichkeit
der Förderung von Praktika bei Arbeitgebern von bis zu zwölf Wochen (ansonsten
sechs Wochen). Zudem wurde für diese Personengruppen das Aufstockungs- und
Umgehungsverbot für Maßnahmen der freien Förderung nach § 16f SGB II vollständig
aufgehoben. Somit können Maßnahmen über das bestehende Regelinstrumentarium
hinaus konzipiert und gefördert werden.
Sofern der Regelsatz als nicht bedarfsgerecht kritisiert wird, so ist darauf hinzuweisen,
dass das Bundesverfassungsgericht mit Urteil vom 23. Juli 2014 bestätigt hat, dass
die im Jahr 2011 verabschiedeten Regelbedarfe entsprechend seinen Anforderungen
transparent und in einem sachgerechten Verfahren ermittelt worden sind. Auch
bestehen gegen das gesetzlich geregelte Verfahren zur jährlichen Fortschreibung der
Regelbedarfsstufe keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Soweit einzelne in der
Einkommens- und Verbrauchsstichprobe erfasste Verbrauchsausgaben als nicht oder
nicht in voller Höhe regelsatzrelevant angesehen worden sind, hielt das
Bundesverfassungsgericht die hierfür vom Gesetzgeber gegebene Begründung für
ausreichend und vom Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers gedeckt.
Auch wird die vorgetragene Kritik an der Arbeitslosenstatistik nicht unterstützt. Die
Arbeitslosenstatistik wird von der Bundesagentur für Arbeit (BA) als Teil der amtlichen
Statistik über den Arbeitsmarkt nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) und
über die Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II geführt. Abstimmungen
über Details mit der Bundesregierung sind dabei zwar möglich, bewegen sich aber
immer im Rahmen eines seit längerem unveränderten definitorischen Rahmens. Die
Frage, wer statistisch als arbeitslos erfasst wird, ist im § 16 SGB II geregelt.
Nach § 16 Absatz 2 SGB II zählen Teilnehmer an Maßnahmen der aktiven
Arbeitsmarktpolitik nicht zum Personenkreis der Arbeitslosen, da wegen der
umfangreichen zeitlichen Einbindung in die jeweilige Maßnahme nicht davon
ausgegangen werden kann, dass sie uneingeschränkt verfügbar sind. Nach
Beendigung solcher Maßnahmen zählen diese Personen, sofern sie sich weiter bei
der Arbeitsagentur als arbeitsuchend melden, wieder zu den Arbeitslosen.
Entsprechendes gilt für Personen, deren Verfügbarkeit wegen Krankheit bzw. längerer
Arbeitsunfähigkeit eingeschränkt ist.
Darüber hinaus berichtet die BA bereits seit längerem auch über verschiedene
Konzepte der „Unterbeschäftigung". In der Unterbeschäftigung werden zusätzlich zu
den registrierten Arbeitslosen auch die Personen erfasst, die nicht als arbeitslos im
Sinne des Gesetzes gelten, weil sie Teilnehmer an einer Maßnahme der
Arbeitsmarktpolitik sind oder einen arbeitsmarktbedingten Sonderstatus besitzen.
Der Petitionsausschuss empfiehlt vor dem dargestellten Hintergrund, das
Petitionsverfahren abzuschließen, weil dem Anliegen der Petition teilweise
entsprochen worden ist.
Der von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gestellte Antrag, die Petition der
Bundesregierung – dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales – als Material zu
überweisen, soweit die Petition einen geförderten sozialen Arbeitsmarkt fordert, ist
mehrheitlich abgelehnt worden.
Begründung (PDF)