Datenschutz - Gesetzlicher Rahmen für den Einsatz von Datenbrillen

Petent/in nicht öffentlich
Petition richtet sich an
Deutschen Bundestag
626 Unterstützende 626 in Deutschland

Die Petition wurde abgeschlossen

626 Unterstützende 626 in Deutschland

Die Petition wurde abgeschlossen

  1. Gestartet 2013
  2. Sammlung beendet
  3. Eingereicht
  4. Dialog
  5. Beendet

Dies ist eine Online-Petition des Deutschen Bundestags.

18.11.2015, 16:08

Pet 1-18-06-298-000392

Datenschutz
Der Deutsche Bundestag hat die Petition am 05.03.2015 abschließend beraten und
beschlossen:

Die Petition
a) der Bundesregierung - dem Bundesministerium des Innern und dem
Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz - als Material zu
überweisen,
b) den Fraktionen des Deutschen Bundestages zur Kenntnis zu geben,
c) dem Europäischen Parlament zuzuleiten. Begründung

Mit der Eingabe soll zur Gewährleistung der Persönlichkeitsrechte Dritter erreicht
werden, einen rechtlichen Rahmen für Technologien zu schaffen, die unbemerkte
Videoaufnahmen beliebiger Personen ermöglichen.
Zur Begründung des Anliegens wird im Wesentlichen ausgeführt, dass im Rahmen
der Vermarktung innovativer Technologien eine verstärkte Gefährdung der
Privatsphäre und des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung durch
Videoaufnahmen im öffentlichen Raum zu befürchten sei. So ermögliche die
angekündigte Datenbrille eines internationalen Konzerns (Google Glass) es dem
Träger, unbemerkt Videoaufnahmen beliebiger Personen zu machen. Diese könnten
durch Software-Programme identifiziert und die Filme ins Internet gestellt werden,
ohne dass die Betroffenen die Möglichkeit hätten, dies zu verhindern. Bevor diese
Produkte in Deutschland auf den Markt kämen, müsse daher gesetzlich geregelt
werden, was mit dieser Brille getan werden dürfe und wie die Rechte Dritter
geschützt würden. Videos, Fotos und Tonaufnahmen sollten ohne Zustimmung der
aufgenommenen Personen nicht ins Internet übertragen werden.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten zu dem Vorbringen wird auf die eingereichten
Unterlagen verwiesen.
Zu der auf der Internetseite des Deutschen Bundestages veröffentlichten Eingabe
liegen 626 Mitzeichnungen und 38 Diskussionsbeiträge vor. Es wird um Verständnis

gebeten, dass nicht auf alle der vorgetragenen Aspekte im Einzelnen eingegangen
werden kann.
Der Petitionsausschuss hat der Bundesregierung Gelegenheit gegeben, ihre Ansicht
zu der Eingabe darzulegen. Das Ergebnis der parlamentarischen Prüfung lässt sich
unter Einbeziehung der seitens der Bundesregierung angeführten Aspekte wie folgt
zusammenfassen:
Der Petitionsausschuss begrüßt zunächst das mit der Petition zum Ausdruck
gebrachte Engagement im Hinblick auf den Datenschutz. Auch aus Sicht des
Ausschusses stellt die Gewährleistung des Grundrechts auf informationelle
Selbstbestimmung ein sehr wichtiges Anliegen dar. Den Belangen von Datenschutz
und Datensicherheit ist auch im digitalen Zeitalter umfassend Rechnung zu tragen.
Weiterhin stellt der Ausschuss fest, dass die Zulässigkeitsvoraussetzungen für die
Videoüberwachung öffentlich zugänglicher Räume in § 6b
Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) geregelt sind. Nach der Legaldefinition des
§ 6b BDSG ist Videoüberwachung die „Beobachtung... mit optisch-elektronischen
Einrichtungen“. Der Begriff der Einrichtung ist technikneutral, das Gesetz trifft keine
nähere Festlegung bezüglich der konkreten Art der vom Anwendungsbereich der
Norm erfassten Geräte. Diese können daher sowohl stationär als auch mobil sein, so
dass beispielsweise auch technische Entwicklungen wie eine Datenbrille, die
Videoaufnahmen ermöglicht, von § 6b BDSG erfasst sind.
Voraussetzung für die Anwendung des § 6b BDSG ist zunächst, dass der
Anwendungsbereich des BDSG eröffnet ist. Dies richtet sich nach § 1 Abs. 2 BDSG.
Danach gilt das BDSG für die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung
personenbezogener Daten durch öffentliche Stellen des Bundes, der Länder, soweit
der Datenschutz nicht durch Landesgesetze geregelt ist und diese Bundesrecht
ausführen oder als Organe der Rechtspflege tätig werden, und durch nicht-
öffentliche Stellen. Das BDSG gilt nicht, wenn die Erhebung, Verarbeitung oder
Nutzung der Daten durch nicht-öffentliche Stellen ausschließlich für persönliche oder
familiäre Tätigkeiten erfolgt. Ist § 6b BDSG anwendbar, so gelten dessen enge
Zulässigkeitsvoraussetzungen. Die Videoüberwachung öffentlich-zugänglicher
Bereiche ist danach nur zulässig, „soweit sie
1. zur Aufgabenerfüllung öffentlicher Stellen,
2. zur Wahrnehmung des Hausrechts oder
3. zur Wahrnehmung berechtigter Interessen für konkret festgelegte Zwecke

erforderlich ist und keine Anhaltspunkte bestehen, dass schutzwürdige Interessen
der Betroffenen überwiegen“.
§ 6b BDSG enthält ferner eine Kennzeichnungspflicht, eine
Interessenabwägungsklausel hinsichtlich der Verarbeitung und Nutzung der
erhobenen Daten, eine Benachrichtigungspflicht gegenüber dem Betroffenen sowie
eine Löschpflicht. Die Verarbeitung und Nutzung der durch Videoüberwachung
gewonnenen Daten im Wege der Übertragung ins Internet unterliegen ebenfalls den
Beschränkungen nach § 6b BDSG.
Sofern Foto- oder Videoaufnahmen zu ausschließlich persönlichen oder familiären
Zwecken erfolgen, findet zwar das BDSG gemäß dessen § 1 Abs. 2 Nr. 3 BDSG
keine Anwendung. Der Ausschuss hebt jedoch hervor, dass von der Aufzeichnung
Betroffene nicht schutzlos sind. Bereits nach derzeitiger Rechtslage besteht ein
zivilrechtlicher Abwehranspruch gegen widerrechtliche Eingriffe in das Recht am
eigenen Bild. Der Einzelne muss nicht generell dulden, dass jedermann von ihm
Bildnisse, insbesondere Filmaufnahmen, fertigt (Bundesgerichtshof (BGH), Urteil
vom 25. April 1995 – VI ZR 272/94). Es gehört zum Selbstbestimmungsrecht eines
jeden Menschen, darüber zu entscheiden, ob Filmaufnahmen von ihm gemacht und
möglicherweise gegen ihn verwendet werden dürfen. Das Recht am eigenen Bild ist
Bestandteil des zivilrechtlichen allgemeinen Persönlichkeitsrechts, das aus Artikel 2
Abs. 1 i. V. m. Artikel 1 Abs. 1 Grundgesetz (GG) hergeleitet wird. Es ist nicht auf
bestimmte Örtlichkeiten beschränkt und gilt unmittelbar auch zwischen Privaten.
Auch unterfällt nicht erst die Verwertung, sondern bereits die Herstellung von
Abbildungen dem Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts
(Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 26. August 2008 – 1 ABR 16/07). Ähnliches
gilt für Tonaufnahmen, die im Rahmen des Rechts am eigenen Wort als Ausprägung
des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ebenfalls geschützt sind.
Werden Bild-, Film- oder Tonaufnahmen ohne Einwilligung des Betroffenen
angefertigt, so stellt sich die Frage nach einem Eingriff in das allgemeine
Persönlichkeitsrecht. Hierbei kann es sich, auch ohne die Absicht, die Aufnahmen zu
verbreiten, um eine rechtswidrige, unerlaubte Handlung i. S. d. § 823 des
Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) handeln, da das allgemeine Persönlichkeitsrecht
als „sonstiges Recht i. S. d. § 823 BGB“ anerkannt ist (BGH, Urteil vom
14. Februar 1958 – I ZR 151/56; Urteil vom 25. April 1995 – VI ZR 272/94).
Der Ausschuss weist jedoch darauf hin, dass das allgemeine Persönlichkeitsrecht ein
Rahmenrecht ist, das nicht schrankenlos gewährleistet ist. Daher ist nicht jeder

Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht auch rechtswidrig. Ob die Herstellung
einer Abbildung rechtswidrig und damit unzulässig oder aber vom Betroffenen
hinzunehmen ist, muss stets unter Würdigung der Umstände des Einzelfalls und
durch Vornahme einer unter Berücksichtigung der rechtlichen Positionen der
Beteiligten durchgeführten Güter- und Interessenabwägung geprüft werden (BGH,
Urteil vom 25. April 1995 – VI ZR 272/94). Die gegenüberstehenden Positionen in ein
Verhältnis zu bringen, das den jeweiligen Interessen angemessen Rechnung trägt,
ist Aufgabe der Gerichte (Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom
26. Februar 2008 – 1 BvR 1602/07). Hierbei kann auch auf die Wertungen des
Kunsturhebergesetzes (KunstUrhG) zurückgegriffen werden. Für die Zulässigkeit der
Herstellung der Foto- oder Videoaufnahme einer Person spricht es, wenn deren
Verbreitung nach den §§ 22, 23 KunstUrhG zulässig wäre (Oberlandesgericht
Hamburg, Beschluss vom 5. April 2012 – 3-14/12 (Rev)).
Ergänzend merkt der Ausschuss an, dass auch ein strafrechtlicher Schutz gegen
widerrechtliche Bild- und Tonaufnahmen existiert. Gemäß § 201a
Abs. 1 Strafgesetzbuch (StGB) wird wegen Verletzung des höchstpersönlichen
Lebensbereichs durch Bildaufnahmen bestraft, wer von einer anderen Person, die
sich in einer Wohnung oder einem gegen Einblick besonders geschützten Raum
befindet, unbefugt Bildaufnahmen herstellt oder überträgt und dadurch deren
höchstpersönlichen Lebensbereich verletzt. Ebenso wird gemäß § 201a Abs. 2 StGB
bestraft, wer eine durch eine Tat nach Abs. 1 hergestellte Bildaufnahme gebraucht
oder einem Dritten zugänglich macht.
Gleichwohl bestehen nach Auffassung des Petitionsausschusses
datenschutzrechtliche Bedenken im Hinblick auf die Datenbrille, da diese in der Lage
ist, unauffällig die Umgebung des Trägers auszuspähen und alle Aufzeichnungen
sämtlicher Nutzer auf konzerneigene Server überträgt. In diesem Zusammenhang
hebt der Ausschuss hervor, dass Datenschutzaufsichtsbehörden aus der ganzen
Welt 2013 das Unternehmen Google aufgefordert haben, Transparenz im
Zusammenhang mit der geplanten Datenbrille Google Glass zu schaffen. Der Brief
wurde auch vom damaligen deutschen Bundesbeauftragten für den Datenschutz und
die Informationsfreiheit, Peter Schaar, unterstützt.
In ihrem Schreiben fordern die Datenschützer das Unternehmen auf, mitzuteilen,
welche Daten für welche Zwecke erhoben werden sollen. Zudem wollen die
Datenschützer über eine mögliche Datenweitergabe an Dritte informiert werden.
Auch die Ankündigung von Google, keine Gesichtserkennungsfunktionalitäten

anbieten zu wollen, wird in diesem Schreiben hinterfragt. Neben den
Datenschutzbehörden der europäischen Mitgliedstaaten haben auch die
Datenschutzbehörden Kanadas, Neuseelands, Australiens, Israels, Mexikos und der
Schweiz den Brief unterzeichnet.
Weiterhin macht der Ausschuss darauf aufmerksam, dass auf europäischer Ebene
derzeit der Entwurf einer Datenschutz-Grundverordnung beraten wird, die das
Datenschutzrecht europaweit einheitlich regeln soll.
Vor diesem Hintergrund und im Hinblick auf die weitreichenden Konsequenzen der
neuen Technologie und die mit der Datenbrille einhergehenden
datenschutzrechtlichen Risiken empfiehlt der Petitionsausschuss im Ergebnis seiner
Prüfung, die Petition der Bundesregierung – dem Bundesministerium des Innern und
dem Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz – als Material zu
überweisen, damit sie in die Prüfung der Vereinbarkeit mit deutschem und
europäischem Datenschutzrecht einbezogen wird und um auf das Anliegen der
Petition besonders aufmerksam zu machen.
Zugleich empfiehlt der Ausschuss, die Petition den Fraktionen des Deutschen
Bundestages zur Kenntnis zu geben, weil sie als Anregung für eine parlamentarische
Initiative geeignet erscheint.
Im Hinblick auf die noch andauernden Beratungen der Datenschutz-
Grundverordnung auf europäischer Ebene empfiehlt der Petitionsausschuss ferner,
die Petition dem Europäischen Parlament zuzuleiten.Begründung (pdf)


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